4. November 2019

Michael Bay hoch zwei

Was passiert, wenn Galaxien zusammenstoßen, ist so spektakulär wie ein Action-Film

Lesezeit: 3 min.

Dieser Tage werden in weniger als fünfhundert Millionen Lichtjahren Entfernung zwei Galaxien aufeinanderprallen. Klingt ziemlich spektakulär, oder? Man sieht es praktisch schon vor sich: Zwei gigantische kosmische Gebilde, die sich wie Mungo und Schlange umkreisen, bevor sie mit Anlauf aufeinander zustürmen und mit galaktischer Wucht in einer atemberaubenden Explosion aus Hitze, Energie, Asteroiden und Elementarteilchen zusammenstoßen. Das ist Michael Bay hoch zwei, Alien gegen Predator, das ultimative Weltraumduell der Galaxien. Es kann nur eine geben.

Jawohl, zusammenprallende Galaxien taugen durchaus für fette Schlagzeilen. Die dazugehörigen Berichte allerdings – einer machte erst vor Kurzem die Runde – sind überraschend sparsam, was Details angeht. Und noch dazu recht ernüchternd: Die vom Hubble-Weltraumteleskop beobachteten Galaxien stoßen nicht gegeneinander, sie verschmelzen allmählich miteinander.

Tja, das ist enttäuschend, wie so vieles im Leben. Trotzdem, als ich diese Berichte las, wollte ich irgendwann doch wissen, was genau passiert, wenn zwei Galaxien zusammenstoßen. Wie sieht das aus, wie muss man sich das vorstellen? Gibt es wirklich Explosionen? Oder handelt es sich dabei eher um kosmische Grundstücksstreitigkeiten?

Also: Zuerst einmal passiert gar nichts. Und zwar nicht, weil eine Galaxie per se ein langweiliger Ort wäre. Im Gegenteil: Eine Galaxie enthält Milliarden von Gaskugeln, die mit Temperaturen brennen, die wir uns kaum vorstellen können, und das ist ja wohl ziemlich spannend. Aber, wie Douglas Adams so treffend bemerkt hat: Der Weltraum ist groß. Verdammt groß. Deshalb sind diese spannenden Kugeln aus brennendem Gas Milliarden Meilen voneinander entfernt. Was bedeutet, dass es ziemlich lange dauert, bis tatsächlich mal irgendetwas passiert. Das ist so ähnlich, als würden zwei Staubwolken aufeinanderprallen.

Natürlich besitzt eine Galaxie eine ganz andere Gravitation als eine Staubwolke. Aus diesem Grund liefert der Zusammenstoß zweier Galaxien nicht unbedingt spektakuläre, medientaugliche Bilder, interessant ist er trotzdem. Stellen Sie sich vor: Planeten werden langsam aber sicher aus ihrer Umlaufbahn gezogen, Sterne prallen aufeinander, neue schwarze Löcher entstehen, und überhaupt ist es ein riesiges kosmisches Spektakel, wenn sich – und das kann sich über Jahrmilliarden hinziehen, also stellen Sie sich lieber einen Wecker – zwei Galaxien einen Kampf um die Vorherrschaft im All liefern.

Zugegeben, das ist jetzt etwas unglücklich ausgedrückt, immerhin ist ein Haufen von Sternen und Planeten nicht besser oder schlechter als der andere. Dennoch liegen sie miteinander im Wettstreit, den die größere Galaxie im Regelfall für sich entscheidet. Sie frisst die kleinere, verleibt sie sich ein und spuckt wieder aus, was ihr nicht schmeckt – bis der Verlierer nach langer, langer Zeit völlig in der Gewinnergalaxie aufgeht.

Übrigens: Dieses Schicksal wird auch uns irgendwann blühen. Gegenwärtig nähert sich eine andere Galaxie mit etwa hundertzehn Kilometern pro Sekunde der Milchstraße. Klar, als guter Erdenbürger werde ich unser Sternensystem tüchtig anfeuern, aber es wird trotzdem ein Kampf mit ungewissem Ausgang.

Zum Glück haben wir noch ein bisschen Zeit, uns darauf vorzubereiten. Die gegnerische Galaxie – Andromeda – wird uns erst in etwa vier Milliarden Jahren erreichen. Und dann dauert es noch einmal ein paar Milliarden Jahre, bis das Vorgeplänkel erledigt ist und der Kampf endlich losgeht. Richtig spannend wird es, wenn noch eine Galaxie mitmischt – der Dreiecksnebel, der liegt nämlich auch gleich um die Ecke. Drei aufeinanderprallende Galaxien: Das wäre das kosmische Äquivalent zu einem WWE-Titelkampf. Und zwar einem, in dem der Undertaker von einem Wolkenkratzer springt, um Steve Rogers mit einem Stone Cold Elbow Drop außer Gefecht zu setzen. (Ich schaue kein Wrestling, daher habe ich nicht die leiseste Ahnung, ob die letzten Sätze irgendeinen Sinn ergeben.)

Wie dem auch sei, man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass die Berichte über die beiden Galaxien auf Kollisionskurs, die Hubble entdeckt hat, dem Ereignis nicht gerecht werden. Action gibt es reichlich, wenn auch zugegebenermaßen auf eine ziemlich lange Zeitspanne verteilt. Aber dass die Galaxien am Ende einfach miteinander verschmelzen, ist dann doch eine etwas schwache Pointe. Oft ist der Weltraum trotz all seines Zaubers und seiner tödlichen Gnadenlosigkeit eben einfach nur stinklangweilig. Ich finde, ein paar ineinanderkrachende Galaxien sind da doch eine schöne Abwechslung.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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