14. Mai 2020 2 Likes

Comeback mit Glanz und Gloria

Richard Stanleys „Die Farbe aus dem All“ (Teil I)

Lesezeit: 4 min.

Regelmäßige Leser von diezukunft.de werden wohl gemerkt haben, dass wir in den letzten Jahren einem Film besonders entgegengefiebert haben. Die erste Ankündigung wurde bereits im September 2015 (!) veröffentlicht und sorgte vom Fleck weg für feuchte Achselhöhlen, denn Regie sollte kein geringerer als Richard Stanley führen.


Richard Stanley. Foto: Wikipedia

Der Südafrikaner machte sich in den 1990er-Jahren mit „Hardware“ (Originaltitel „M.A.R.K. 13“) und „Dust Devil“ einen Namen als Lieferant extravagant-experimenteller Genre-Stoffe, bevor ein Versuch H.G. Wells Roman „Die Insel des Dr. Moreau“ für die Leinwand umzusetzen 1996 seine Kino-Karriere auf spektakuläre Weise beendete (die ganze herrlich irre Geschichte wurde 2014 in der Dokumentation „Lost Soul: The Doomed Journey of Richard Stanley’s Island of Dr. Moreau“ unterhaltsam aufbereitet). Seitdem galt Stanley als gescheitertes Ausnahmetalent mit einem gewissen Kultstatus. Es folgten Dokumentarfilme über Aliens und Nazis sowie Kurzfilme, darüber hinaus wurde sein Name immer wieder mit Kinofilmen in Verbindung gebracht, von denen es aber keiner je über Planungsstatus hinausschaffte.

Dass Stanley ausgerechnet für die Verfilmung einer Geschichte von Howard Phillips Lovecraft engagiert wurde, kann man als ziemlich geschickten Marketing-Schachzug verbuchen, handelt es sich bei dem – neben Edgar Allan Poe – wohl einflussreichsten Autor der phantastischen Literatur doch ebenfalls um einen gescheiterten Künstler, dem die ganz große Aufmerksamkeit erst viel später, lange nach seinem Ableben, zuteil wurde. Stanley lebt zwar noch, aber man kann allein schon aufgrund der Beteiligung von Nicolas Cage vor der Kamera und Elijas Woods Firma SpectreVision, die sich mit einer ganzen Reihe sehenswerter Produktionen (unter anderem „A Girl Walks Home Alone At Night“, „The Boy“, „Mandy“) bei den Genrefans dieser Welt extrem beliebt machte, davon ausgehen, dass dem Regisseur und Drehbuchautor mittlerweile ein ganz neues Maß an Aufmerksamkeit zuteil wurde als damals.

War die Vorfreude gerechtfertigt? Ganz klar: Ja! „Die Farbe aus dem All“ ist mit größter Wahrscheinlichkeit nicht das geworden, was Lovecraft-Puristen sich erwartet hatten, und man kann davon ausgehen, dass der Schöpfer ebenso nicht ganz einverstanden gewesen wäre, dennoch liegt Stanleys Adaption dem Geiste der Vorlage näher, als es auf dem ersten Blick scheint.

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H.P. Lovecraft & Weird Tales

