21. November 2016

Leben unter einer fremden Sonne

Proxima Centauri b ist der Exoplanet, der uns am nächsten ist – könnte es dort auch Leben geben?

Lesezeit: 4 min.

Aus, sagen wir, politischen Gründen zeigen derzeit ungewöhnlich viele Menschen Interesse daran, die Erde zu verlassen. Leider jedoch dürfte sich die Kolonialisierung unseres Nachbarn Mars noch etwas hinziehen, und ob dort jemals Bedingungen herrschen werden wie auf der Erde, ist mehr als ungewiss. Aber keine Panik – praktischerweise haben Forscher einen womöglich geeigneten Kandidaten gefunden. Läppische 4,2 Lichtjahre entfernt umkreist ein Planet unseren Nachbarstern Proxima Centauri, von dem Forscher glauben, er könne womöglich Leben beherbergen oder zumindest ermöglichen. Diese fremde Welt mit dem einfallsreichen Namen Proxima Centauri b ist in etwa so groß wie die Erde, und ihre Umlaufbahn befindet sich im richtigen Abstand zur Sonne, um flüssiges Wasser auf der Oberfläche zu erlauben. Aber reicht das schon? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um überhaupt „Leben“ auf einem Planeten zu ermöglichen?

Gehen wir von der Erde aus, bräuchte das Leben zunächst einmal Wasser, Licht, Nährstoffe … und Internet. Aber Spaß beiseite – die ersten Organismen in der Ursuppe kamen allem Anschein nach mit deutlich unwirtlicheren Situationen zurecht, als man meinen möchte. Zu den extremsten Lebensräumen im Ozean gehören die sogenannten Schwarzen und Weißen Raucher: heiße Quellen am Meeresboden. In einer Welt aus eiskaltem Wasser und vollkommener Dunkelheit stoßen sie in heißem Wasser gelöste Mineralien aus, die Leben ermöglichen. Tatsächlich sind diese Raucher regelrechte Biotope mit unzähligen Bakterien, die anorganische Stoffe in organisches Material umbauen. Sonnenlicht? Pah! Dort unten ist noble Blässe angesagt. Wasser und Nährstoffe allerdings scheinen in der Tat unabdingbar für die ersten Zuckungen des Lebens, und diese Grundbausteine sind durchaus häufiger gegeben, als man annehmen könnte. Schwarze und Weiße Raucher werden beispielsweise auf einigen Monden im Sonnensystem vermutet, etwa auf dem Jupitermond Europa und auf dem Saturnmond Enceladus, und auch auf dem Mars soll es sie einst gegeben haben. Irgendeine Form von organischem Leben, und seien es „nur“ Bakterien, ist also auch auf Proxima Centauri b durchaus denkbar.

Wie aber muss ein Planet beschaffen sein, um tatsächlich als „erdähnlich“ zu gelten? Eine Bestandsaufnahme zeigt Mitteltemperaturen um 15 Grad Celsius; eine Atmosphäre mit etwa 1000 hPa Druck, die zu etwa 20 Prozent aus Sauerstoff, zu 70 Prozent aus Stickstoff und zu 10 Prozent aus allerhand anderer Gasen besteht; ein Magnetfeld, das diese Atmosphäre und die Bewohner vor gefährlicher Strahlung schützt; und ein bisschen festen Boden. Das klingt auf den ersten Blick nach keiner langen Einkaufsliste, aber sieht man sich die Hintergründe an, wird schnell klar, wie schwer es ist, die richtige Mischung hinzubekommen. Ein Magnetfeld benötigt zunächst einmal ein flüssiges, rotierendes, elektrisch leitfähiges Material im Inneren des Planeten, im Fall der Erde einen Kern aus Eisen und Nickel. Unsere gewohnten 1000 hPa Luftdruck resultieren aus dem „Eigengewicht“ der Luft, das von ihrer Zusammensetzung bestimmt wird (auch Gase wiegen schließlich etwas), sowie der Gravitation des Planeten. Die angenehmen 15 Grad Celsius basieren auf einem komplexen Zusammenspiel aus Umlaufbahn, Achsenneigung und Atmosphärenchemie. Und es wird noch komplizierter, wenn der Planet außer „theoretisch bewohnbar“ auch noch so hübsch und artenreich wie die Erde sein soll, zumal sich ein Planet im Laufe seines Lebens ja ständig verändert. Die Erde war zunächst auch nur ein brodelnder, ungemütlicher Klumpen Gestein, und selbst als sie sich beruhigt hatte, war sie lange keineswegs das gemütliche Fleckchen, das wir heute unser Zuhause nennen. Leben muss hart im Nehmen sein.

Was wir über den Planeten Proxima Centauri b bisher wissen, ist offen gesagt reichlich wenig. Er ist etwa so groß wie die Erde und dreht sich vermutlich im richtigen Abstand um den Mutterstern Proxima Centauri, um flüssiges Wasser und damit potenziell Leben zu ermöglichen. Da Proxima Centauri ein Roter Zwerg ist, also ein Stern, der kleiner ist als unsere Sonne und schwächer leuchtet, ist es auf Proxima Centauri b wohl eher düster. Ein Jahr auf Proxima Centauri b dauert nur elf Tage (weniger Warten auf den Weihnachtsmann, juhu!) – und das wäre es dann auch schon in Sachen bekannter Fakten. Kluge Leute haben zwar allerlei Theorien und mögliche Szenarien zu Entstehung und genauerer Zusammensetzung des Planeten aufgestellt, aber tatsächlich wissen wir einfach nicht genug, um uns eine Vision von extraterrestrischem Leben oder eine Zukunft à la Raumschiff Enterprise auszumalen.

Vielleicht ist der Mars also doch vorerst die erste Wahl, wenn man von der Erde auswandern will. Die Reise zum Roten Planeten dürfte auch wesentlich bequemer sein, denn sie dauert nur rund neun Monate. In dieser Zeit legt man bestenfalls einen winzigen Bruchteil der 40.000.000.000.000 Kilometer (das entspricht ziemlich genau tausend Millionen Trips um den ganzen Äquator) zu Proxmia Centauri b zurück. Wie oft die Kinder auf dem Rücksitz da wohl „Sind wir schon da?“ fragen? Und von den Benzinkosten mal ganz zu schweigen.
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.