12. August 2020 1 Likes

Im Gespräch mit „Das Gottesspiel“-Autor Danny Tobey

Künstliche Intelligenz und Donald Trump im Spiegel

Lesezeit: 8 min.

In seinem Science-Fiction-Thriller „Das Gottesspiel“ erzählt der amerikanische Anwalt und Autor Danny Tobey (im Shop) von künstlicher Intelligenz, virtueller Realität und Freundschaft. Die Nerds aus dem Vindicators-Computerclub ihrer High School müssen es im Buch nicht nur mit Mobbing durch Klassenkameraden und Veränderungen in ihren jungen Leben aufnehmen, sondern auch einem fortschrittlichen AR-Game, das mit mehr und mehr Wucht und vor allem Gewalt in ihre handfeste Wirklichkeit dringt. Hier gibt es eine Leseprobe zum Roman, der als Paperback, E-Book und Hörbuch-Download bei Heyne vorliegt. Im Interview spricht Danny Tobey, der für seine Arbeit im Bereich Künstliche Intelligenz und Recht bereits von der Library of Congress ausgezeichnet wurde, über seinen SF-Roman, die Coolness von Nerds, Religion, künstliche Intelligenz, Donald Trump als Spiegel und den Frankenstein’schen Impuls der Menschheit.

 


Danny Tobey. Foto © Allison V. Smith

Hallo Danny. Zu welcher klassischen Schülergruppe gehörtest du in der High School?

Ich war in einer Gruppe, die den Vindicators sehr ähnlich gewesen ist und in der wir ein paar dieser klassischen Gruppen umspannten und nicht wirklich wussten, wo wir reinpassten. Wir liebten es, uns unten in unserer eigenen Version des Techniklabors zu treffen und „Bolo“ im Intranet zu spielen, eines der ersten Multiplayer-Games. Aber wir waren auch in Schulangelegenheiten involviert, manche im Sport, andere in der Schülermitverwaltung. Ich war mit einigen derselben Freunde auch in einer Band, und wir spielten in Clubs, für die wir als Gäste nicht alt genug gewesen wären.

Hast du damals selbst Erfahrung mit Bullys und Mobbern gemacht?

Ja, in der Tat, da gab es ein Jahr in der Mittelschule, wo ich ausgesucht und schikaniert wurde. Dann wechselte ich auf eine neue Schule und war plötzlich „cool“. Ich werde niemals die Willkür dieses Umschwungs vergessen, und wie verwirrend er war. Ich fühlte mich wie Schrödingers Katze – wie konnte dieselbe Person zur gleichen Zeit „cool“ und „nicht cool“ sein? Ich hatte mich nicht verändert – es war die Laune des Mobs. Das ist eines der Dinge, das ich in „Das Gottesspiel“ zeigen wollte, dass du mit diesen sehr abgeschotteten, stereotypen Wahrnehmungen von Menschen beginnst, und wenn das Spiel voranschreitet und du tiefer in die Leben der Menschen blicken kannst, ist niemand mehr, was er ursprünglich schien. Wie Bücher, sollten Menschen nicht in eine Gattung gezwungen werden.

Weil du es gerade angesprochen hast: Ab wann wurden Nerds eigentlich flächendeckend als cool wahrgenommen?

Also, meiner Meinung nach waren wir immer cool. Ich wuchs mit dem Schreiben von Sci-Fi-Geschichten auf, schlich mich in Filme von Carpenter und Cronenberg und spielte Lucasfilm-Adventure-Games auf dem Commodore 64. Meine besten Freunde waren die, die mich auf diese verrückten Trips begleiteten. Wann entschied der Rest der Welt, dass Nerds und Geeks cool waren? Definitiv nachdem ich die High School abgeschlossen hatte, unglücklicherweise, aber ich vermute, es hatte etwas mit dem Moment zu tun, als alle eines Tages aufwachten und realisierten, dass jeder Aspekt ihres Lebens digital war. Die Frage ist nun natürlich, was die neuen coolen Kids mit ihrer Macht tun werden?

