8. Oktober 2014 1 Likes 1

Mit Poesie in die Twilight Zone

Neil Gaimans neuer Roman „Der Ozean am Ende der Straße“

Lesezeit: 3 min.

Dass Superstar Neil Gaiman derzeit nicht an Unterbeschäftigung leidet und quer durch alle Medien eine Vielzahl vielversprechender Projekte in der Pipeline hat, haben wir vor Kurzem hier erörtert.

Dieser Tage ist nun aber erst mal Gaimans neuester Roman für Erwachsene, „The Ocean at the End of the Lane“, den der in den USA lebende Brite letzten Sommer im Original veröffentlicht hat, unter dem Titel „Der Ozean am Ende der Straße“ als Hardcover und als von Hannes Jaenicke eingelesenes Hörbuch endlich auf Deutsch erschienen.

Gaimans Ich-Erzähler kehrt im Buch wegen einer Beerdigung in seinen Heimatort zurück und erinnert sich erstmals seit vielen Jahren wieder an den kleinen Ententeich auf einer Farm in der Nachbarschaft, der schon mal ein gewaltiger Ozean sein konnte – und an die unglaublichen Geschehnisse in seiner Kindheit, als der damals noch ziemlich junge Heimkehrer mit einem Mädchen der Farm und der Familie, hinter denen sich mehr verbarg als auf den ersten Blick ersichtlich, gegen einen ausgesprochen finsteren und grausigen Schrecken aus einer anderen Dimension kämpfen musste …

Neil Gaimans modernes Märchen wirkt schon ein bisschen wie aus der Twilight Zone, wäre es dort etwas poetischer zugegangen. Dass der superb geschriebene Roman am Schluss vielleicht nicht mehr ganz so brillant ist wie zu Beginn, kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, wie großartig „Der Ozean am Ende der Straße“ unterm Strich ist. Denn der mit allen wichtigen Genre-Preisen vom Hugo bis zum World Fantasy Award ausgezeichnete „Sandman“-Schöpfer zeigt mit seinem neuesten Prosa-Geniestreich wieder einmal, wieso er zu den besten Geschichtenerzählern unserer Zeit gehört.

Sein Werk voller Schattierungen und Zwischentöne ist vieles: Hinreißend und magisch und lyrisch und schaurig und dicht und märchenhaft und gruselig und packend. Ein Kleinod der Gegenwarts-Fantastik und ein Muss für alle Fans von Tim Burton – für alle Fans von Neil Gaiman sowieso. Nicht zuletzt ist „Der Ozean am Ende der Straße“ jedoch auch ein Buch, das man gleich im Dutzend kaufen könnte, da man es nach der Lektüre möglichst vielen Menschen zugänglich machen möchte. Außerdem ist die keine 240 Seiten starke Story außergewöhnlich genug, um sie auch ein zweites Mal – und diesmal auf Deutsch – zu lesen, falls man im vergangenen Sommer bereits die englische bzw. amerikanische Ausgabe verschlungen hat.

Apropos. Die einmal mehr äußerst sorgsame Übertragung von Hannes Riffel fängt Mr. Gaimans wunderschönen Schreibstil auch im Deutschen gut ein. Wer sich nicht ans Original ran traut oder prinzipiell keine englischen Bücher liest, muss also keine Angst haben, dass ihm die viel und zurecht besungene Schönheit von Gaimans Sprache verwehrt bleibt – der Duktus ist auch auf Deutsch unverkennbar, und mehr noch, unverkennbar Neil Gaiman. Darüber hinaus enthält das eher handliche Eichborn-Hardcover mit Schutzumschlag und hübschem Titelbild noch ein paar stimmige Illustrationen von Jürgen Speh, in hiesigen Comic-Kreisen auch bekannt als Geier („Horst“).

Eine würdige Verpackung für diesen grandiosen Roman, mit dem Gaiman ein Ausrufezeichen hinter sein Standing als zeitgenössischer Fantastik-Virtuose und Lieblingsautor setzt.

Neil Gaiman: Der Ozean am Ende der Straße • Eichborn, Köln 2014 • 240 Seiten • € 18,00

Kommentare

Bild des Benutzers Judith

Ein wirklich traumhaft schönes Buch. Neil Gaiman at his best!

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