Konkurrenz für den Großen Roten Fleck
Auf Jupiter werden neue Flecken entdeckt, die nicht alle unbedingt farbig sind
Eine der ersten aufregenden Entdeckungen, die der Mensch auf einem anderen Planeten gemacht hat, war ein großer, roter Fleck auf Jupiter, den man schon vor mindestens hundertachtzig Jahren mit heute weit überholten Teleskopen deutlich sehen konnte. Mit dem ersten Vorbeiflug einer Raumsonde – Voyager 1 – im Jahr 1979 konnte bestätigt werden, dass es sich bei diesem mysteriösen, beständigen Fleck um einen Sturm handelt. In den letzten Jahren wurden dann weitere, kleinere Flecken entdeckt (unter anderem „Great Red Spot Junior“ – wie niedlich), die mit ihrem großen Bruder interagieren und ihn offenbar zum Schrumpfen bringen, denn sein Durchmesser hat sich im letzten Jahrhundert halbiert. Ob er ganz verschwinden wird oder ob diese Wechselwirkung ihn irgendwann wieder wachsen lässt, ist unklar. Auch woher das Wahrzeichen Jupiters seine charakteristische rote Farbe bekommt, ist noch ein Diskussionspunkt – die Farbe variiert von blassem Rosa bis zu kräftigem Ziegelrot, aber durch welche Elemente oder Vorgänge sie zustande kommt, ist unbekannt.
So viele Mysterien gibt es noch um den guten alten roten Fleck … doch nun wurde ein Konkurrent entdeckt, der noch viel mysteriöser erscheint: Forscher der Universität Leicester haben durch Temperaturmessungen der Atmosphäre festgestellt, dass es unterhalb von Jupiters Nordpol einen Fleck gibt, der etwa zweihundert Grad Celsius kälter ist als seine Umgebung. Auch ihm wurde schnell ein angemessener, wenn auch wenig kreativer Name verpasst: Großer Kalter Fleck.
Nach der Entdeckung dieses Phänomens wurden die Forscher unruhig: Ist das neu? Oder haben wir das bisher etwa übersehen? Man möchte meinen, dass ein 24.000 Kilometer großer Fleck schwer zu übersehen ist, aber tatsächlich: Diese Art von Untersuchung wurde an den vorhandenen Datensätzen bisher noch nicht durchgeführt. Doch als die Astronomen in ihren fünfzehn Jahre umfassenden Daten nochmal genauer hinsahen, wurde klar: Der Fleck ist zwar recht launisch und ändert seine Größe öfter und schneller als sein roter Kollege, aber sie konnten ihn über die gesamte Zeit beobachten. Man geht sogar davon aus, dass er womöglich schon seit Jahrtausenden existiert.
Aufgrund von Lage und Verhalten des Großen Kalten Flecks wird derzeit vermutet, dass er im Zusammenhang mit Jupiters Magnetfeld und seiner Aurora entsteht und erhalten wird. Von Magnetfeldern und Auroras haben wir ja bereits gehört; der Knackpunkt ist, dass Strahlung und Partikel von außerhalb vom Magnetfeld abgelenkt werden. An den Polen des Magnetfelds, wo sich die Feldlinien zur Oberfläche biegen, wird diese Strahlung somit in die Atmosphäre gelenkt. Anders als auf der Erde, wo dieser Partikelstrom hauptsächlich vom sehr variablen Sonnenwind kommt, ist es auf Jupiter sein kleiner Mond Io, der stetig Gase entlässt. Dadurch wird der Atmosphäre regelmäßig massiv Energie zugeführt, doch aufgrund der schnellen Rotation an den Polen kann diese Energie nicht gleichmäßig über die ganze Atmosphäre verteilt werden. Dadurch entsteht vermutlich die deutliche Abkühlung in einer sehr begrenzten Gegend. Genaue Details sind noch unbekannt, doch man geht davon aus, dass durch diese Abkühlung ein ähnlicher Wirbel erzeugt wird, wie der Große Rote Fleck, nur ohne deutlich sichtbare Wolken, weshalb er erst jetzt entdeckt wurde.
Da sich die Sonde Juno derzeit in einer Umlaufbahn um Jupiter befindet, um praktischerweise die Aurora zu untersuchen, erhoffen sich Astronomen bald neue Erkenntnisse über diesen mysteriösen neuen Fleck, der sich, im Gegensatz zu seinem aufmerksamkeitssüchtigen roten Kollegen, womöglich über Jahrhunderte vor uns versteckt gehalten hat.
Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.
Kommentare