2. November 2015 2 Likes 2

Kein Erziehungsberechtigter, nirgends

Rettet der Disney-Konzern das Familienbild von Star Wars?

Lesezeit: 4 min.

Bald kommt der nächste Teil der Star Wars-Saga ins Kino. Ich gehe rein, aber nur unter innerem Protest. Ich finde, Star Wars ist bislang familienfeindlich gewesen, ja, möglicherweise hat es ein familienfeindliches Weltbild propagiert.

Anakin Skywalker hat keinen Vater. Damit fängt es an. Natürlich verzärtelt ihn die Mutter, wo sie kann. Ein männliches Leitbild fehlt. Watto ist zwar ein fleißiger Geselle und hochbegabter Schrotthändler, aber ein echter Vater-Ersatz ist der findige Toydarianer nicht. Später wird Anakin Skywalkers Mutter Shmi von den sonst so moraltriefenden Jedi-Rittern in der Sklaverei zurückgelassen – warum auch nicht, ist ja nur eine Mutter, oder was? Anakin hätte jedenfalls nie – aber so was von nie – die Seiten gewechselt, hätten die Jedis damals ein paar Groschen zusammengelegt und Shmi frei gekauft und ihr ein Einfamilienhäuschen auf Coruscant oder eine hübsche Feuchtfarm bei Mos Espa oder Mos Cartwright oder wo auch immer finanziert. Da hätte der böse Imperator in spe aber ganz schön dumm aus seiner wahrscheinlich von einer gedungenen Wäscherin gewaschenen Wäsche geschaut.

Aber wir waren beim Schrottplatz des werten Herrn Watto. Ich frage: Ist ein Schrottplatz der richtige Platz, einem Kind Werte zu vermitteln und es in Verantwortung groß zu ziehen? (Ja, ich weiß: Justus Jonas. Aber zu dem kommen wir später.) Kommt Anakin also in die Lehre: „Lichtschwertfuchteln I und II“, „Birnen schweben lassen für Anfänger und Fortgeschrittene“, anschließend „Böse gucken“); seine Lehrer: lauter alte Männer; aber ein Vater? Weit und breit Fehlanzeige. Allenfalls wird der Kenner vermuten, dass der Papa von Yoda seinem Sprössling beizeiten die Ohrwatscheln langgezogen hat. Wird schon gewusst haben, warum.

Ferner: Nicht einmal zur Amtseinführung von Palpatine ins Amt des Imperators sind offenbar dessen Eltern geladen – was für eine herzlose Zeremonie! Alles klatscht, vorne weg und wie von allen guten Geistern verlassen Jar Jar Binks, über dessen traurige Familienverhältnisse das Tuch des Schweigens gebreitet sei. Kein Wunder, dass auch die Kinder von Anakin ohne die leiblichen Eltern aufwachsen müssen. Und über das Verhältnis zwischen Han Solo und Chewbacca ist die Messe noch nicht gelesen; mein Tipp: Nach Vater und Sohn sehen sie mir nicht aus.

Schließlich: Wer kämpft und rackert sich allüberall ab? Die Klonarmee! Und wie sieht es da familiär aus? Vater Kopfgeldjäger, Mutter unbekannt. Ja, was soll denn aus den Jungens werden? Mich wundert jedenfalls gar nichts mehr.   

Kurz flackerte ja die Hoffnung auf, dass jetzt alles besser wird. Hatte nicht Walt Disney das Imperium gekauft, komplett mit Klonarmee und bis zum outersten Rim der Galaxis? Und gilt Disney nicht als der galaxisweit familienfreundlichste Familienunterhaltungskonzern? Disney ‒ wer war der Mann? In der Wikipedia las ich: Patriot und Akkordeonspieler. Was aber ein Verleser war: Disney war nicht Akkordeonspieler, sondern Antikommunist! Außerdem hatte er ein paar Eltern (den kanadischen Bauunternehmer Elias Disney väterlicherseits, die Deutschamerikanerin Flora Call als Mutter). Mit einer Schwester und drei Brüdern wuchs er auf einer Farm in Missouri auf. Alle mussten mit anpacken.

Wird die „Galaxy far away“ also nun endlich, endlich familienfreundlicher?

Mit schwant nichts Gutes. Disneys Werk wimmelt von mutter- und vaterlosen Gesellen: Onkel Dagobert, Donald und seine Neffen Tick, Trick, Track – reine Vetternwirtschaft! Und Mowgli, der Dschungelheld? Ist ein Findelkind – was sonst! Gut, wird man sagen, auch Tarzan, Superman, Batman, Spiderman, Schneewittchen, Harry Potter, Justus Jonas und James Bond haben ihre Eltern früh verloren (oder zumindest ihre Mutter), und es ist dennoch etwas Ordentliches aus ihnen geworden.

Aber ist das wirklich so? Oder wollen uns diese Sagen suggerieren, dass man ohne Eltern einen viel besseren Start ins Leben hat? Dass man, aufgewachsen ohne Mutterbrust und Mann im Haus, erfolgreicher sein wird?

Immerhin entnehme ich dem aktuellen Star Wars-Trailer, dass die Skywalker-Familie Nachwuchs erhalten hat. Ob Lucky Luke Skywalker oder Leia Organa Solo, geb. Leia Amidala Skywalker, Vater oder Mutter geworden ist, weiß ich noch nicht. Vielleicht besteht also noch Hoffnung – und mit dem siebten Teil findet Star Wars zurück zu etwas mehr Familienfreundlichkeit.

PS: Mit Justus Jonas meinen wir in diesem Fall nicht jenen Justus Jonas, der, 1493 geboren, als Theologe und Kirchenlieddichter zusammen mit Johannes Bugenhagen und Kaspar Cruciger im Rahmen der Wittenberger Bewegung das reformatorische Werk Martin Luthers fortgesetzt und, nicht immer zur wahren Freude des Meisters, weiterentwickelt hat. Sondern den ersten der drei Fragezeichen aus Rocky Beach.
 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

 

Im Dezember kommt Star Wars – Das Erwachen der Macht in die Kinos. Die atemberaubende Entstehungsgeschichte des Phänomens Star Wars erzählt Chris Taylor in seinem ultimativen Guide „Wie Star Wars das Universum eroberte“ (im Shop).

 

Kommentare

Bild des Benutzers Horusauge

Vielleicht sollte man mit diesen Ansätzen ein Buch zur Familienaufstellung in der SF schreiben ;)

Bild des Benutzers Sebastian Pirling

Eine wunderbare Idee. Und was liegen da nicht für sozialpsychologische Perlen herum: Ender Wiggin, Paul Atreides, ... Der Gott des Gemetzels leckt sich schon die Lippen.

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