21. September 2020

Rettet den Weltraum!

Das Coronavirus hat nicht nur für die Erde Folgen, sondern auch weit darüber hinaus

Lesezeit: 4 min.

Space Camp. Ferien im Weltraum. Klingt dämlich, oder? Wie eine Filmklamotte aus den 1980er-Jahren mit Rick Moranis. Allerdings existiert das Space Camp wirklich. Wahrscheinlich wissen das die Nerds unter meinen Lesern bereits, aber mir war das neu. Deshalb musste ich mich erst schlau machen, und jetzt, da ich weiß, was es damit auf sich hat, muss ich zugeben: Die Idee ist einfach brillant.

Es handelt sich um eine Reihe von Bildungsprogrammen am U.S. Space & Rocket Center, einer Außenstelle des NASA-eigenen Marshall Space Flight Center in Alabama. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beinahe hundertfünfzig Ländern sollen bei einer Vielzahl von Aktivitäten die Faszination der Weltraumforschung für sich entdecken. Und das mit beträchtlichem Aufwand. Das Space & Rocket Center verfügt unter anderem über eine Saturn-V-Rakete, echtes Mondgestein, eine Quarantäneeinrichtung, ein Spaceshuttle und jede Menge anderen coolen Kram. Von einem Praktikum bei der NASA abgesehen, ist das wohl die beste Möglichkeit, etwas über den Weltraum zu lernen. Und einige der ehemaligen Teilnehmer sind inzwischen ziemlich prominent: Beth Moses beispielsweise ist Astronautenausbilderin bei Virgin Atlantic, und Christina Hammock Koch hat es zur NASA-Astronautin gebracht, die den Rekord für den längsten Weltraumaufenthalt einer Frau hält.

Ich war noch nicht dort, deshalb weiß ich nicht, ob das Space Camp etwas taugt oder was man dort genau lernt. Aber es scheint ganz erfolgreich zu sein, immerhin gibt es die Einrichtung schon seit 1982. Allerdings müssten sie ihre Website dringend mal verbessern, die sieht nämlich aus, als wäre sie ebenfalls von 1982, und ist auf charmante Art schlecht – genau wie ein Rick-Moranis-Film.

Als ich sie zum ersten Mal aufgerufen habe, hat mich ein fettes Banner begrüßt: „RETTEN SIE DAS SPACE CAMP! Klicken Sie hier, um mit Ihrer Spende die Schließung des USSRC-Museums, des Space Camps und seiner Partnerschaftsprogramme zu verhindern.“ Ich erfuhr also von der Existenz des Space Camp im selben Augenblick wie von seiner geplanten Schließung, und daher dürfte mir das eigentlich nicht so nahe gehen. Trotzdem – eine so liebenswerte, völlig aus der Zeit gefallene Einrichtung, in der Kinder mit einem echten Spaceshuttle herumexperimentieren können, finde ich unbedingt erhaltenswert.

Der Grund, weshalb das Space Camp eingestellt werden soll, ist ganz einfach: Wegen des Coronavirus musste es eine Zeit lang schließen, und obwohl es jetzt wieder geöffnet hat, müssen strenge Abstandsregeln und Besucherobergrenzen eingehalten werden. Was bedeutet, dass die Einnahmen um zwei Drittel gesunken sind. Dieses Geld wurde hauptsächlich dafür verwendet, alte und schadensanfällige Weltraumausrüstung zu warten, und nun fehlen (schluck!) 1,5 Millionen Dollar, um den Laden weiter am Laufen zu halten. Die Lage ist ernst.

Die gute Nachricht aber lautet, dass sie diese Summe schon beinahe aufgetrieben haben – ich habe am 28. Juli dieses Jahres nachgesehen: Der Spendenaufruf war erst ein paar Stunden alt, und es waren bereits über 100.000 Dollar zusammengekommen. Inzwischen sind alle erforderlichen Spenden eingegangen, und auch ich habe einen kleinen Beitrag dazu geleistet, indem ich das Honorar für diese Kolumne gespendet habe. Das Space Camp kann also nicht nur offen bleiben, sondern auch die Website könnte neu gestaltet werden.

Jedoch hat mich die missliche Lage des Space Camp ins Grübeln gebracht. Wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, hat das verdammte Coronavirus einiges an Schaden angerichtet. Selbst wenn Sie in den letzten sechs Monaten gesund wie ein Fisch im Wasser waren, hat es Ihr Leben mit ziemlicher Sicherheit beeinträchtigt. Sie durften Ihre Familienmitglieder nicht besuchen, nicht reisen und auch sonst ziemlich wenig unternehmen. Gut möglich, dass Sie durch Kurzarbeit weniger verdient haben oder gar arbeitslos geworden sind. Einfach alles an dieser Krise ist furchtbar, und man muss sich fragen, inwiefern sie die Weltraumforschung in nächster Zukunft beeinträchtigt. Klar, es scheint widersinnig, über das Weltall nachzudenken, wenn sich unser Planet selbst in so großer Gefahr befindet, aber hey – diezukunft.de bezahlt mich dafür, dass ich mir Gedanken darüber mache.

Die ersten Probleme sind schon aufgetaucht: Wie The Atlantic berichtet, haben die meisten Raumfahrtzentren ihre Angestellten ins Homeoffice geschickt. Was unter diesen Umständen nur vernünftig ist, aber wiederum ganz andere Schwierigkeiten nach sich zieht. „Der europäische Raumflughafen in Südamerika hat alle geplanten Starts verschoben“, schreibt The Atlantic. „Die NASA hat sämtliche Tests an einem Riesenteleskop ausgesetzt, das in etwa einem Jahr in Betrieb genommen werden sollte. Die Pandemie hat auch ein Gemeinschaftsprojekt zwischen der russischen und mehreren europäischen Raumfahrtbehörden zum Stillstand gebracht – einen Marsrover, der herausfinden soll, ob es einmal Leben auf dem roten Planeten gegeben hat. Erde und Mars erreichen ihren Minimalabstand nur alle zwei Jahre, also muss der Rover bis 2022 eingemottet werden. Selbst wenn unsere Welt bis dahin wieder in Ordnung ist, müssen wir darauf warten, dass im Universum einigermaßen günstige Bedingungen herrschen, bevor wir zur nächsten Welt aufbrechen.“

Was ich also sagen will: Wenn Ihnen der Weltraum am Herzen liegt, dann unterstützen Sie alle Versuche, ihn zu erreichen. In diesen Zeiten ist jede Hilfe höchstwillkommen.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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