Der 1890 in Providence, Rhode Island, USA und 1937 dort auch gestorbene Schriftsteller, dem seine Werke noch nicht mal die Brötchen auf den Tisch brachten, veröffentlichte zeitlebens ausschließlich in minderwertigen Pulp-Magazinen wie „Weird Tales“. Er wäre wohl der Vergessenheit anheim gefallen, wenn nicht Freunde ab 1939 posthume Sammelbände mit seinen Geschichten veröffentlicht hätten, die langsam, aber sicher für einen nachträglichen Ruhm sorgten, der in der Hippie-Ära der 1960er-Jahre zu voller Reife gelangte. Lovecraft, der 70 Erzählungen schrieb, lediglich drei davon in Romanlänge, wurde zum Kult-Autor, dementsprechend erwachte natürlich bald das Interesse der Filmindustrie. Für die erste Verfilmung zeichnete sich der spätere B- bis C-Movie-Titan Roger Corman verantwortlich, der, was mittlerweile etwas untergegangen ist, in frühen Tagen ein fähiger und ambitionierter Regisseur war und mit „The Haunted Palace“ (der deutsche Titel lautet seltsamerweise „Die Folterkammer des Hexenjägers“, obwohl niemand Hexen jagt und schon gar nicht über den Komfort eines eigenen Folterkellers verfügt) den kurzen Roman „Der Fall Charles Dexter Ward“ adaptierte. Als Literaturverfilmung zwar misslungen, aber dennoch ein noch heute sehenswerter, sehr atmosphärischer, gut gespielter Start einer bis heute nicht abreißenden Welle an Versuchen den Meister des Übernatürlichen auf irgendeine Weise adäquat ins Lichtspielhaus zu hieven – der größte Teil der Versuche scheiterte und das aus einem ganz bestimmten Grund.


Amazing Stories Vol 2, No 6; 1927

Lovecraft war großer Filmfan, aber mochte gerade Horrorfilme nicht, und er hoffte bereits zu Lebzeiten, dass man seine Arbeiten nie verfilmen werde, denn die meisten Horrorfilme ließen ihn völlig kalt, er empfand sie als infantil und banal. Seine eigenwillige Stilistik wirkt dabei, als ob sich der Autor gegen eine Adaption absichern wollte. Er schrieb mit einer spezifischen, sehr unkonkreten Sprache regelrecht gegen das Bild an; einer Sprache, die voll ist von Adjektiven wie zum Beispiel „unbeschreibbar”, „abnormal”, „zyklopisch“, „abscheulich“, oder „unsagbar”. Gelegentlich weißt er zudem auf eine Geometrie und Formlehre hin, die für den Menschen unbegreiflich ist, für die ihm schlichtweg die Worte fehlen, weswegen Deskriptionen von vorneherein nur unzureichend sein können. Genauso werden massive Zweifel am Erzählten gestreut, in dem häufig unklar ist, inwiefern man dem Erzähler überhaupt vertrauen kann. Lovecraft hält seine Geschichten immer in eine Art Schwebe, einem völlig verschwommenen Zustand zwischen Realität und Fantasie, zwischen Wirklichkeit und Traum. Es sind vor allem diese – nicht ganz unumstrittenen –formalen Besonderheiten, die viel zu der für Lovecraft so typischen, sehr eigentümlichen Stimmung beitragen, die sein Werk prägt.


Die Auftaktseite der Erstveröffentlichung von „The Colour Out Of Space“, 1927

Die „Farbe aus dem All“ wurde März 1927 geschrieben und erstmals im September des gleichen Jahres im Magazin „Amazing Stories“ (Vol. 2, Nr. 6) veröffentlicht. Bei der Kurzgeschichte handelt es sich um den persönlichen Favoriten des Verfassers, der hier erstmals Horror und Science-Fiction (und das bevor das Genre 1929 offiziell ins Leben gerufen wurde) kombinierte und zudem 10 Jahre vor Orson Welles Hörspieladaption des Invasionsklassikers „Krieg der Welten“ das Eindringen einer außerirdischen Macht in unsere Welt schildert. Enthalten sind eine Reihe für den Schriftsteller typische Motive: die gefährdete Zivilisation, Protagonisten, die zusehends von einer übernatürlichen Macht kontrolliert werden, aber dennoch unfähig sind, ihrem drohenden Schicksal zu entfliehen und außerdem noch von ihrer Umgebung isoliert werden. Und natürlich bleibt die Bedrohung unkonkret. Man erfährt zum Schluss lediglich, dass es sich um „eine Farbe aus dem All handelt“, einen „furchterregenden Boten aus ungestalten Gefilden der Unendlichkeit jenseits aller Natur, wie wir sie kennen.“

(Fortsetzung hier …)

Abb. ganz oben aus: „Die Farbe aus dem All“; Koch Media GmbH

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