5. Februar 2018

Giftig, schüchtern und manchmal ganz schön teuer

Noch mehr Wolken auf anderen Planeten

Lesezeit: 5 min.

In meiner letzten Kolumne habe ich das Thema „Wolken im Sonnensystem“ angekratzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass es letztlich auf der Erde die hübschesten Wolken gibt. Aber natürlich ist unser ganzes wunderbares Universum voller Wolken, und auch wenn nicht alle so hübsch sind, sind sie doch so vielfältig und interessant, dass sich ein zweiter Blick nach oben mehr als lohnt.

Die schüchternsten Wolken

Letztes Jahr war zweifellos das Pluto-Jahr, denn nachdem die Sonde New Horizons im Juli 2015 ihr Flyby-Manöver durchgeführt hatte, tröpfelten endlich die gesammelten Daten mit einer Downloadrate von gigantischen ein bis zwei Kilobyte pro Sekunde auf der Erde ein. Nun bekamen die Forscher ein hochaufgelöstes Bild von Pluto statt dem verpixelten Knödel, den Hubble bis dahin zustande gebracht hatte. Und neben unzähligen anderen aufregenden Entdeckungen fanden sie etwas, das wie kleine Wölkchen aussah. Sieben Stück davon, direkt an der Grenze zwischen Tag und Nacht.

Wolken auf dem Pluto
Wolken auf dem Pluto?
© NASA/JHUAPL/SwRI

Computermodelle bestätigten die Höhe, in der diese „Wolken“ beobachtet wurden, und listeten ein paar Stoffe auf, aus denen sie zusammengesetzt sein könnten. Dummerweise ist New Horizons mittlerweile schon auf halbem Weg zu ihrem nächsten Ziel, einem Objekt namens 2014 MU69 im Kupiergürtel, und bei interplanetaren Missionen ist Wenden im Allgemeinen ungünstig. Um die mysteriösen Vielleicht-Wolken also genauer zu untersuchen, wäre wohl eine eigene Pluto-Mission mit Orbiter nötig, und es ist gut möglich, dass sie bis dahin gar nicht mehr zu beobachten sind.

Die giftigste Wolke

Titan, den Saturnmond, der unserer schönen Erde so ähnlich sein soll, habe ich 2015 schon einmal vorgestellt. Mit Wolken, Wasserkreislauf, organischen Verbindungen und Namen aus Mittelerde klingt Saturns Mond auf den ersten Blick gar nicht so unfreundlich. Zumindest oberflächlich betrachtet. Nun hat Cassini (bitte eine Schweigeminute einlegen) mittels Spektroskopie „Fotos“ von der Gasverteilung in einer bestimmten Wolke gemacht. Verschiedene Gase haben verschiedene Eigenschaften, die ihre Wechselwirkung mit Licht beeinflussen. Bei der Spektroskopie werden die Wellenlängen des Lichts aufgedröselt und einzeln dargestellt, sodass man anhand der Muster sehen kann, welche Gase das Licht passiert hat. Im Labor haben Wissenschaftler versucht, das Spektrum nachzustellen, das Cassini aus dieser ominösen Wolke empfangen hat. Das Ergebnis: eine hochgiftige Mischung aus Blausäure und Benzol, zu einer Eiswolke gefroren. Dass diese Stoffe in Titans Atmosphäre zu finden sind, wusste man bereits, doch sie gemeinsam in einer Wolke zu sehen, war eine Überraschung und gab Aufschluss über das Mischverhalten in Titans Atmosphäre. Die Toxikologie sagt, dass Benzol in hohen Konzentrationen beim Einatmen zu Schwindel, Erbrechen, vorübergehender Blindheit und Bewusstlosigkeit führen kann und außerdem als Karzinogen, also krebserregender Stoff wirkt. Blausäure oder Cyanwasserstoff ist nochmal ein ganz anderes Kaliber und aus der Geschichte wohl bekannt – schon ein bis zwei Milligramm pro Kilogramm Körpermasse sind tödlich. Wie viele Milligramm davon in der Wolke auf Titan sind, weiß ich nicht, aber jedenfalls klingt sie reichlich ungesund und verdient daher den Titel „Giftigste Wolke im Sonnensystem“.

