15. Februar 2021 1 Likes

Wir sahen im All schon mal besser aus

Was mir beim Anblick der Raumanzüge von Virgin Galactic so durch den Kopf ging

Lesezeit: 4 min.

Jeder, der mich kennt, wird Ihnen bestätigen, dass ich von Mode absolut keine Ahnung habe. Bei der Wahl meiner Alltagsgarderobe bevorzuge ich gut gefütterte Kleidungsstücke mit vielen Taschen, soll heißen: ausgebeulte, unförmige Kapuzenpullover, bequeme Jeans oder Trainingshosen und derart wuschelige Pantoffeln, dass sich darin ein Einhorn verstecken könnte. Und über meine Unterwäsche breiten wir am besten den Mantel des Schweigens. Da ich so viel Gespür für Farben wie ein blindes Frettchen habe, werde ich gerne mit einer Verkehrsampel verwechselt. Aber das ist nicht so schlimm. Ich habe es warm und gemütlich, und da ich sowieso von zu Hause aus arbeite, ist der Einzige, der unter meinem Aufzug leiden muss, mein Hund. Der farbenblind ist.

Dies sei vorangestellt, damit Sie mich nicht allzu ernst nehmen, wenn ich jetzt über ein ganz bestimmtes Kleidungsstück herziehe. Normalerweise würde ich ja auch nicht über so etwas schreiben, aber ich konnte nicht anders – so laut musste ich lachen, als ich die neuen Raumanzüge von Virgin Galactic sah.

Die Dinger sind unglaublich hässlich.

Ehrlich. Es sind Blaumänner – auch wenn Virgin sie wohl als Jumpsuits bezeichnet – in einem Farbton, bei dem ich an die Mechaniker in der Werkstatt gleich bei mir um die Ecke denken muss. Damit will ich keinesfalls den ehrbaren Beruf des Automechanikers schlechtmachen, sondern nur darauf hinweisen, dass man diesen am besten in dafür geeigneter Kleidung ausübt. Vorzugsweise in einem weiten blauen Overall. Andererseits fehlt dem Berufsstand des Kfz-Mechanikers eine, wie soll ich sagen, gewisse Romantik. Und genau das braucht Virgin Galactic dringend, um seinen astronomisch teuren Weltraumtourismus zu verkaufen: das Gefühl von Romantik und Abenteuer. Und davon sind die neuen Astronauten-Blaumänner so weit entfernt wie nur möglich. Also bitte: Man sitzt in einer Rakete und düst in die Umlaufbahn. Da kann man doch erwarten, dass man dabei einigermaßen cool aussieht.

Ich kann mir schon denken, welchen Einwand Sie jetzt vorbringen werden: Raumanzüge waren schon immer ziemlich unvorteilhafte Kleidungsstücke. Tja, wenn Sie das glauben, haben Sie noch weniger Ahnung von Mode als ich. Klar, die meisten Raumanzüge sind bei näherer Betrachtung nicht besonders hübsch, aber es gab in der Vergangenheit durchaus einige Exemplare, die die Virgin-Tankwartuniformen in puncto Eleganz weit übertreffen.

Die allerersten Raumanzüge, die die Astronauten des Mercury-Programms in den späten Fünfzigern und Sechzigern trugen, bestanden mehr oder weniger nur aus silberglänzender Alufolie, auf die Oma Bonnie aus der Kantine ein paar Missionsabzeichen genäht hatte. Und trotzdem: Wenn jemand wie, sagen wir, Gary Cooper in so einem Anzug steckt, kann man nicht anders, als ihm aufmunternd zuzunicken. Irgendwie waren diese Anzüge etwas für Pioniere und Draufgänger. Dasselbe lässt sich für die weißen Anzüge der Achtzigerjahre behaupten (die auf so ziemlich jedem Foto zu sehen sind, die einen Astronauten im Weltraum zeigen). Die roten Akzente um die Knie, das einfache rote NASA-Logo auf der Brust – genial.

Erstaunlicherweise finde ich auch die orangefarbenen, von den Astronauten nicht immer liebevoll Pumpkin Suit (Kürbisanzug) genannten Druckanzüge der Neunziger und Nullerjahre gar nicht mal so hässlich. In der Kombination mit den schwarzen, tristen Stiefeln und Handschuhen erinnern sie ein bisschen an futuristische Sträflingskleidung, ziehen aber sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Das gefällt mir ganz gut – aber wie gesagt ist es mit meinem Farbempfinden nicht gerade weit her.

Wenn Sie aber mal einen wirklich fantastischen Raumanzug sehen wollen, dann googeln Sie den Z1-Suit. Der hat es zwar nie bis zur Serienreife geschafft, doch die Prototypen sind ebenso verblüffend wie einzigartig: ein bequemer, hellgrauer Anzug mit neongrünen Akzenten und einem kugelförmigen Helm, wie ihn auch Buzz Lightyear trägt. Abgefahren. Apropos: Warum lassen sich eigentlich weder die NASA noch andere Raumfahrtunternehmen von Hollywood inspirieren? Immerhin gibt es beim Dreh jedes Science-Fiction-Films Leute, deren einzige Aufgabe darin besteht, die Schauspieler in den Raumanzügen cool aussehen zu lassen. Mark Watneys dunkelorange-weißer Anzug in Der Marsianer zum Beispiel sieht einfach großartig aus. Ja, sogar die blaugrauen Overalls seiner Crew sind schick.

Ich meine ja nur: Wenn man schon jemanden in den Weltraum schießt, sollte er dabei eine gute Figur machen. Auch wenn das bedeutet, diese Aufgabe den Profis zu überlassen, egal – Hauptsache schick. Vielen Dank und gute Nacht.

 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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