1. Juli 2019

Die Mondlandung ist (k)eine Lüge

Warum Neil Armstrong wohl doch der erste Mensch auf dem Mond war

Lesezeit: 3 min.

Als Schriftsteller wird man sich irgendwann unweigerlich der Tatsache bewusst, wie schnell Bücher in Vergessenheit geraten. Das betrifft gute Bücher ebenso wie schlechte. Jahr für Jahr erscheinen weltweit über eine Million Titel, und jeder, der aus der Masse herausragt, hat dies einer seltenen Kombination aus geschickter Werbung und viel Glück zu verdanken. Im Umkehrschluss bedeutet das leider auch, dass eine Menge Bücher, die viel mehr Beachtung verdient hätten, sang- und klanglos untergehen.

Dieses Schicksal ereilte auch eins meiner absoluten Lieblingsbücher: „Ascent“ von Jed Mercurio. Es erschien im Jahre 2007, und heute erinnert sich kein Mensch mehr daran. Das ist jammerschade, weil ich selten so eine packende Geschichte gelesen habe wie die des sowjetischen Jagdfliegers Jewgenij Jeremin. Gerade habe ich den Roman zum ungefähr fünfzigsten Mal verschlungen, und er wird immer besser. Mittlerweile ist er als E-Book erhältlich, es gibt also keine Entschuldigung mehr, ihn nicht zu lesen.

Wie dem auch sei – in dieser Kolumne soll es nicht um einen sowjetischen Jagdflieger gehen, sondern auch um Phantom-Astronauten. In „Ascent“ – Achtung, Spoiler! – nimmt Jewgenij nicht nur am Korea- und am Kalten Krieg teil, sondern auch an einer sowjetischen Mondmission – lange bevor die Amerikaner den Erdtrabanten betreten. In seinem Nachwort weist der Autor darauf hin, dass inzwischen zwar die Tagebücher mehrerer sowjetischer Raketenwissenschaftler veröffentlicht wurden, es aber keine konkreten Hinweise darauf gibt, dass so eine Mission tatsächlich stattgefunden hat.

Trotzdem ist die Idee faszinierend! Man muss sich das mal vorstellen: Was, wenn wir den Mond schon viel früher betreten haben als bisher gedacht? Was, wenn Neil Armstrong nicht der erste Mensch auf dem Mond war? Was, wenn auf der dunklen Seite des Mondes oder in einem einsamen, verlassenen Krater die Leiche eines sowjetischen Astronauten neben einer reglos im Vakuum hängenden russischen Flagge liegt?

Wie so oft im Leben ist die Wahrheit bitter. Die Phantom-Astronauten-Theorie ist nicht neu; bereits vor dem Erscheinen von „Ascent“ haben sich Dutzende Filme, Bücher und Hörspiele damit befasst. Und das aus einem einfachen Grund: Im Gegensatz zum amerikanischen Raumfahrtprogramm, über dessen Entwicklung die Öffentlichkeit in den Sechzigerjahren beinahe täglich informiert wurde, herrschte bei der sowjetischen Weltraumforschung höchste Geheimhaltungsstufe. Mercurio beschreibt in seinem Roman auf beeindruckende Weise, wie besessen die Sowjets von der Steuerung der öffentlichen Wahrnehmung waren. Alles wurde streng unter Verschluss gehalten, nichts durfte nach draußen dringen. Die Welt sollte nur von den Erfolgen, nicht aber von den Fehlschlägen erfahren. Gescheiterte Projekte wurden durch gezielte Falschinformationen verharmlost.

Aber nehmen wir einfach mal an, dass russische Kosmonauten tatsächlich schon vor 1969 auf dem Mond gelandet wären, dabei jedoch umgekommen wären und nicht mehr von ihren Erlebnissen hätten berichten können: Für den Kreml wäre das ein katastrophaler Misserfolg gewesen, von dem die Welt nie erfahren hätte – ein fruchtbarer Boden für Verschwörungstheorien also.

Die Wahrheit dürfte allerdings viel langweiliger sein. Zwar können wir nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Sowjets vor den Amerikanern auf dem Mond waren, doch es ist mehr als unwahrscheinlich. Sie besaßen weder das Knowhow noch die Ressourcen für eine bemannte Mondlandung. Selbst wenn sie das Unmögliche irgendwie möglich gemacht hätten – wieso haben wir bis heute nichts darüber erfahren? Wie hätte etwas so Brisantes so lange unter Verschluss halten werden können? Wer wollte allen Ernstes behaupten, dass seit den Sechzigerjahren niemand, der Bescheid wusste, ein Sterbenswörtchen darüber verloren hätte? Wie ist es zu erklären, dass es nicht einmal den kleinsten Beweis für diese Mondlandung gibt?

Eigentlich ist das schade. Ich will damit nicht sagen, dass ich mir wünsche, der erste Mensch auf dem Mond wäre ein russischer Kosmonaut gewesen, doch es hätte die USA in ein tiefe Krise gestürzt, und das Machtgefüge auf der Welt sähe heute wohl anders aus. Auch wenn es nicht so gekommen ist, die Theorie von den Phantom-Astronauten ist und bleibt eine hochinteressante Spekulation.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop) und „Enforcer“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Sein neuster Roman, „Verschollen“ (im Shop), erscheint im September bei Heyne. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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