19. Februar 2018 1

Keine Zukunft ohne Vergangenheit

2018 ist das Jahr der Jahrestage – aber welche sind wirklich wichtig?

Lesezeit: 4 min.

Um die Zukunft zu erden, errichtet man sie klugerweise auf den Säulen der Vergangenheit. Auch das Jahr 2018 wird wieder etlicher Jubiläen zu gedenken haben, Wendepunkte der Zeitgeschichte, die aus tiefer und tiefster Vergangenheit in unsere Gegenwart ragen, Monumente menschlicher Großtaten. Hier eine Auswahl der schönsten Jubelanlässe in diesem Jahr:

Vor 100 Jahren

27. Januar 1918: Der Film Tarzan bei den Affen schwingt sich in die Lichtspielhäuser. Elmo Lincoln gibt den sympathischen Naturburschen. Elmo Lincoln heißt eigentlich Otto Elmo Linkenhelt und ist eigentlich Schutzmann von Beruf. Er brilliert später in Filmen wie Aladin und die Wunderlampe, Die Schatzinsel und Der Glöckner von Notre Dame, wenn auch nur in Nebenrollen. Wird 2018 ein Linkenhelt-Festspiel sehen? Was läge näher?

Vor 200 Jahren

1. Januar 1818: Der Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ erscheint, zunächst anonym. Die Geschichte des sympathischen Naturkundlers Victor Frankenstein, der an der Universität Ingolstadt forscht und wirkt, rührt trefflich die Werbetrommel für das berühmte Institut, immerhin Bayerns erste Universität. 1800 wurde das famose Haus freilich nach Landshut, später sogar nach München verlegt, wo es jetzt unter dem Namen Ludwig-Maximilian-Universität ein Dasein fristet und nie mehr so etwas wie einen künstlichen Menschen hervorgebracht hat. Schade.

12. Mai 1818: Die Württembergische Landessparkasse wird gegründet. Auch schön.

Vor 300 Jahren

15. Mai 1718: Der Londoner Anwalt James Puckle erhält ein Patent auf das von ihm ersonnene Maschinengewehr, die sogenannte „Puckle Gun“. Interessenten finden sich zunächst kaum (Patent Nummer 418).

Vor 50 Jahren

6. Juli 1968. Im Kurt-Wabbel-Stadion (Halle an der Saale) wird Bernd Bransch der Silberne Fußballschuh des Jahres überreicht. Das alte Stadion steht nicht mehr, es wurde im Jahr 2010 abgerissen; an Kurt Wabbel, den Arbeitersportler, erinnert heute nur noch wenig. Ob das gut ist oder ungut, steht hier nicht zur Debatte.

Vor 900 Jahren

1118: In diesem Jahr wird Zwickau zum ersten Mal urkundlich erwähnt – und auch Wolfenbüttel. Zufall? Fügung? Verschwörung außerirdischer Echsenbankiers vom Aldebaran? Fachleute meinen: Über Zwickau gäbe es weiter nichts zu sagen, und über Wolfenbüttel noch weniger. Was dabei oft vergessen wird: In Zwickau (oder Zwigge, wie die Eingeborenen das Fleckchen bebaute Erde liebevoll nennen) wurden von 1424 bis 1629 einige Hexenverfolgungen durchgeführt; dabei hat man vierzehn Personen den Hexenprozess gemacht; drei Delinquenten wurden hingerichtet. Andere verweisen darauf, dass der deutsche Science-Fiction-Autor Wolfram Kober in Zwickau das Licht der Welt erblickt hat; Hexenprozesse hat es seitdem nicht mehr gegeben (so viel zum Thema, Science-Fiction, Literatur, Kunst überhaupt sei doch völlig für die Katz).

