Vampire im Iran
Der bemerkenswerte Debütfilm „A Girl Walks Home Alone At Night“
Das Schöne am Kino ist ja, dass sich enorm viel einfach behaupten lässt: Eine Texteinblendung, ein Voice-Over-Kommentar und schon wird aus einer Region, einer Stadt, einer Landschaft eine fremde Welt, eine unbekannte Gegend, eine dystopische Zukunft.
Nach diesem Prinzip verfährt auch die iranisch-amerikanische Regisseurin Ana Lily Amirpour in ihrem Debütfilm „A Girl Walks Home Alone At Night“, der unverwechselbarerweise in einer typischen amerikanischen Kleinstadt gedreht wurde, aber in einer fiktiven iranischen Stadt Namens Bad City spielen soll. Dass der Name dieser Ortschaft an Sin City erinnert ist kein Zufall, sondern Programm. Denn Amirpour bedient sich für ihren Film wo es ihr beliebt, zitiert sich munter durch die Popkultur und lässt dabei etwas ganz Eigenes entstehen.
Die Figuren tragen zwar iranische Namen wie Saeed, Arash oder Hossein, doch eigentlich sind sie Märchengestalten, die direkt aus einem Film zu stammen scheinen: Besonders gilt dies für Arash, der wie ein moderner James Dean daherkommt, eine Schwäche für alte, amerikanische Straßenkreuzer hat, aber auch einen drogensüchtigen Vater, der ihn daran hindert, Bad City den Rücken zu kehren. Saeed wiederum ist ein flamboyanter Drogendealer, wie ihn das Kino schon oft beschrieben hat, und wird bald Opfer einer Figur, die zu den mythologischsten des Kinos zählt: einem Vampir. Oder besser gesagt: Einer Vampirfrau, die in diesem Fall im Tschador durch die Straßen gleitet, manchmal auch auf einem Skateboard und nach unmoralischen Gestalten Ausschau hält.
Eine Art Racheengel ist diese Figur und unweigerlich verliebt sich Arash in die namenlose Gestalt, was Amirpour Anlass für einige hochromantische Szenen gibt, in denen sie ihr Gespür für Atmosphäre, für den richtigen Song zu den richtigen Bildern ausleben kann. So gut entwickelt wie ihr visuelles ist ihr narratives Gespür allerdings (noch) nicht. So schön die Welt ist, die sie aus Andeutungen und Referenzen auch entwirft, oft laufen die Verweise ins Leere. Etwa die Bezüge zur iranischen Gegenwart, zu Drogenkonsum, Hedonismus, der Schere zwischen Arm und Reich. Mehr als Fassade ist es nicht, was hier erzählt wird, aber was für eine Fassade!
In kontrastreichen schwarz-weiß gefilmt (noch eine Ähnlichkeit zu „Sin City“) voller Atmosphäre und Szenen, die in ihrem Zusammenspiel zwischen Bildern und Musik an Musikvideos oder die Filme von Sofia Coppola erinnern, die zu den zahlreichen Inspirationsquellen Aminpours zählen dürfte. Ein ganz postmoderner Umgang mit der Popkultur, der in diesem Fall zu einem inhaltlich zwar etwas dünnen, atmosphärisch aber überaus eindrucksvollem Ergebnis führt: Die erste iranische Vampirfilm-Romanze und vor allem ein Debütfilm, der gespannt auf mehr macht.
„A Girl Walks Home Alone At Night“ startet am 23. April 2015.
A Girl Walks Home Alone At Night • USA 2014 • Regie: Ana Lily Amirpour • Darsteller: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh, Mozhan Marno, Dominic Rains, Rome Shadanloo
Kommentare