26. August 2021 3 Likes

George A. Romero & Daniel Kraus: „The Living Dead – Sie kehren zurück“

Würdiger Abschluss vom Romeros Zombie-Reihe

Lesezeit: 3 min.

Was soll man über George A. Romero noch sagen, was nicht schon längst 25 Trilliarden Mal geschrieben wurde? Der 2017 gestorbene Regisseur und Drehbuchautor schuf mit „Night of the Living Dead“ (1968) nicht nur einen einflussreichen Klassiker, sondern praktisch ein ganzes Genre, zu dem er selbst weitere Großtaten wie „Dawn of the Dead“ (1978) oder „Day of the Dead“ (1985) beisteuerte. Hunderte Nachfolger wurden von ihm beeinflusst und auch das Pantoffelkino wäre in den letzten Jahren um die ein oder andere Attraktion ärmer gewesen, wenn der gebürtige New Yorker nicht die entsprechende Vorarbeit geleistet hätte: „The Walking Dead“ ohne Romero? Unmöglich!

Leider verschwand Romero mit der Zeit ein wenig hinter dem von ihm geschaffenen Mythos. Filme außerhalb seiner „of the Dead“-Reihe wie zum Beispiel „Martin“ (1979), eine Art Update des Vampirmythos, bekommen bis heute weitaus weniger Beachtung, dabei war Romero in erster Linie ein echter Vollblut-Künstler, der so kompromisslos wie nur irgend möglich seine Visionen verwirklichen wollte, was die eindrucksvolle Liste an nicht zustande gekommenen Filmprojekten in Daniel Kraus’ Nachwort zu The Living Dead“ (im Shop) belegt. Der 1,94m große Mann war zu keinem Zeitpunkt der „Zombiefilmer“ auf den er so häufig reduziert wurde (er selbst schaute übrigens so gut wie nie Horrorfilme). Die zum Teil sehr heftig diskutierten, zuletzt mit kleinen Budgets unabhängig produzierten Fortsetzungen seiner Zombie-Reihe, die Romero in den letzten Jahren seiner Karriere drehte, sind dementsprechend nicht als reine kommerzielle Ausschlachtungen seines großen Erfolgs in diesem Genre zu betrachten, sondern als Versuche dem Publikum einerseits zu geben, was es will, anderseits aber seine Ideen – nach unzähligen gescheiterten Versuchen in anderen Bereichen – doch noch irgendwie soweit wie möglich zu verwirklichen ohne größere Kompromisse eingehen zu müssen

Jedenfalls waren die Jahrzehnte in Hollywood künstlerisch für Romero mehr als unbefriedigend, weswegen der Gedanke nahe lag, sich als Schriftsteller zu versuchen, schließlich kann man da alles rauslassen ohne Budgets oder Produzentenwünsche oder anderes beachten zu müssen, doch das 2010 entstandene Manuskript „The Dead of the Dead“ kam über nie über ein Anfangsstadium von rund 100 Seiten raus. Dieses Material, eine wiederentdeckte Kurzgeschichte mit dem Namen „Outpost #5“ und ein mehrseitiger Brief, der eine Zusammenfassung der kompletten Handlung von „The Dead of the Dead“ enthielt, nutzte Daniel Kraus (Co-Autor der Romanfassung von Guillermo del Toros brillianten Film „The Shape of Water“) um das Projekt wieder zum Leben zu erwecken (haha) und schlussendlich doch noch zu einem absolut würdigen Ende zu führen.


George A. Romero

Die Zombie-Apokalypse wird hier auf Anfang gesetzt. Erzählt wird anhand einer ganzen Reihen von sehr prägnanten Charakteren wie der einsamen, autistischen Statistikerin Etta Hoffmann, der toughen Pathologin Charlene Rutkowski oder des simpel gestrickten TV- Schönlings Chuck Corso, wie die Welt allmählich von Untoten überrannt wird, die Zivilisation mehr und mehr zusammenbricht. Romero-Fans fühlen sich schnell heimisch, es gibt neben allerlei Spannungsmomenten und zum Teil sehr wüsten Splatter auch die gewohnte Gesellschaftskritik, die um zeitgemäße Themen wie Social Media oder Sexismus geupdatet wurde, allerdings nutzt der hervorragend geschriebene, 885-seitige und in drei Akten eingeteilte Roman seine Möglichkeiten ebenso für tief gehende Charakterzeichnungen und eine weitaus größere Zeitspanne – während die Filme die ersten fünf Jahre nach dem Ausbruch abdecken, schildert der Roman 15 Jahre. Das besonders Schöne aber: Das Buch rührt nicht nur bekannte Zutaten gekonnt an, der letzte Akt verlässt gewohntes Territorium und mündet in ein Finale, dass man so von Romero sicherlich nicht unbedingt erwartet hätte – wobei Kraus keinen Stilbruch begeht, das Erstaunliche ist, dass sich das Epos trotz seines Mitwirkens tatsächlich zu 100% nach Romero anfühlt.

Mit postmortalen Veröffentlichen ist es ja immer so eine Sache, aber hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet: Der Meister wäre stolz gewesen, hätte sich zufrieden zurückgelehnt und eine seiner heiß geliebten Marlboros angesteckt!

George A. Romero, Daniel Kraus: The Living Dead - Sie kehren zurück • Roman • Aus dem Amerikanischen von Julian Haefs • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 912 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: € 13,99 • im Shop

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