22. September 2021 2 Likes 1

Der Comic „Y: The Last Man“ als Fernsehserie

Die ersten drei Episoden stehen mit dt. Synchro auf Disney+ online

Lesezeit: 4 min.

Vertigo, ein Imprint von Batmans und Wonder Womans Heimatverlag DC, war in den 1990ern und 2000ern ein Garant für grandiose, teils revolutionäre Genre-Comics. Die Panel-Werke bei Vertigo, von Redakteurin Karen Berger und nicht wenigen britischen Kreativen geprägt, richteten sich an ein breites Publikum, das mehr als Mainstream-Superhelden wollte oder sonst nichts mit Comics anzufangen wusste. Obwohl manche Vertigo-Prunkstücke im normalen DC-Aufgebot starteten und das Label inzwischen Geschichte ist (und auch nicht mehr auf die Sammelband-Neuausgaben gedruckt wird), werden heute Titel wie „Sandman“ von Neil Gaiman, „Hellblazer“, „Swamp Thing“, „Doom Patrol“, „Preacher“, „Fables“, „100 Bullets“, „Lucifer“, „The Unwritten“, „DMZ“ und „Scalped“ zum Erbe von Vertigo gerechnet. Und natürlich postapokalyptische Stoffe wie „Sweet Tooth“ und „Y: The Last Man“. Letzteres, eine Serie von Autor Brian K. Vaughan („Saga“, „Paper Girls“, „Lost“, „Under the Dome“) und Hauptzeichnerin Pia Guerra („Constantine“, „Black Canary“), brachte es zwischen 2002 und 2008 auf 60 US-Hefte. Nach langem Anlauf hat der US-Fernsehsender FX jetzt endlich eine Serienadaption ins Rollen gebracht. Seit 22. September sind die ersten drei Episoden im Star-Bereich von Disney+ auch auf Deutsch verfügbar.

„Y: The Last Man“ erzählt die Geschichte einer Welt, in der alle Säugetiere mit einem Y-Chromosom von einer mysteriösen Seuche dahingerafft werden. Der junge Möchtegernentfesselungskünstler Yorick und sein Kapuzineräffchen Ampersand scheinen die einzigen biologischen Männchen zu sein, die auf Erden überlebt haben. Während Yoricks Mutter Jennifer, eine Abgeordnete der US-Regierung, nach dem Tod des amerikanischen Präsidenten versucht, in Washington irgendeine Art von Ordnung im endzeitlichen bzw. postapokalyptischen Tumult aufrechtzuerhalten, macht sich Yorick auf die Suche nach seiner Freundin Beth, der er am Abend vor dem Desaster einen Heiratsantrag gemacht hat, der im Streit endete. Doch auch die Geheimagenten 355, Yoricks Schwester Hero und deren trans-Freund Sam werden in die Wirren der entmannten Welt geworfen …

Bereits 2007 plante New Line Cinema, „Y: The Last Man“, einen der gefeiertsten Comic-Stoffe der 2000er, zu verfilmen. Namen wie Dan Trachtenberg, David S. Goyer, Shia LaBeouf und Zach Levi wurden ins Spiel gebracht, doch 2013 gab es immer noch keine Filmproduktion. Ende 2015 wurde schließlich verkündet, dass der US-Sender FX eine Adaption als Fernsehserie plane, was mittlerweile auch viel besserer zu unserer Zeit passte. Es lief trotzdem wieder nicht ohne Probleme, und zwischendurch schien abermals Skepsis angebracht; aber nun hat Showrunnerin Eliza Clark („Animal Kingdom“, „The Killing“, „Extant“) ihre TV-Vision für „Y: The Last Man“ realisiert, die in den USA auf Hulu und im deutschsprachigen Raum auf Disney+ steht. Dafür holte Clark sich sogar die preisgekrönte Science-Fiction-Schreibende Charlie Jane Anders („Alle Vögel unter dem Himmel“) in ihren Writer’s Room, um der Vorlage ein möglichst sensibles Update für die 2020er zu verpassen und das größere, komplexere Bewusstsein für Gender zu verarbeiten, da der Comic trotz aller Progressivität und provokanten Gedankenspiele einfach noch aus einer anderen Ära stammt.

Als Darsteller in Clarks TV-Serien-Ensemble glänzen unter anderem Ben Schnetzer („Die Bücherdiebin“), Ashley Romans („NOS4A2“), Diane Lane („Untreu“), Olivia Thirlby („Dredd“) und Elliot Fletcher („Shameless“). Ihre gute schauspielerische Leistung kann allerdings ebenso wenig wie die solide Inszenierung verhindern, dass „Y: The Last Man“ nur schwer ins Rollen kommt. Wo der Comic ruckzuck sein Tempo, seinen Spannungsbogen und seine Konflikte gefunden hat, braucht die Fernsehadaption ein, zwei Folgen und Stunden zur Einführung, und ist dann immer noch nicht so knackig und packend wie die ursprüngliche Panel-Version. Clark und Co. machen viel richtig, doch dadurch, dass sie sich auf das große Ganze des Untergangsszenarios konzentrieren, die Perspektiven schnell durchwechseln und Yorick nicht klar in den Mittelpunkt rücken wollen, stellt sich nicht der Effekt des Comics ein, dass man schnell in die Entwicklungen und Eskalationen gezogen wird. So hat man das Gefühl, vieles trotz der Prämisse schon mal gesehen und abgehandelt zu haben.

Die Adaption von „Y: The Last Man“ ist dem Comic-Material in Sachen Drive und Action also unterlegen, verarbeitet dafür aber das ganze postapokalyptische Panorama sowie den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen 20 Jahre seit Start und Erscheinen der zugrundeliegenden Bildergeschichte. Eine so großartige Interpretation wie etwa die parallele Postapokalypse in „Sweet Tooth“ nach den Comics von Jeff Lemire auf Netflix ist „Y: The Last Man“ jedoch nicht, dafür ist es zu viel Standard am Ende der Welt, ob mit oder ohne Männer.

Zum Abschluss noch ein bisschen Geflüster aus der Panini-Redaktion: Die Neuausgabe der Deluxe-Sammelbande des Comics von Vaughan, Guerra und Co. startet zum Jahreswechsel.

Bilder: FX © 2021

Y: The Last Man – Staffel 1 • Creator: Brian K. Vaughan, Pia Guerra, Eliza Clark • Darsteller: Ben Schnetzer, Ashley Romans, Diane Lane, Olivia Thirlby, Elliot Fletcher u. a. • 10 Episoden • Laufzeit: ca. 45–55 Min. pro Folge

Kommentare

Bild des Benutzers andreas10

Hoffentlich ist das nicht wieder so ne Story, wo Männern die Schuld an allen Problemen dieser Welt zugeschoben wird.

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