8. Juli 2019

Asteroiden-Armageddon

Wie wahrscheinlich ist es, dass wir im September von einem Asteroiden erschlagen werden?

Lesezeit: 3 min.

Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, wie wahrscheinlich es wohl ist, von einem Meteoriten getroffen zu werden? Nein? Gut, das ist nur vernünftig, denn es wurde tatsächlich noch nie ein Todesfall durch einen Meteor bestätigt. Bisher gab es nur Verletzte. Beim Tscheljabinsk-Meteor, der 2013 über Russland in der Luft explodierte, kamen rund eintausendfünfhundert Menschen zu Schaden – vor allem durch Glassplitter, weil die Druckwelle der Explosion Fenster zerstört hatte. Ein weiterer, etwas kleinerer Meteorit explodierte im Dezember 2018 über dem Beringmeer, ohne Schaden anzurichten. Diese beiden waren die größten beobachteten Meteore, die die Erde in den letzten hundert Jahren fast getroffen hätten. Sie zeigen uns, wie viel im Sonnensystem los ist und dass es nicht vollkommen abwegig ist, aus dem Weltall bombardiert zu werden. Müssen wir also bald Bruce Willis und seine Bohr-Crew aus Armageddon mit Atomsprengköpfen auf einen Asteroiden schießen?

Die NASA hat eine Liste von Asteroiden, die als „close approaches“ klassifiziert werden, also Objekte, die der Erde sehr nahe kommen und sie treffen könnten. Sie werden nach Risiko sortiert, ihre Bahnen verfolgt und vorausberechnet. Anhand dieser Daten berechnen die NASA-Mitarbeiter die Chancen eines direkten Treffers. Derzeit sind knapp zwanzigtausend Objekte auf dieser Liste geführt, von denen etwa zweitausend als potenziell gefährlich eingestuft werden. „Potenziell gefährlich“ heißt in diesem Zusammenhang eine Größe von mindestens hundertvierzig Meter Durchmesser und ein Vorbeiflug näher als 7,6 Millionen Kilometer. Das Problem bei diesen Beobachtungen ist, dass das Sonnensystem sehr groß und dunkel ist und kleine, frisch katalogisierte Objekte oft einfach wieder verloren gehen. Die erste Risikoberechnung findet daher mit sehr begrenzenten Informationen statt und muss weiter verfeinert werden, sobald der betreffende Meteorit oder Asteroid wieder auftaucht. Weder der Tscheljabinsk-Meteor noch sein Beringmeer-Cousin waren auf dieser Liste, weil sie schlicht zu klein waren, als dass man sie vorher hätte entdecken können.

Das Risiko eines Einschlags wird auf der sogenannten Turiner Skala angegeben. Sie reicht von null bis zehn, wobei null gleichbedeutend mit „Keine Gefahr“ und zehn mit „Oh Mist“ ist. Bis dato wurde kein Objekt gefunden, das höher als vier punktete (was „Potenzielle regionale Zerstörungen, aber vermutlich werden weitere Beobachtungen zu Herabstufung führen“ bedeutet). Beide russischen Meteore wurden im Nachhinein als Kategorie null eingestuft, da sie die Erde zwar getroffen, aber bereits in der Atmosphäre explodiert sind und nahezu keinen Schaden angerichtet haben. Im Jahr 2006 wurde ein etwas größerer Asteroid identifiziert und mit dem klingenden Namen 2006 QV89 versehen, der uns im September dieses Jahres auf die Pelle rücken könnte. Genau wissen wir es noch nicht, denn er konnte ursprünglich nur etwa neun Tage lang beobachtet werden, daher ist seine genaue Bahn unklar. Modelle haben ergeben, dass ein Einschlag auf der Erde nicht ganz auszuschließen ist. Das Risiko eines Treffers liegt bei etwa eins zu siebentausend. Genaueres werden wir erst ab Ende Juli wissen: dann können wir 2006 QV89 mit Acht-Meter-Teleskopen beobachten und seine Bahn genauer berechnen.

Auch wenn 2006 QV89 gerade etwas Aufmerksamkeit in den Medien bekommt, ist er nur eines unter vielen kleinen Objekten, die vielleicht unsere Erde treffen oder knapp verfehlen könnten. Er ist etwas größer als der Tscheljabinsk-Meteor, ein Einschlag wäre also spannend, aber vermutlich nicht weiter dramatisch, und höchstwahrscheinlich würde er ebenfalls in der Atmosphäre auseinanderbrechen. Für eine Einstufung über null auf der Turnier Skala reicht das allerdings nicht aus. Bruce Willis kann sich also entspannt zurücklehnen.

Ach so, ungefähr eins zu sechshundert- bis siebenhunderttausend – das ist die Wahrscheinlichkeit, von einem Meteor getroffen zu werden. Das ist wahrscheinlicher als ein Sechser plus Superzahl im Lotto, aber nicht so wahrscheinlich wie am eigenen Abendessen zu ersticken. Also immer schön kauen!

 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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