Typisch Burton
„Die Insel der besonderen Kinder“ ist ein Tim Burton-Film - Im Guten wie im Schlechten
Besonders lange werden die Produzenten nicht überlegt haben, bevor sie Tim Burton die Verfilmung von Ransom Riggs Erfolgsroman angeboten haben. Es passt aber auch zu schön zusammen: Hier ein Roman, der vor Phantasie sprudelt, sich zwischen den Zeiten bewegt, originelle, ungewöhnliche Figuren zu Hauf auffährt und dabei im Kern doch von einer zarten Romanze handelt. Und dazu Tim Burton, der einst genau dafür bekannt war: vor Phantasie sprudelnde Filme voller ungewöhnlicher Figuren, in denen es im Kern eben doch um universelle Themen geht. Bzw. ging, denn jener Tim Burton, der einst für Filme wie „Beetlejuice“, „Edward mit den Scherenhänden“, „Ed Wood“ oder den ersten beiden modernen „Batman“-Filmen gefeiert wurde, ist nur noch ein Schatten seiner selbst.
Die Filmgeschichte scheint Burton überholt zu haben, der Hang zum Exzentrischen, zu Charakteren, die gern als „quirky“ bezeichnet werden, ist heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr, Merkwürdig ist das neue Normal und vor allem das neue Erfolgreich. Zwar endeten auch früher Filme und natürlich auch die von Burton mit Höhepunkten, mit Actionszenen oder Spezialeffektorgien. Doch im modernen Blockbuster-Kino haben sich die Maßstäbe so sehr verschoben, dass dieser einstige Höhepunkt inzwischen zunehmend mehr Raum einnehmen und oft schon kurz nach der Hälfte beginnen. So auch in „Die Insel der besonderen Kinder“.
Eine ganze Weile, bis etwa zur Hälfte der zweistündigen Spielzeit, fühlt man sich so heimisch in einem Burton-Film wie lange nicht. Die Welt, die Ransom Riggs in seinem 2011 veröffentlichte Roman beschrieb, wirkt wie für Burton gemacht und dürfte angesichts der Sozialisation des 1980 geborenen Autors auch fraglos von Burtons Filmen beeinflusst sein. Eine einsame Insel vor der englischen Küste ist Schauplatz, hierhin findet durch ein Zeitloch der 16jährige Jacob (Ada Butterfield, bekanntgeworden durch Martin Scorseses „Hugo“), der den Spuren seines gerade verstorbenen Großvaters (Terence Stamp) folgt. Der hat sein Leben lang von einem ganz speziellen Heim für junge Menschen gesprochen, die mit besonderen Gaben gesegnet bzw. geschlagen sind. Während Jacobs Vater nichts von solchen Geschichten hielt, glaubt Jacob an das Besondere – und findet sich schließlich im Jahre 1943, genauer gesagt am 3. September, wieder. In einer Zeitschleife leben die Bewohner des Heims, denn die Aufpasserin Miss Peregrine (Eva Green, die sich inzwischen zur idealen, stets leicht überdreht wirkenden Burton-Actrice entwickelt hat) hat die Gabe, die Zeit um 24 Stunden zurückzudrehen.
Neben einem unsichtbaren Jungen, bizarren Zwillingen und anderen Gestalten, die wie eine Art Kinderversion des Ensembles von Tod Brownings „Freaks“ wirken, fällt besonders die reizende Emma (Ella Purnell) auf, in die er sich bald unsterblich verliebt. Gut, das wäre als Handlung etwas dünn, aber wie schön wäre es gewesen, wenn sich Burton noch mehr auf die Beschreibung der besonderen Kinder konzentriert, die zarte Romanze in den Mittelpunkt gestellt hätte. Doch das lassen die Konventionen des modernen Blockbusters leider nicht mehr zu und so taucht bald ein mal wieder von Samuel L. Jackson gespielter Antagonist namens Barron auf, der in der zweiten Stunde in einer ausufernden Effektorgie besiegt werden muss. Ja, manche der Schauwerte sind spektakulär, doch wenn sich da eine Horde Skelette ins Kampfgetümmel stürzt ist das zwar ein hübscher Verweis an Ray Harryhausen, aber auch eine Erinnerung an originellere Zeiten.
Nein, alles war früher nicht besser, manches aber schon. Aber Tim Burton hat es wie andere Regisseure oder Künstler mit besonders markantem Stil auch nicht leicht: Variiert er das Bekannte und Bewährte wird ihm Unoriginalität vorgehalten, würde er sich radikal ändern, würde ihm vermutlich vorgeworfen werden, seine Stärken zu ignorieren. Schlecht ist „Die Insel der besonderen Kindern“ natürlich beileibe nicht, so wie heutzutage kaum ein Blockbuster wirklich schlecht ist. Aber ein bisschen beliebig mutet die Zusammenstellung von Stoff und Regisseur, von Schauspielern und Spezialeffekten dann doch an.
„Die Insel der besonderen Kinder“ startet am 6. Oktober im Kino.
Abb. © 20th Century Fox
Die Insel der besonderen Kinder • Miss Peregrine’s Home For Peculiar Children; USA 2016 • Regie: Tim Burton • Darsteller: Asa Butterfield, Ella Purnell, Terence Stamp, Eva Green, Rupert Everett, Samuel L. Jackson, Judi Dench
Kommentare