23. August 2018

Der Hugo ist nicht zu stoppen

Hardy Kettlitz beendet vorläufig die Chronik des bedeutenden Science-Fiction-Preises

Lesezeit: 3 min.

Bisweilen sind aller guten Dinge tatsächlich drei: Auf diese klassische Formel lässt sich das Unterfangen von Hardy Kettlitz bringen, die bisherige Geschichte der Hugo Awards zusammenzufassen. Nach den beiden Bänden über die Jahre 1953 bis 1984 und 1985 bis 2000 ist nun der abschließende Teil erschienen, der alle Preisträger und Nominierte der Jahre 2001 bis 2017 in den unterschiedlichen Kategorien vorstellt und kenntnisreich kommentiert.

Hardy Kettlitz: Die Hugo Awards 2001-2017Zur Erinnerung: Der Hugo ist ein ebenso renommierter wie werbeträchtiger Publikumspreis und wird seit 1953 einmal pro Jahr beim „Worldcon“ der World Science Fiction Society verliehen; stimmberechtigt sind alle Teilnehmer. Sein Name geht auf Hugo Gernsback (1884–1967) zurück, der als „Vater“ der frühen technikorientierten Science-Fiction gilt und das Genre tief geprägt hat. Tatsächlich aber sind auch andere Spielarten der Phantastik zur Nominierung zugelassen, was gerade in den letzten Jahren unübersehbar wurde: Von achtzehn preisgekrönten Romanen gehören gut die Hälfte der Fantasy an. Hierin kann man einen Beleg für die Krise der Science-Fiction sehen oder auch nur eine Referenz an sich wandelnde Publikumsvorlieben; in den meisten Buchläden dürfte der Bestand an vorrätiger Fantasy den der Science-Fiction bei weitem übersteigen. Dennoch mangelt es auch bei den Hugo-Vergaben nicht an Auszeichnungen für „reguläre“ SF, wie sie beispielsweise Robert Charles Wilson für „Spin“ (2005, im Shop), John Scalzi für „Redshirts“ (2012, im Shop) und Cixin Liu für „The Three-Body Problem“ (2008/2014, dt. „Die drei Sonnen“, im Shop) erhalten haben. Schade, dass China Miéville den Preis bislang nur einmal und dann nicht für „Perdido Street Station“ (2000, im Shop), sondern für „The City & the City“ (2009, dt. „Die Stadt & die Stadt“) bekommen hat; da ist erkennbar noch Luft nach oben. Zudem musste er sich den Hugo teilen; allerdings immerhin mit „The Windup Girl“ (2009, dt. „Biokrieg“, im Shop) von Paolo Bacigalupi.

Während mit nur einer Ausnahme alle Romane ins Deutsche übersetzt worden sind, sieht dies bei der Kurzprosa völlig anders aus; hier lautet die am häufigsten verwendete bibliographische Angabe „Nicht auf Deutsch“. Dies geht in erster Linie auf den starken Rückgang international ausgelegter Anthologien sowie auf den erwähnten Publikumsgeschmack zurück. „Das ist besonders bedauerlich, weil auch heute die innovativeren Ideen in den Erzählungen und Kurzromanen zu finden sind“, kommentiert Kettlitz, und in der Tat würde man Erzählungen wie „Legions in Time“ (2003) von Michael Swanwick oder „Six Months, Three Days“ (2011) von Charlie Jane Anders gerne auf Deutsch lesen. Immerhin, bei einigen Texten – wie „Folding Beijing“ (2015, „Peking falten“) von Hao Jingfang oder „Binti“ (2015, „Binti allein“) von Nnedi Okorafor hat es zu deutschsprachigen Einzelausgaben gelangt, und „The Lady-Astronaut of Mars“ (2013, „Die Marsianerin“) von Mary Robinette Kowal ist auf tor-online.de verfügbar. Die brillanten Erzählungen von Ted Chiang hingegen liegen (fast) alle in zwei Sammelbänden bei Golkonda vor; er hat den Hugo seit „Hell is the Absence of God“ (2002, „Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes“) immerhin fünfmal erhalten.

Wenig Umstände macht Kettlitz – völlig zu Recht – um das Phänomen der „Puppies“, zweier unter ähnlichem Namen auftretender Gruppierungen, die zwischen 2013 und 2016 meist vergeblich versucht haben, ihre Vorstellungen von Preiswürdigkeit mittels eigener Kampagnen durchzusetzen. Dabei ging es um actionbetonte Science-Fiction alter Schule, die nicht selten rechtslastig ausfiel und voller Ressentiments steckte; mehr dazu findet sich in dem Artikel „Hugogate“ von Christoph Jarosch in „Das Science Fiction Jahr 2016“. Kettlitz hat die solchermaßen „nach vorn“ gebrachten Texte deutlich gekennzeichnet, womit das Thema als – hoffentlich einmaliger – Sonderfall dann auch schon erledigt wäre.

Insgesamt ist auch dieser Band eine erfrischende, kenntnisreiche und dank Index vorzüglich nutzbare Bestandsaufnahme, die keine Frage außer der einen offenlässt: Wann erscheint Band 4? Das weiß vermutlich auch Hardy Kettlitz nicht, aber schon 2030 könnte es soweit sein.

Hardy Kettlitz: Die Hugo-Awards 2001–2017 • Memorandum bei Golkonda • 360 Seiten • € 18,90 • auch als E-Book

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