Vor 450 Jahren

1568: Brennpunkt Stilo. In der kalabrischen Gemeinde wird Tommaso Campanella geboren, der später mit seiner Utopie „Der Sonnenstaat“ Furore macht. Hier fordert Campanella die Abschaffung des Privateigentums (Quell aller sozialen Übel), die Einführung der Weibergemeinschaft und anderes, was bis heute zum Kernbestand utopischen Denkens gehört. Zitat: „Wenn sich aber die Selbstsucht, zwecklos geworden (da es kein Eigenthum gibt), verliert, so bleibt nur die Liebe zum Gemeinwesen zurück.“

Vor 400 Jahren

Am 24. April 1618 wird Dietrich von Ahlefeldt geboren, ein großer Womanizer vor dem Herrn. Dietrich darf sich nicht nur Amtmann zu Schwabstedt nennen, sondern auch noch Herr auf Osterrade und Kluvensiek, ferner Klosterpropst zu Uetersen und Träger des Dannebrog-Orden sowie des Elefanten-Orden – kein Wunder, dass ihm die Herzen adliger Damen nur so zufliegen. Überliefert ist folgende Anekdote: Propst Dietrich erlebte manch Ungemach mit der ebenso streitbaren wie unpopulären Priörin Catharina von Platen, welche die Bauernleut plagte. Eines Tages wurde es dem Bauernvolk zu bunt; aus Schabernack ergriffen sie die Pröpstin und setzten sie des Nachts auf einer Weide im berüchtigten Sachsenwald aus – bekleidet nur mit Nötigsten. Erst Tage später soll die fromme Frau völlig verstört ins Kloster zurückgefunden haben. Verstört wovon, warum, weswegen? Dietrich von Ahlefeldt schweigt; uns aber sollte es nicht wundern, wenn der derb-humorige Stoff demnächst von Netflix verfilmt wird.

Vor 167 Jahren

Der britische Dichter und Essayist William Wilson führt anno 1851 in seinem Werk „A little earnest book upon a great old subject“ den Begriff „Science-Fiction“ ein. (Bereits im Jahr 1839 hatte Edgar Allan Poe eine Kurzgeschichte mit dem Titel „William Wilson“ verfasst; deren Titelheld hat allerdings nichts mit dem besagten Dichter zu tun.)

Vor nicht ganz einem Jahr

31. Dezember 2017: Die Weisen hatten es kommen sehen, die Propheten vorausgesagt, nicht einmal Nostradamus hatte sein Veto eingelegt: Das Jahr 2017 endet mit Feuerwerk, Feinstaub und globalem Getöse. Die bulgarische Seherin Baba Wanga hatte bereits für das Jahr 2016, spätestens aber für eben jenes Jahr 2017 den Nuklearkrieg für Europa vorgesehen; ganze Völker sollten ausgelöscht werden. So ist es denn auch beinahe gekommen: Allerdings war es nicht der Atomkrieg, sondern die Darts-Weltmeisterschaft in London, und dort gingen nicht ganze Völker unter, sondern es verlor lediglich Gary Anderson (ja, der Gary Anderson) gegen Michael van Gerwen (ja, gegen den Michael van Gerwen). Knapp vorbei ist auch daneben, aber ruhig Blut: Die nächste Darts-Weltmeisterschaft kommt bestimmt!

Freuen wir uns also auf ein Jahr, das Jahrestage bietet wie kaum ein anderes, und blicken wir zuversichtlich in eine Zukunft voller Jubiläen.
 

Hartmut Kasper ist promovierter Germanist, proliferanter Fantast und seines Zeichens profilierter Kolumnist. Alle Kolumnen von Hartmut Kasper finden Sie hier.

Kommentare

Bild des Benutzers Hans Schilling

vor 500 Jahren

Am 24. April 1518 schenkt Kaiser Maximillian I. von Österreich, nach einem verheerenden Brand, meine Stadt, Klagenfurt an die Landstände. Der Kaiser hatte kein Geld um die Stadt wieder aufzubauen. Ein einzigartiger Vorgang und wohl der Beginn von Marktwirtschaft und Demokratie. (in zarten Ausmaßen) Damit begann der Aufstieg der Stadt zur Landeshauptstadt und zum modernem Zentrum.
Im Jahr 1593 wurde die Errichtung des "Lindwurms" in monumentaler Größe fertiggestellt. 1606 wurde dann schließlich der "Steinerne Fischer" errichtet und selbst in heutiger Zeit - 1962 - erinnerte man sich an das sagenumwobene Erbe und errichtete das "Wörtherseemandl".
So hat meine Stadt zwar nicht viel mit Science gleichwohl aber sehr viel mir Fiction zu tun.

In diesem Sinne

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