20. Juli 2015 1 Likes

In Zukunft: mehr Orden!

Nicht nur die Bundeskanzlerin, sondern wir alle sollten öfter mal gewürdigt werden

Lesezeit: 3 min.

Wer möchte in einem Land leben, das seine hervorragendsten Bürgerinnen und Bürger nicht mit Orden, Kreuzen und Medaillen verziert?

Angela Merkel, die zurzeit (Juli 2015) in Berlin als Bundeskanzlerin wirkt, ist, wen wundert’s, Trägerin so manchen ehrenvollen Metalls. So wurde ihr anno 2007 der König-Abdulaziz-Orden Saudi-Arabiens zuerkannt (wo, wie man sich erinnert, auf Hexerei oder das Führen eines Bordells die Todesstrafe steht; hingerichtet wird dort bevorzugt durch öffentliche Enthauptung, aber auch Steinigung steht im Repertoire). Und 2010 erhielt die sympathische Naturwissenschaftlerin (unvergessen ihre Diplomarbeit zum Thema „Der Einfluß der räumlichen Korrelation auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei bimolekularen Elementarreaktionen in dichten Medien“) den Orden Stara Planina, mithin den allerhöchsten aller bulgarischen Orden überhaupt; dazu ein Zitat aus ihrer diesbezüglichen Dankesrede in Sofia am 11. Oktober 2010: „Wir glauben, dass das Land Bulgarien und auch die Regierung auf einem sehr guten Weg sind, die Probleme, die es noch gibt, zu überwinden.“ Ach ja, die Kraft des Glaubens! Soll noch einer sagen, dass die sympathische Naturwissenschaftlerin nicht auch ihre spirituellen Seiten hat.

Wollen wir über der allerlei Orden Pracht und Herrlichkeit nicht vergessen, dass seit 2011 und im Rahmen eines Besuchs der Kanzlerin im schönen Singapur eine dort grassierende Orchideen-Züchtung „Dendrobium Angela Merkel“ gerufen wird. Seit dem 16. Februar 2008 erfreut Frau Merkel sich außerdem einer Ehrenmitgliedschaft bei Energie Cottbus. Und last but not least wurde ihr die Ehrendoktorwürde der ungarischen Universität Szeged zuerkannt; in ihrer Dankesrede vom 2. Februar versetzte sie ihre Hörerinnen und Hörer mit Sätzen wie diesen in Erstaunen: „Ungarn und Deutschland sind Länder in der Mitte Europas.“ Das hat vielleicht noch nie jemand so gesehen oder gesagt, aber: wer wollte es nach diesem Statement noch bezweifeln? (Ich gehe davon aus, dass in diesem Fall das ozeanographisch-geographische Beraterteam der Kanzlerin getan hat, was es konnte.)

Natürlich stellt sich im Anschluss an diese schier endlose Liste manche Frage: Wer putzt und poliert all das Ehrengerät? Gatte Joachim vielleicht, der liebenswürdige Scheidekundler, der eine Professur für Theoretische Chemie inne hat ‒ und zwar völlig zurecht? (Er trägt seinerseits den Friedrich-Wöhler-Preis der chemischen Gesellschaft der DDR und die Liebig-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker.) Und sind die Orden aus Edelmetall? Gelten sie als gesetzliche Zahlungsmittel? Verringern sie die Aufenthaltsdauer im Fegefeuer?

Wir wissen so wenig über Orden, ja, manche von uns besitzen kaum einen einzigen. Ich selbst bin immerhin Träger der Auszeichnung „Held der Arbeit“ (albanische Version), einem Stück Metall, das ich von einem durchreisenden albanischen Händler in den mittleren 1990er Jahren erworben habe, bezahlt damals noch in eisenharter D-Mark.

Manche (zumal solche ohne Orden) mögen sagen: Hinweg mit Orden und anderem ehrpusseligen Gedöns! Aber solchem Ausruf verweigere ich die Gefolgschaft. Und das nicht nur, weil dabei wieder niemand an die Ordensschmiede und Medaillendesigner denkt, deren Gewerbe in einem solchen Fall vor dem Niedergang kaum zu retten wäre. Sondern weil ich meine: Im Gegenteil ‒ neue Orden braucht das Land! Neue Ehrenzeichen! Neue Titel!

Warum nicht jedem Kinde, das sich noch hierzulande gebären lässt ‒ ein Ereignis, das selten genug geworden ist ‒ zur Geburt die „Silberne Demographie-Medaille“ umhängen (im Falle einer Wiedergeburt dieselbe in Gold)? Warum nicht zugleich das Abitur und den Doktortitel verleihen? Den Führerschein? Einen Ablassbrief des Bundesverkehrsministeriums für mindere Verkehrssünden?

Hat, wer zum zehnten Mal mehr als zwei Stunden zwischen Köln und Leverkusen, bei Stuttgart oder Hamburg im Stau gestanden ist, nicht das Eiserne Autobahnkreuz am Band verdient? Auch wir glauben doch inständig, dass das Land Bulgarien und seine Regierung auf einem sehr guten Weg sind, die Probleme, die es noch gibt, zu überwinden ‒ wo bleibt unser Orden? Und sollten nicht auch nach uns neue hodenförmige Wurzelknollen benannt werden, Flughäfen und Bushaltestellen; wollen nicht auch wir die Dr.-Oetker-Denkmütze für angewandte Backchemie tragen und zum Ehrenmitglied erkoren werden, gerne vom SG Traktor Dreileben, dem 1. FC Galatasaray Spandau oder dem von mir besonders geschätzten Grashoppers Trier?

So stelle jedenfalls ich mir die Zukunft vor: hochdekoriert.
 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

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