Die älteste Wolke

Weit, weit jenseits von diesen verrückten Wolken, im interstellaren Raum, vermuten Astronomen eine Kugel aus Eis, die unser gesamtes Sonnensystem einschließt: die Oortsche Wolke, Geburtsstätte von Objekten wie dem Halleyschen Kometen. Sie ist im Moment ein theoretisches Phänomen, das nur indirekt bewiesen werden kann, doch Forscher sind sich ziemlich sicher, dass sie in irgendeiner Form existiert. Man vermutet, dass sie etwa 2.000 Astronomische Einheiten (eine Astronomische Einheit ist die mittlere Entfernung der Erde zur Sonne, Pi mal Daumen 150 Millionen Kilometer) von der Sonne entfernt beginnt und zwischen 50.000 und 200.000 Astronomische Einheiten breit ist (Sie sehen, es wird hier eher schwammig). Man vermutet, dass sie hauptsächlich aus herumfliegenden Eisklumpen besteht: Wasser, Methan, Kohlenmonoxid und der bereits erwähnten Blausäure, die hin und wieder durch die Einwirkungen benachbarter Sterne aus der Wolke herauskatapultiert werden und ihren Weg zu uns ins Sonnensystem finden. So entstehen Kometen. Höchstwahrscheinlich ist die Oortsche Wolke ein Überbleibsel der Protoplanetaren Scheibe, aus der sich vor über vier Milliarden Jahren unser Sonnensystem gebildet hat. Auch wenn sie noch nicht hundert Prozent bewiesen und streng genommen kein Teil des Sonnensystems ist, ist sie damit doch sicherlich die älteste Wolke, die es in unserer Nähe (nicht) zu bestaunen gibt.

Die teuersten Wolken

Noch weiter abseits des Sonnensystems, etwa eintausend Lichtjahre von der Erde entfernt, wurde im Jahr 2008 ein riesiger Planet entdeckt, dem man den klangvollen Namen HAT-P-7b (ich geb’s auf, Astronomen sind hoffnungslos) gab. Mit dem Kepler-Weltraumteleskop konnte man feststellen, dass er nicht nur größer, sondern auch dichter als unser Planetenriese Jupiter ist, dass seine Temperatur auf der Tagseite bei etwa 2730 Kelvin liegt (also etwa 3000 Grad Celsius, aber auf die 273 Grad hin oder her kommt es dann wohl auch nicht mehr an) und dass er außerdem vermutlich einen retrograden Orbit hat, also quasi rückwärts seine Bahn entlang rollt. Durch Beobachtungen in den Veränderungen seiner Reflexionsmuster stellten Forscher fest, dass es auf HAT-P-7b reichlich stürmt.

Wolken auf HAT-P-7b
Exoplanet HAT-P-7b
© Warwick University

Viel spannender aber ist, dass Forscher der Universität Warwick Wettermodelle für diesen Planeten aufgesetzt und sie mit allen bekannten Informationen gefüttert haben – und dabei herauskam, dass in seiner Atmosphäre vermutlich Aluminiumoxid zu Wolken kondensiert. Chemisch ausgedrückt klingt das wenig aufregend, aber eventuell klingeln ein paar mehr Glöckchen, wenn ich „Korund“ sage: das Grundmineral, aus dem Saphire und Rubine bestehen. Wenn diese exoplanetaren Wettermodelle also tatsächlich korrekt sind, bestehen die Wolken auf HAT-P-7b aus Edelsteinen. Und da wir ja bereits vermuten, dass es auf Uranus Diamanten regnet – wären da Wolken aus Saphiren und Rubinen wirklich so unwahrscheinlich? Wenn man die Größe dieses Planetenriesen bedenkt, enthält seine Atmosphäre damit womöglich die teuersten Wolken des Universums.
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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