26. Januar 2022 1 Likes

TV-Tipp: „Das Seil“ ohne Ende

Die Verfilmung von Stefan aus dem Siepens Roman als dreiteiliger Thriller

Lesezeit: 3 min.

Es ist ein Tag wie jeder andere als Dr. Bernhardt Mueller einen Spaziergang um die Sternwarte im norwegischen Hellig macht. Die Tage des Forschungsstandorts scheinen gezählt, denn das Radioteleskop ist eigentlich zu alt, um im wissenschaftlichen Wettstreit herauszustechen. Mueller und sein Team sind die Letzten auf der Station. Noch einmal möchten sie Großes bewirken: In 14 Tagen sollen Daten aus den Tiefen des Alls gewonnen werden. Doch dann liegt plötzlich das scheinbar endlose Seil vor Bernhardts Füßen… Wer hat es da hingelegt und wohin führt es? Nachdem sich zwei Bewohner beim Erkunden des Seils verletzt haben, macht sich eine kleine Gruppe Männer und Frauen auf, das Geheimnis zu lüften – und setzt dabei ihre jahrelange Forschung aufs Spiel.

Es ist schon etwas länger her, da rauschte Stefan aus dem Siepens „Das Seil“ durch die deutschen Feuilletons. Die Besprechungen des 176 Seiten Werks fielen mal mehr, mal weniger euphorisch aus. Einig war man sich vor allem über eines: Der Roman ist eine Parabel über die Macht der Obsession. Im Original von 2012 sind es jedoch keine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dem Seil folgen, sondern Bauern aus einem kleinen Dorf, dessen Bewohner sich auf die anstehende Ernte vorbereiten.

Regisseur Dominique Rocher und Drehbuchautor Eric Forestier haben die Erzählung behutsam modernisiert. Aus dem kleinen, altertümlichen Dorf ist eine fast verlassene Forschungsstation geworden, aus den Bauern die Bewohner der Station und aus der Feldernte die Ernte von Daten. Keine schlechte Entscheidung: Denn wer ist besser geeignet ein Mysterium zu untersuchen, als jene, die wissen möchten, was die Welt weit draußen im Innersten zusammenhält?

Die Kulisse bleibt ähnlich märchenhaft, bedrohlich und fantastisch wie im Roman. Rund um die Sternwarte herrscht schönste norwegische Einöde: Wald, Wald und noch mehr Wald. Ein Ort, an dem die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit schnell verschwimmen. Getrieben von den eigenen Dämonen und dem vermeintlich nicht mehr fernen Seilende, dezimiert sich die Gruppe nach und nach. Und die Zurückgelassenen? Die setzen alle Hebel in Bewegung, um die Vermissten zu finden und das gemeinsame Forschungsprojekt zu retten.

Übrigens: Dass der Ausflug kein gutes Ende nehmen wird, ist von Anfang an klar. Wasser, Nahrung, wärmende Kleidung? Nichts von alldem haben die Suchenden bei sich. Und dann ist da ja noch die angesprochene Obsession. Für einige aus der Gruppe ist das Seil bald mehr als ein mehrere Finger dickes Tau: Es ist ein Zeichen Gottes, die Hoffnung auf Heilung, die Lösung für alle Probleme, die einzige Chance, mit der Liebsten Zeit zu verbringen. Je länger die Wanderung dauert, desto mehr verfällt die Gruppe dem Seil und blendet alles Zurückliegende aus. Ob es nicht doch besser gewesen wäre, gemeinsam umzukehren?

Arte hat aus dem kurzen Roman drei jeweils rund 50 Minuten lange Folgen gemacht (alle drei am 27. Januar ab 21.45 Uhr – oder in der Mediathek). Ob das nun zu viele oder zu wenige sind, muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei der Interpretation dürften auch dieses Mal die Meinungen auseinander gehen. Fest steht: „Das Seil“ weiß auch als Serie in den Bann zu ziehen. Sie ist jedoch keine Unterhaltung für zwischendurch, sondern mitunter schwere Kost über Gott, die Welt und die Wege, die wir alle im Leben gehen

Das Seil • Frankreich 2021 • Regie: Dominique Rocher • Darsteller: Suzanne Clémens, Jean-Marc Barr, Christa Théret, Tom Mercier, Richard Sammel, Jakob Cedergren, Planitia Kenese • Am 27. Januar ab 21.45 Uhr auf Arte, bis zum 25. Februar in der arte-Mediathek

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