Bei der Lektüre deines Romans fragte ich mich am Anfang immer, wie wichtig das Game „Pokemon GO“ und sein Mainstream-Erfolg für deine Geschichte waren …

Sehr wichtig, speziell im Sinn der Augmented Reality; die Geschichten von Menschen, die vor Autos liefen, während sie virtuelle Kreaturen auf ihren Telefonen jagten. VR ist großartig, doch AR ist in meinen Augen die nahe Zukunft, die Art und Weise, wie Virtuelles und Reales kombiniert werden und einander beeinflussen kann. An einer Stelle im Buch hat Kenny Angst, das Game in der Schule zu spielen, bis ihm klar wird, dass er nur wie jeder andere aussieht, der seine Augen auf dem Smartphone hat. Ein anderer Moment, den ich liebe, ist der, wenn Charlie versucht, Alex zu retten, und er erkennt, dass Alex nicht einmal mit ihm spricht, sondern mit jemand Virtuellem über seiner Schulter. Wie stellst du eine Verbindung mit jemandem her, wenn du nicht einmal dieselbe Realität besetzt?

Was war die bisher größte VR/AR-Erfahrung, die du selbst hattest, und was die am längsten nachhallende Begegnung mit künstlicher Intelligenz?

Die jüngste Generation VR ist die Erste, die ich als wahrlich eindringlich empfinde. Wir befinden uns weitgehend jenseits der Seekrankheits-Phase, was toll ist, und jetzt bin ich gespannt auf Content, der emotional und dramatisch lohnenswert, aber auch physisch packend ist. Es gibt VR-Experimente mit radikaler Empathie – du bekommst 15 Minuten in den Schuhen von jemand anderem, und dann wird getestet, wie implizit oder explizit sich Vorurteile verändert haben. Solche Dinge zeigen, wie profund die Technologie sein kann, während sie sich über Games hinaus bewegt. Es deutet auch das Gegenteil an – wie ungemein gefährlich das Belegen der Sinne sein kann, wenn man es in die falsche Richtung treibt. Denk an Zwei-Minuten-Hass in 3D.

Der denkwürdigste KI-Moment war für mich, als ich einfach mit Bots chattete. Du kannst dich mit ihnen im Kreis drehen, was sich anfühlt, als würdest du mit einer Jukebox reden, und hin und wieder kommt etwas Tiefgründiges auf, und die Frage lautet: War das ein Moment der Einsicht oder ein eine geworfene Münze, die auf dem Rand landete? Und gibt es da einen Unterschied?


„The God Game“, Originalausgabe

Dein Roman hat auch einen religiösen Subtext. Findest du es schwer, über Religion zu schreiben?

Es schien mir sehr natürlich, in der Geschichte Religion zu adressieren, da das Game ein Laboratorium für moralisches Handeln ist. Ich studierte Moralphilosophie am College, und es war weitgehend eine Geschichte voller Fehlschläge – misslungene Versuche, in formelhaften Begriffen die grundlegendste aller Fragen zu klären: wie sollten wir handeln? Ich bin ein Optimist und glaube, dass wir als menschliche Spezies einer besseren Welt entgegengehen, mit Empathie und Inklusion im Herzen, doch sie ist zum Verzweifeln fragil und es ist ein holpriger Ritt dahin. Religion hat dieses Bemühen vorangebracht und behindert, davon abhängig, in wessen (menschlichen) Händen es im jeweiligen Moment lag.

Religion spielte zu verschiedenen Zeiten in meinem Leben eine unterschiedliche Rolle, und jetzt bin ich darauf konzentriert, meine eigenen Kinder dafür auszustatten, moralische Entscheidungen zu treffen und den Wundern und der Ehrfurcht der Welt gegenüber offen zu sein, was Religion kultivieren kann, während ich sie hoffentlich von Impulsen fernhalte, die sie entzweien und isolieren können. Wenn du junge Kinder hast, stellen sie sehr grundlegende Fragen über die Existenz und erwarten eine einfache Antwort. Davor kannst du dich nicht verstecken. Und dir wird die Verantwortung dabei bewusst. Ich kann meine Ansichten indoktrinieren oder ihre eigene intellektuelle Reise unterstützen und ihnen vertrauen, dass sie ihren eigenen Weg finden. Das ist eine Menge Vertrauen.

Du wurdest für deine Arbeit als Anwalt im Bereich künstliche Intelligenz ausgezeichnet. Kannst du uns ein bisschen etwas über deine Tätigkeit abseits des Schreibens erzählen?

