Virtuelles Neuland
Die Ausstellung „Du musst Caligari werden!“ würdigt einen Klassiker auf neue Weise
Vor exakt 100 Jahren, am 26. Februar 1920, fand im Berliner Marmorhaus, einerm der großen, legendären Uraufführungskinos seiner Zeit, die Premiere von Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ statt. Schnell entwickelte sich der von Psychoanalyse, Traumwelten und Jahrmarkt-Grusel geprägte Film zum Klassiker, dem geradezu prophetische Qualitäten zugeschrieben wurden: Siegfried Kracauer nannte seine Studie über das deutsche Kino und den Weg zum Faschismus „Von Caligari zu Hitler“, so als hätte der verführerische Demagoge Caligari schon 13 Jahre vor der Machtergreifung der Nazis auf den späteren Aufstieg Adolf Hitlers hingewiesen.
Wie dem auch sei, Wienes Caligari hat Filmgeschichte geschrieben, ist im In- und Ausland als einer der bedeutendsten deutschen Filme anerkannt. Anlass genug den Klassiker in einer Kabinettausstellung im Berliner Filmmuseum (Deutsche Kinemathek) zu würdigen. Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut Warschau, was einen guten Grund hat: Robert Wiene stammte aus dem damaligen Breslau, dem heutigen Wroclaw und so entstand das Herzstück der Ausstellung auch in deutsch-polnischer Kooperation: Eine Virtual Reality Installation, die es ermöglicht, in die Welt des Caligari einzutreten.
Das in Babelsberg ansässige Produktionshaus UFA X verwendete dazu eine noch recht junge Technik im Bereich der Virtual Reality. Als volumetrischer Film wird die Technik bezeichnet, für die die Darsteller – in diesem Fall die beiden polnischen Schauspieler Arkadiusz Jakubik und Jakub Gierszał, die den Dr. Caligari bzw. Cesare spielen – rundherum abgefilmt wurden. Auf dieser Basis entstanden Hologrammen, die zusammen mit markanten Orten des Films, der Varietébühne etwa, oder der Litfaßsäule von der Cesare dämonisch blickt und schließlich auch die Schlafstätte des Somnambulen, ein Sarg, die Welt des Caligari evozieren. Eine Interaktion ist zwar (noch) nicht möglich, doch mehr als bei vielen VR-Installationen, kann der Zuschauer sich hier im Raum bewegen, steht nicht nur still, sondern kann durch seine Bewegung unterschiedliche Perspektiven einnehmen und die Aktion der Protagonisten verfolgen.
Gerade für einen Film, der so dezidiert mit Zwischenwelten spielt, in dem oft unklar ist ob man sich im Reich der Träume oder doch der Wirklichkeit bewegt, wirkt die VR-Technik wie gemacht. Zumindest als Ergänzung, als neuer Blick auf einen der großen Klassiker des Expressionismus, der zwar schon einhundert Jahre alt ist, aber aus gutem Grund immer wieder neuentdeckt wird.
Du musst Caligari werden! Das virtuelle Kabinett • Deutsche Kinemathek, Potsdamer Platz 2, D-10785 Berlin • bis 20. April
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