Roboterohrfeigen
Warum die Zukunft des Humors vorläufig japanisch ist
Der deutsche Humor ist weltberühmt. Er ist feinsinnig und wohlerzogen, erquickend und elegant; er ist im trauten Heim („Das Bild hängt schief!“) ebenso zu Hause wie auf den Brettern, die die Welt bedeuten („Wie? Mein Fön kann sprechen?“); er ist pädagogisch wertvoll („Wer abschreibt, wird erschossen“) und transkulturell („Das ist leider nur eine Europakarte, die hört bei Istanbul auf“), voller Wortwitz („Palim, Palim“; Jochen Malmsheimer), manchmal melancholisch („Tschick“, „Das kleine Arschloch“), manchmal fabelhaft (Fix & Foxi, „Känguru“ I bis IV), manchmal punk (alles von Didi & Stulle beziehungsweise Fil).
Kein Vergleich also zum platten Schenkelklatschertum des steiflippigen Briten, das seine Pointen herausposaunt, als gäb’s kein Morgen, oder zum ohlala-obszönen Parfümscherzanten aus Paris oder zum vokalturbulenten, aber witzlosen Witz der Ungarn, den sowieso niemand versteht – und das nicht nur wegen der unüberwindbaren Sprachbarriere.
Nicht umsonst also ist der Humor neben Nobelkarossen, U-Booten und Magnetschwebebahnen einer der Hauptexportartikel deutscher Zunge. Man schätzt den deutschen Witz von Kapstadt bis Wladiwostok, von Canberra bis zum Loch Ness. Wie oft beginnen im Ausland die Gespräche mit „Was? Sie sind Deutscher?!“, gefolgt von vorauseilend brüllendem Gelächter! Der Deutsche ist (die Deutsche aber auch) unter den sonstigen Planetenoberflächenbewohnern das, was (um mich eines Filmzitats zu bedienen) bei unseren geschuppten Freunden, den Fischen, der Clownsfisch ist: der spaßbetonte Geselle eben, von dem ein jeder einen guten Witz erwartet, sofort, zurecht!
Ist das immer so gewesen?
Beinahe!
In den 1960er Jahren war hierzulande das sogenannte Witzheft in großer Mode. Die Witzhefte hießen Das bunte Witzheft, Die Witzkommode, Der Witz ‒ Spritziges und Munteres zum Lachen, Scharfe Witze oder Pfeffer ‒ Das Witz-Magazin mit Pfiff. Gelacht wurde über meist gezeichnete Witze, in denen gesetzte Herren Damen in mal mehr, mal weniger dekolletierten Gewändern auf die fesselluftballonrunden Brüste schauten oder unter die kurzen Röcke. Das galt als pikant.
Ich zitiere einen Witz aus Rauf und runter Nummer 1:
„Ein leichtes Mädchen hat sich entschlossen, ihren Beruf aufzugeben und ihren ständigen Beschützer zu heiraten. ‒ ‚Was bin ich froh, nicht mehr auf den Kitz zu gehen‘, sagt sie aufatmend nach der Trauung. ‒ ‚Denkste‘, sagt er. ‚Ich habe dich nur geheiratet, um dich von der Steuer absetzen zu können!‘“
Ein Brüller. In Österreich residierte damals Maxi Böhm, der Witzepräsident, ein stadt- und landbekannter Kabarettist, der über eine Sammlung von achtzigtausend Witzen verfügte. Sie residiert heute im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
Das Witzeerzählen ist auch heute noch eine Kunst. Kostprobe gefällig?
„Haben Sie kalte Rippchen, Herr Ober?“ ‒ „Nein, mein Herr, im Winter trage ich immer ein Wollhemd!“
Wie leicht könnte ein unerfahrener Witzeaufschreiber die Pointe dieses Witzes verderben, ja den Witz des Witzes ruinieren: ein unbedachter Hinweis auf die Jahreszeit („An einem klirrend kalten Wintertag sitzt ein Gast in einem verschneiten Biergarten und klappert mit den Zähnen, als der Ober kommt“), eine zu genaue Beschreibung der Bekleidung des Servicepersonals („Ein Ober, der an kalten Tagen sich mit Schafswollstrümpfen, einer langen Unterhose und einem Wollhemd wappnet“), und der Witz wäre hin.
Was uns zwanglos zu der Frage führt: Wie sieht eigentlich die Zukunft des Humors aus? Werden die Witze der Zukunft von Robotern geschrieben? Werden Karikaturprogramme Zerrbilder des menschlichen Alltags zeichnen? Werden Stand-up-Maschinen das aktuelle Tagesgeschehen amüsant kommentieren?
Witze über Roboter kennt man bereits heute zuhauf, zum Beispiel diesen hier:
Treffen sich zwei Roboter; sagt der eine zum anderen: „Hast du eine Schraube locker?“
Schmunzel. Krasser noch kommt dieser hier:
Vater kauft sich einen Roboter mit eingebautem Lügendetektor, der jedem, der lügt, eine Ohrfeige verpasst. Der Vater probiert den Roboter beim Abendessen aus und fragt seinen Sohn: „Na, wie war die Schule?“ Fritzchen: „So wie immer.“ Der Roboter ohrfeigt Fritzchen. Fritzchen sagt: „Also gut, ich war im Kino.“ Vater: „Was hast du dir angesehen?“ Fritzchen: „Eine Dokumentation über den Klimawandel.“ Klatsch ‒ die nächste Maulschelle. Fritzchen: „Also gut, es war ein pikanter Film mit Damen, die tief dekolletierte Wäsche trugen oder auch noch weniger.“ Vater: „Was? In deinem Alter wusste ich noch nicht einmal, was ein Dekolletee ist!“ Der Roboter watscht ihn. Mutter lacht: „Das ist halt dein Sohn!“ Der Roboter gibt der Mutter eine schallende Ohrfeige.
Nun haben endlich japanische Robotiker der Firma Hitachi einen Roboter gefertigt und so programmiert, dass er selbst Witze reißt. Er heißt EMIEW 2. Eine seiner Humoresken geht so:
„Wie viele Leute arbeiten bei Hitachi?“ ‒ „Wir haben zwei Schwäne.“
Der ist echt gut. Na ja, man muss noch keinen Narkosearzt holen, der einen aus dem Lachkrampf rettet und verhindert, dass man sich tot lacht. Aber gut ist der schon, wenigstens so mittelgut.
Um die Zukunft des Humors müssen wir uns jedenfalls keine Sorgen machen.
Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.
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