Vom Marswind verweht
Auf unserem Nachbarplaneten tanzen im Frühling die Teufel durch die Wüste
Während wir uns auf Erden über die langsam steigenden Temperaturen, Krokusse und warmen Sonnenstrahlen freuen, müssen die Marsianer noch bis Mai warten, um endlich den Frühlingsbeginn feiern zu dürfen. Weil ein Mars-Jahr etwa doppelt so lange dauert wie ein Erdenjahr, dauern dort auch die Jahreszeiten doppelt so lange. Vor allem die Wintermonate, in denen, wie auf der Erde auch, die Temperaturen sinken und weniger Sonnenstrahlen die Oberfläche treffen, sind für solarbetriebene Marsrover wie Opportunity gefährlich, weil sie nicht genug Energie erzeugen können und daher eine Art Winterschlaf halten müssen. Nicht so Curiosity, der seine Energie aus einem „Radioisotope Thermoelectric Generator“, kurz RTG, bezieht und deswegen auch im Winter seinen Dienst tun kann. Seit viereinhalb Jahren kämpft er sich im Gale-Krater bei Wind und Wetter über die Oberfläche unseres roten Nachbarn. Die Betonung liegt dabei auf „Wind“.
Marswinde fühlen sich wegen des sehr viel geringeren Luftdrucks auf dem roten Planeten nicht so stark wie irdische Winde an, aber sie sind dennoch kräftig genug, um Staub aufzuwirbeln. Vor allem im Mars-Sommer entstehen immer wieder gewaltige Staubstürme. Doch um die soll es heute nicht gehen. Stattdessen werfen wir einen Blick auf ihre kleinen Brüder: die Staubteufel.
Der eine oder andere von Ihnen hat an heißen Sommertagen in offenem Gelände vielleicht schon einmal einen solchen Staubteufel gesehen: kleine Luftwirbel, die wie Mini-Tornados aussehen und fachsprachlich auch „Kleintromben“ genannt werden, im Unterschied zu echten Tornados, die dementsprechend „Großtromben“ heißen und deutlich unangenehmer sind. Die beiden Phänomene sind allerdings grundverschieden. Echte Tornados entstehen an starken Unwettersystemen, sogenannten Superzellen, die ein durchschnittliches deutsches Sommergewitter wie eine Kindergarten-Party aussehen lassen. Dabei geraten durch enorme Scherungskräfte Luftsäulen in Rotation und erzeugen gewaltige Windgeschwindigkeiten, die ganze Häuser mit sich reißen können.
So ein Staubteufel ist da weit handzahmer. Er entsteht vor allem an sehr heißen Tagen mit viel Sonneneinstrahlung. Weil die meisten Bodenarten Wärme gut aufnehmen und speichern (gehen Sie mal im Hochsommer barfuß über Asphalt!), erhitzen sie sich deutlich stärker als die Luft darüber. Dadurch entsteht unmittelbar am Boden eine kleine, sehr heiße Luftzelle, die das tut, was warme Luft nun einmal tut: aufsteigen. Wenn dann der Wind günstig steht und ein kleines bisschen Rotation dazukommt, wird durch das schnelle Aufsteigen des heißen Luftpakets diese rotierende Luftsäule sehr schnell in die Länge gestreckt – ein Staubteufel. Nun kommt die Drehimpulserhaltung ins Spiel: Wie bei einer Eisläuferin, die die Arme anzieht, beschleunigt sich die Rotation, und jetzt kann dieses kleinräumige Windphänomen Sand, trockenes Laub, Heu und anderen Kleinkram aufsammeln und damit überʼs Land tanzen. Allerdings sind Staubteufel meist recht instabil und daher eher kurzlebig.
Auf dem Mars ist der Boden meistens deutlich wärmer als die Luft darüber, was an der dünnen Atmosphäre liegt, die Hitze nicht sehr gut speichern kann. Im Moment erreichen wir ein Maximum von zwölf Grad Celsius am Boden, während die Luft mit minus sechs Grad sehr viel frischer ist. Perfekte Voraussetzungen also für Staubteufel – und vielleicht das erste Anzeichen für Frühling auf dem Mars! Curiosity hat vor einer Weile einen dieser Mars-Teufel mit seiner Kamera festgehalten:
Wie auf der Erde sind auch auf dem Mars die Winde maßgeblich an der Gestaltung seiner Oberfläche beteiligt: Wanderdünen ziehen, vom Wind getrieben, über den Planeten, und man nimmt an, dass der mächtige Gale-Krater, durch den Curiosity mit einer Geschwindigkeit von 160 Metern pro Stunde „rast“, vor Milliarden von Jahren fast vollständig mit Sand gefüllt war – bis der Wind diese Sedimente nach und nach abgetragen und dadurch den 5,5 Kilometer hohen Aeolis Mons freigelegt hat.
Und auch die Staubteufel hinterlassen Spuren, die sogar vom Weltraum aus zu sehen sind. So hat NASAs Mars Global Surveyor 2001 dieses beeindruckende Exemplar ausgemacht, das eine Höhe von rund einem Kilometer erreicht hat. Bei seinem Weg über Amazonis Planitia hat der Staubteufel eine dünne helle Linie zurückgelassen – offenbar ist der Staub an der Oberfläche dunkler als das darunter liegende Gestein.
Die marsianischen Staubteufel haben außerdem einen so unerwarteten wie positiven Nebeneffekt für uns Menschen: Sie sorgen für die sogenannten „cleaning events“, bei denen die Solarzellen von Opportunity regelmäßig von dem feinen Staub befreit werden, der sich darauf absetzt, sodass der Rover nun schon seit dreizehn Jahren funktioniert – das sind immerhin zwölf Jahre und 275 Tage länger als ursprünglich gedacht.
Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.
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