30. Mai 2016 1 Likes

Muss Amerika wieder groß werden?

Donald Trump, die Demokratie und die Science-Fiction

Lesezeit: 4 min.

Nun wartet die Welt also gespannt darauf, ob es Donald Trump gelingt, die kleinen Schwächen abzulegen, die ihm beim Wahlvolk möglicherweise Sympathien kosten könnten. Als da wären: seine sexistischen und rassistischen Äußerungen, die Herabwürdigung behinderter Menschen, die Prahlerei über seine Penisgröße während einer öffentlichen Debatte, die Bereitschaft seiner Anhänger, politische Gegner zu verprügeln, seine Lügen, seine Ausflüchte und ganz allgemein die Tatsache, dass er ein emotional instabiler, zur Tobsucht neigender Narzisst ist. Wenn ihm dies also gelingt, kann er ins Weiße Haus einziehen und Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden.

Seltsamerweise fühle ich mich als Brite unmittelbar von der kommenden US-Wahl betroffen, obwohl ich gar kein Stimmrecht habe. Die Empörung über eine Besteuerung ohne politische Interessenvertretung veranlasste die amerikanischen Kolonien seinerzeit, Tee in den Hafen von Boston zu kippen und sich vom britischen Empire loszusagen. Nun hat sich das Blatt offenbar gewendet: Natürlich erheben die Vereinigten Staaten nicht direkt Steuern von der europäischen Bevölkerung, aber durch ihre Machtposition üben sie unweigerlich einen gewissen Einfluss auf unser Leben aus.

Trump ist ganz ohne Zweifel ein Produkt des demokratischen Systems. Tatsächlich beruht sein Erfolg auf seinem Geschick im Umgang mit der durch die Massenmedien geprägten Demokratie des Informationszeitalters. Seine Popularität ist nicht seinen politischen Positionen und erst recht nicht seiner (nichtexistenten) politischen Erfahrung geschuldet, sondern seiner Bekanntheit, seiner „Marke“ und der Ehrfurcht vor seinem Reichtum. Er ist ein Demagoge, der nicht nur die moderne Technologie und die sozialen Medien für seine Zwecke nutzen kann, sondern auch – ganz traditionell – populistische Wahlreden hält, die an die niedrigsten Instinkte appellieren.

Diesen Mann mit seinen altertümlichen Vorstellungen als einen Science-Fiction-Politiker zu bezeichnen, ist nur auf den ersten Blick kontraintuitiv. Vielleicht hilft es, das Ganze von der anderen Seite zu betrachten und deutlich zu machen, wie viel Trump in der Science-Fiction steckt: Die ältere SF war nicht selten vulgär, voller merkwürdiger Obsessionen und gelegentlich auch sexistisch, rassistisch und homophob. (Und wie wir wissen, stoßen auch heute noch die Bemühungen, diese Missstände zu beheben, auf erbitterten Widerstand.)

Die Science-Fiction steht in einem konfliktreichen Verhältnis zur Demokratie. Viele Meisterwerke des Genres sind in idealisierten Monarchien oder gar auf feudalistischen Welten angesiedelt – wie etwa Frank Herberts Wüstenplanet-Romane. In George Lucas’ Krieg der Sterne ist Leia, eine der Schlüsselfigur des Widerstands, eine Prinzessin. Diesen Titel gewinnt man nicht durch demokratisch legitimierte Wahlen (obwohl Lucas in der Prequel-Trilogie andeutet, dass all die Könige, Königinnen und Prinzessinnen irgendwie gewählt wurden, was jedoch der Definition von Königen, Königinnen und Prinzessinnen widerspricht).

Robert A. Heinlein hielt es für absurd, jedem „mit einem Puls“ das Wahlrecht zu gewähren, und schlug mehrere Verbesserungen des gegenwärtigen Systems vor. Zum Beispiel sollten Wahlkabinen zu Todeskammern umfunktioniert werden: Jeder Bürger, der in der Kabine einen Intelligenztest besteht, darf seine Stimme abgeben; auf alle anderen wartet eine schmerzlose Euthanasie. In Sternenkrieger (1959) dürfen nur die wählen, die „Staatsdienst“ geleistet haben. Heinlein merkte später zwar an, dass dazu auch der öffentliche Dienst zählt, doch im Roman ist eindeutig Militärdienst gemeint. Heinleins Ideal war eine Demokratie, in der nur das Militär stimmberechtigt ist: eine Stratokratie.

Zu unserem Glück hat sich die Demokratie in eine andere Richtung entwickelt. Zu unserem Pech ging diese Entwicklung leider nicht mit größerem Einfluss oder Macht des Volkes einher. Eine Figur aus H.G. Wells’ Wenn der Schläfer erwacht (1899) macht eine Beobachtung über die zukünftige Londoner Gesellschaft, die auch einem Donald Trump zur Ehre gereichen würde: „Die Demokratie ist Vergangenheit. Sie nahm ihren Anfang mit den Bogenschützen in der Schlacht von Crécy und endete, als die Massen der Infanteristen nicht länger über den Ausgang eines Krieges entschieden, sondern teure Kanonen, große Panzerschiffe und strategisch günstige Eisenbahnstrecken. Nun ist der Reichtum an der Macht. Der Reichtum ist mächtiger als je zuvor – er beherrscht die Erde, die Meere und die Lüfte. Die Macht gehört denjenigen, die mit dem Reichtum umgehen können …“

Wie Trump gerne von sich sagt: „Ich bin wirklich reich.“

Ich habe eine relativ komplizierte Theorie, warum die Science-Fiction die „Demokratie“ immer wieder als problematischen Konfliktfall behandelt, doch sie wäre zu lang, um sie an dieser Stelle auszuführen. Ich glaube, dass dieses Phänomen auf einer tiefenstrukturellen Ebene mit dem Gründungsmythos der USA zusammenhängt, mit der Loslösung von der britischen monarchistischen Kolonialherrschaft und der Einführung der Demokratie (obwohl es sich zu Beginn wohl eher um eine Plutokratie weißer Männer handelte). Dies hallt in der amerikanisch dominierten SF des 20. Jahrhunderts nach, und in vielen Alternativwelt-Szenarien hat die amerikanische Unabhängigkeit sogar niemals stattgefunden (mein persönlicher Favorit ist Harry Harrisons brillanter Roman Der große Tunnel von 1973). Und womöglich ist es auch dieses Subgenre der SF, das die Antwort auf unser gegenwärtiges Problem geben kann.

Trumps Wahlkampfslogan lautet: „Make America Great Again“ – Amerika muss wieder groß werden. Ich glaube, wenn man diesen Slogan etwas erweitert, wären alle Probleme der USA im Handumdrehen gelöst, die Gefahr, dass Trump Präsident wird, gebannt, und die Welt insgesamt ein glücklicherer, zivilisierterer Ort, an dem man gerne mal eine Tasse Tee trinkt.

Mein Vorschlag? „Amerika muss wieder Großbritannien werden.“
 

Adam Roberts ist eine der talentiertesten Stimmen in der neueren britischen Science-Fiction. Geboren 1965, studierte er Englische Literatur in Aberdeen und Cambridge und arbeitet derzeit als Dozent an der University of London. Alle Kolumnen von Adam Roberts finden Sie hier.

 

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