15. April 2020

Streaming-Tipp: „The Decline“

Der Prepper-Thriller ist lange erstaunlich zeitgemäß

Lesezeit: 3 min.

„Hamstern“ ist einer der Schlüsselbegriffe der Corona-Krise, das Bevorraten mit Grundnahrungsmitteln und vor allem Klopapier. Dass der in Panik geratene Normalbürger dabei ausgesprochen unkoordiniert vorgeht dürfte den Profis unter den Hamsterern nur ein müdes Lächeln abringen. Prepper nennen sich diese Menschen, abgeleitet vom Englischen „to prepare“, sich vorbereiten. Auf was sich vorbereitet wird ist dabei nicht so ganz klar, aber letztlich ist es dann wohl auch egal aus welcher Richtung die Katastrophe kommen wird, die die Zivilisation wie wir sie kennen zerstören wird und nur den Stärksten überleben lässt.

Genau um solche Leute geht es im Netflix-Film „The Decline“, der eine ganze Weile wie ein erstaunlich zeitgemäßer Film für das Leben in der Corona-Krise wirkt, wie ein Fiebertraum über das, was uns blühen könnte, wenn der Virus ein paar Nummern heftiger wüten würde. Gleich in der ersten Szene spielt Antoine (Guillaume Laurin) mit Frau und Tochter die Flucht aus ihrem Haus in Kanada durch. Mitten in der Nacht wird die Tochter geweckt, anziehen, Haustier mitnehmen, ab ins Auto. Ein neuer Rekord, freut sich Antoine, doch er hat höhere Ziele.

Im Internet verfolgt er den You Tube-Kanal von Alain (Réal Bossé), offenbar der Großmeister der kanadischen Prepper. Bald findet sich Antoine in der Wildnis wieder, wird mit verbundenen Augen zu Alains abgelegenem Haus geführt, wo er zusammen mit ein paar anderen Preppern lernen möchte. Solaranlagen und Gewächshäuser gibt es hier, aber auch einen ganzen Haufen an Maschinengewehren und Selbstschussanlagen, im Falle der Katastrophe muss man sich schließlich verteidigen.


Prepper - Allein zu Haus? – „The Decline“, Netflix

Es kommt wie es kommen muss, ein Teilnehmer des Survival-Camps verunglückt beim Bomben basteln und ehe man sich entschließen kann die Polizei zu rufen hat Alain die Leiche schon verbrannt. Zwei Fraktionen stehen sich gegenüber: Die, die alles vertuschen wollen, und die, die noch an den Staat glauben. Zu letzteren gehören Antoine und Rachel (Marie-Evelyn Lessard), eine ehemalige Soldatin, mit der er versucht, in der Wildnis zu entkommen und vor allem zu überleben.

Googelt man den Begriff „Prepper“ sieht man gleich eine Anzeige für einen Rucksack für sagenhafte 1499 Euro. Das Geschäft mit der Angst vor der Katastrophe läuft also, wenig überraschend, vor allem in Amerika, wo der Individualismus noch ein wenig ausgeprägter ist, die endlosen Weiten auch das Isolieren deutlich leichter macht. Was diese Paranoia, das ständige Befürchten der Katastrophe, mit der Psyche macht, wäre also ein spannendes Sujet für einen Thriller, das Patrice Laliberté zumindest in der ersten Hälfte von „The Decline“ auch anzapft. Unterschiedliche Charaktere treffen in der Wildnis aufeinander, Konflikte deuten sich an, auch Alain scheint weniger souverän als erwartet. Doch sobald die Leiche verbrannt und die Fraktionen etabliert sind, werden schnell alle Subtexte begraben, alle Andeutungen von Psychologie vergessen. Ein blutiges Katz-und-Maus-Spiel entwickelt sich nun, das immerhin noch als solider Survival-Thriller überzeugt, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.

The Decline • Kanada 2020 • Regie: Patrice Laliberté • Darsteller: Guillaume Laurin, Réal Bosé, Marie-Evelyn Lessard • jetzt auf Netflix

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