„The Midnight Sky“ – Gediegene Langeweile
George Clooney erzählt von ... ja was eigentlich?
Für einen Hollywoodstar vom Kaliber eines George Clooney geht es in der heutigen Zeit nie darum, einfach nur einen guten, womöglich bloß unterhaltsamen Film abzuliefern. Wer sich auch privat immer wieder zu politischen, gesellschaftlichen Fragen äußert, will auch in seiner Arbeit vom großen Ganzen erzählen, will bedeutende, wichtige, kurz gesagt, Oscar taugliche Filme abliefern. Der perfekte Partner für solche Filme scheint momentan der Streaming-Dienst Netflix zu sein, angesichts eines Films wie „The Midnight Sky“ könnte man aber auch denken, dass Netflix genau der schlechteste Partner für einen übermäßig ambitionierten Star, Schauspieler und Regisseur wie George Clooney ist.
Die Ausgangslage bei „The Midnight Sky“ war nicht schlecht. Vorlage ist der Roman „Good Morning, Midnight“ von Lily Brooks-Dalton, der von einem einsamen alten Mann erzählt, der über sein Leben und den Sinn der Existenz sinniert. Dieser Mann heißt Augustine Lofthouse und wird in der Adaption von Clooney betont unglamourös gespielt: Mit Rauschebart und Baumwollhemd trabt Clooney durch eine verlassene Station in der Arktis, wo er als einziger Mensch zurückgeblieben ist. Eine nicht näher bezeichnete Katastrophe hat die Erde im Jahre 2049 praktisch unbewohnbar gemacht, die Menschheit sucht längst nach Möglichkeiten, fremde Planeten zu kolonisieren. Etwa den Jupiter Mond K-23, von dem gerade ein Raumschiff zurückkehrt. Dessen Weg folgt man in einer Parallelhandlung, die lange Zeit so losgelöst vom Schicksal Augustines abläuft, das man das Gefühl hat, zwischen zwei Filmen hin und her zu switchen.
Das Raumschiff ist bemannt mit einer ganz zeitgemäß diversen Crew, Weiße, Schwarze, Latinos bilden eine Gemeinschaft, die zwischendurch hübsch gefilmte, aber für die Handlung vollkommen überflüssige Weltraumabenteuer erlebt, wie etwa eine durch Meteoriteneinschlag notwendig gewordene Außenreparatur.
Damit Clooneys Augustine in der Arktis nicht zu inaktiv bleibt, muss auch er sich auf einen Ausflug begeben, von einer Station zur nächsten, denn sein Ziel ist es, das Raumschiff vor einer Rückkehr zur Erde zu warnen. Das erfährt man vor allem aus der Netflix-Logline, im Film selbst wird diese Verbindung erst nach gut zwei Dritteln deutlich, denn Clooney verwechselt möglichst enigmatisches mit ambitioniertem Erzählen. Andererseits stellt er seinem Augustine bald ein kleines Mädchen (Caoilinn Springall) zur Seite, das plötzlich auf der verlassenen Station auftaucht, stumm und mysteriös ist, allerdings so überdeutlich als Figment seiner Imagination zu erkennen, dass man sich fragt, ob Clooney all die Filme der letzten Jahrzehnte, in denen ähnliche Figuren auftauchten, nicht gesehen hat.
Sehr zäh laufen die diversen Erzählstränge aufeinander zu, gravitätisch soll es zugehen und wird dadurch erst recht zum Holzhammer. Wie so oft bei Netflix-Filmen, bei denen ein bekannter Star und/ oder Regisseur komplette Freiheit bekam, scheinen die Netflix-Bosse sich nicht die Mühe gemacht zu haben, das zu verfilmende Drehbuch erst einmal zu lesen und dann zu entscheiden, ob es sich lohnt. Aber warum auch. Allein die Kombination Clooney/Science-Fiction/Prestigefilm werden dazu führen, dass Millionen Netflixnutzer auf „The Midnight Sky“ klicken und ihn zumindest ein paar Minuten laufen lassen. Den Netflix-Algorithmen wird das reichen, Clooney darf sich als Regisseur eines Erfolgsfilms fühlen, vielleicht fallen auch ein paar Oscar-Nominierungen ab, aber wenn dieses Geschäftsmodell die Zukunft des Films sein soll, dann gute Nacht.
The Midnight Sky • USA 2020 • Darsteller: George Clooney, Caoilinn Springall, Felicity Jones, Kyle Chandler, David Oyelowo, Tiffany Boone, Demián Bichir • Regie: George Clooney
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