Ich helfe Firmen, künstliche Intelligenz sicher und konform zu designen und einzusetzen. Wie beim Schreiben von Fiction, stelle ich mir vor, was falsch laufen könnte, und helfe, das zu vermeiden. Manchmal sind das rechtliche oder behördliche Bedenken, die angesprochen werden müssen. Und manchmal gibt es ad hoc gar kein Gesetz, weil das Recht der Technologie hinterher ist, also müssen wir so gut es geht vorhersagen, wie das Gesetz einmal lauten wird, da wir nicht nur für das Heute, sondern auch für die Zukunft bauen. Ein exzellentes Beispiel waren die vertraglichen Einwände und die Haftung bei medizinischer KI. Ich sagte, blickt bis dahin, wenn die KI der Arzt mit speziellen Aufgaben sein wird und sorgt dafür vor, denn ihr wollt nicht eines Tages aufwachen und herausfinden, dass ihr die erste Person auf der falschen Seite einer neuen Linie seid.


Nicht das „Gottesspiel“, aber Bolo

Früh in deinem Roman schießt du heftig gegen Donald Trump. Was erwartest du von den kommenden Wahlen in den USA?

Ich wäre naiv, meine Erwartungen laut auszusprechen, da die letzten Jahre gezeigt haben, dass niemand mit Gewissheit sagen kann, was zu erwarten ist. Ich kann dir sagen, was ich hoffe. Nämlich, dass wir in Kürze einen neuen Präsidenten haben werden, und zwar nicht nur durch eine knappe Entscheidung, sondern eine denkwürdige, die als historische Zurechtweisung der Unmenschlichkeit und Unfähigkeit der vorherigen Administration fungiert. Ich bin von Natur aus eine politisch gemäßigte Person, aber diese Sache hier betrifft die fundamentalen Werte dessen, was wir als Gesellschaft sind. In gewisser Hinsicht ist der derzeitige Präsident ein Symptom und sollte für nichts außer Opportunismus individuelle Anerkennung erhalten – dies ist ein wachsender Schmerz, der seit Langem in unserer nationalen Kultur und Historie wächst, und ich bin ein Optimist und denke, dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte herauskommen werden, als ein besseres, stärkeres und vereinigteres Land.

Eines der großen Themen im Buch sind Spiegel und die Funktion, die sie beim moralischen Erwachen und moralischen Erkennen einnehmen. Du kannst erst weiter sehen, wenn du dich selbst siehst, was sicher schwierig zu bewerkstelligen ist. Der derzeitige Präsident ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, zeigt unsere schlechtesten Tendenzen im hellen Tageslicht. Manchmal schreiben mir Menschen, die den derzeitigen Präsidenten mögen, und sagen: „Mir gefiel dein Buch, aber wieso musstest du Politik einbringen, war das nötig?“ Doch es war nötig, und es war keine Politik, es war Geschichte. Künstliche Intelligenz, und weiter gefasst das Internet, sind keine Entitäten von und für sich selbst – sie sind Reflexionen, Spiegel von uns. Eine wütende aber letztlich hohle Verbindung von Knoten, leer im Inneren und lediglich den Ärger um sich herum verstärkend und reflektierend. Gibt es eine bessere Metapher als Donald Trump für die nichtdenkende, engstirnige Reflexivität von KI? Ihn in den Roman einzubeziehen verengt das Buch nicht zu einer politischen Geschichte – es erweitert den Roman in Zeit und Raum an einem historischen Wendepunkt. Werden wir diesem ständig wachsenden Netz nachgeben, oder werden wir unsere Menschlichkeit wiedererlangen, bevor es zu spät ist?

Was sind deine Hoffnungen und Ängste für die Zukunft, wenn es um künstliche Intelligenz geht?

Ich hoffe, dass KI als mächtiges Werkzeug genutzt wird, um Probleme zu lösen, die Berechnungen jenseits unserer Möglichkeiten benötigen. Und dass sie in solchen Fällen zielorientiert, wohlverstanden und begrenzt eingesetzt wird. Ein Taschenrechner will nicht die Welt übernehmen. Meine Befürchtung ist, dass wir dem ewigen Frankenstein’schen Impuls nachgeben und Bewusstsein erschaffen, bevor wir das moralische Rüstzeug haben, um damit umzugehen. Eines Tages werden wir etwas bauen, von dem es falsch wäre, es abzuschalten. Ich hoffe, dass wir bereit sind, wenn dieser Tag kommt.

Danny Tobey: Das Gottesspiel • Heyne, München 2020 • 558 Seiten • E-Book: € 13,99 (im Shop)

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