Marvels Fledermausmann

Nachdem der Psychologe Fredric Wertham Comic-Hefte 1954 in den USA als jugendgefährdende Gewaltpornos gebrandmarkt hatte, unterwarfen sich die amerikanischen Verlage jahrelang einer erheblichen Selbstzensur, die im Comics Code-Siegel auf den Covern zum Ausdruck kam. Monster, Gewalt, Erotik und Drogen verschwanden weitgehend aus den bunten Bildergeschichten. In den 70ern lockerten sich die Auflagen der Comics Code Authority nach und nach, und bei z. B. Marvel kehrten die Ungeheuer zurück. Dracula wurde ein erfolgreicher Marvel-Antiheld, Vampirjäger Blade debütierte, und auch der lebende Vampir Morbius feierte als Spider-Man-Gegner 1971 in „The Amazing Spider-Man 101“ von Roy Thomas und Gil Kane seinen Einstand.

Lange ein tragischer vampirischer Schurke, wurde Morbius in den Comics irgendwann schließlich zum bleichen, fledermausgesichtigen Antihelden, der seinem alten Widersacher Spidey beistand, selbst mit einer guten Monstertruppe gegen das Böse kämpfte und sich in jüngerer Vergangenheit u. a. einer Zombie-Invasion aus einem Paralleluniversum entgegenstellte, die von „The Walking Dead“-Erfinder Robert Kirkman (im Shop) in der Serie „Marvel Zombies“ angezettelt worden war. Im Sommer bringt Sony nach „Venom“ mit Tom Hardy und den letzten beiden „Spider-Man“-Flicks mit Tom Holland nun einen „Morbius“-Film auf die Leinwand, und heute Abend ging der erste Trailer online.

Der ziemlich klassisch anmutende Science-Horror über Michael Morbius, der an einer seltenen Blutkrankheit leidet, als Junge viel einstecken muss und sich als erwachsener Top-Wissenschaftler mit Fledermaus-Sabber heilt, scheint dem Appetizer nach in guten Bildern und mit allen wichtigen Referenzen an das Subgenre umgesetzt, wenngleich die Fledermausstürme schon sehr an „Batman“ erinnern. Jared Leto (der Joker aus „Suicide Squad“) gibt im Film von Regisseur Daniel Espinosa („Safe House“, „Life“) den lebenden Vampir, in weiteren Rollen sind Adria Arjona („Good Omens“) und Matt Smith („Doctor Who“) zu sehen, und schon im Trailer legt mit Michael Keaton (der Geier aus „Spider-Man: Homecoming“) ein alter Bekannter einen Gastauftritt hin.

Sonys Marvel-Vampirfilm? Macht jetzt auf Anhieb gar keinen so schlechten Eindruck. Im Gegenteil.