19. März 2020 2 Likes

Biopunk-Krimi mit massig Xenosphäre

Tade Thompsons preisgekrönter SF-Roman „Rosewater“ auf Deutsch

Lesezeit: 3 min.

Tade Thompson wurde in London geboren, wuchs in Nigeria auf und lebt heute wieder in England, wo er Medizin und Sozialanthropologie studierte. In seinem Science-Fiction-Romandebüt „Rosewater“, der von Frank-Herbert- und Kim-Stanley Robinson-Übersetzer Jakob Schmidt ins Deutsche übertragen wurde, wirft uns Thompson in ein hochinteressantes Nigeria des Jahres 2066. Aliens sind auf der Erde gelandet – allerdings nicht so, wie die Menschheit sich das immer vorgestellt hat. Die massige, Wormwood genannte Lebensform aus dem All schlug in London auf, trieb die USA zur Abschottung und arbeitete sich unterirdisch bis Nigeria durch, wo das Alien nicht weit von Lagos eine riesige Kuppel formte, die Energie liefert, einmal im Jahr Menschen heilt, ja sogar Tote zurückbringt und obendrein verschiedene außerirdische Xenoformen in die Welt entlässt. Deshalb bildete sich um die Kuppel eine Zeltstadt, die schließlich zur echten Stadt Rosewater mutierte. Hinzu kommt, dass inzwischen ein paar wenige Männer und Frauen mit der Gabe geboren werden, die Xenosphäre anzuzapfen: Durch feine Sporen des Fremdwesens können sie in die Gedanken ihrer Mitmenschen eindringen …


Tade Thompson. Foto: David Thompson

Thompson macht die Xenosphäre sowie die durch sie zu erreichende Gedankenwelt in seinem Roman zu einer ungewöhnlichen, da biologischen virtuellen Realität. Während sich im Genre viel in Richtung Cyberspace und AR/VR bewegt, ist das eine willkommene Abwechslung, die sich dennoch modern und frisch anfühlt. Es schadet „Rosewater“ natürlich auch nicht, dass der Roman einen coolen Ich-Erzähler hat: Karoo ist seit seiner Jugend ein Meister darin, über die Xenosphäre Dinge oder Menschen zu finden – genauso wie die gut verborgene Wahrheit oder die Lügen im Geist anderer Leute. In Rückblenden, die Thompsons Haupthandlung gut ergänzen und für zusätzliche Spannung sorgen, ohne je den Drive des Krimi-Plots zu stören, erfahren wir mehr über Karoos Vergangenheit. Unter anderem, wie der frühere Dieb von einer Abteilung der nigerianischen Geheimpolizei rekrutiert wird, für die er als Verhörspezialist arbeitet, derweil er zur Tarnung einen Brotjob in einer Bank hat, wo er als Teil einer menschlichen Firewall gegen Gedankenangriffe agiert.

Es braucht nur eine Handvoll Seiten, um sich beim Lesen der stilistischen und inhaltlichen Güte von Tade Thompsons „Rosewater“ bewusst zu werden. Man versteht schnell, wieso z. B. Ann Leckie (im Shop) voll des Lobes für dieses Buch ist und Thompson den britischen Arthur C. Clarke Award erhielt für seinen außergewöhnlichen, packenden und faszinierenden Roman, der nicht einfach „nur“ in die Ecke von Nnedi Okorafor oder William Gibson (im Shop) gestellt werden darf – obwohl er da natürlich ziemlich gut aufgehoben ist, um ihn überhaupt erst einmal zu finden. Doch Thompsons futuristischer Noir-Krimi zwischen Biopunk und Afrofuturismus ist in erster Linie ein eigenständiges Highlight der gegenwärtigen internationalen Science-Fiction, an dem sich alle anderen ins Deutsche übertragenen Werke 2020 erst einmal messen lassen müssen.

Bleibt zu hoffen, dass wir auch die Bände zwei und drei der „Wormwood-Trilogie“ hierzulande sehen werden und nicht aus der Xenosphäre ausgesperrt werden.

Trade Thompson: Rosewater • Golkonda, München/Berlin 2020 • 440 Seiten • Hardcover: 20 Euro

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