22. Oktober 2018 1 Likes

Wo bin ich und wenn ja, wie viele?

Wissenschaft im Weltall – Zweiter Teil: Wie Satelliten das Leben erleichtern

Lesezeit: 4 min.

In meiner letzten Kolumne habe ich mich damit beschäftigt, was derzeit auf der Internationalen Raumstation ISS passiert und wieso diese Forschung an der Grenze zum Weltall so wichtig für uns ist (ja, an der Grenze, denn genau genommen kreist die ISS mit 400 Kilometer Höhe noch innerhalb unserer Thermosphäre). Nun ist unser kleiner Außenposten im Fast-Weltraum aber nicht die einzige wissenschaftliche Errungenschaft, die unseren Planeten umkreist, um uns den Alltag zu erleichtern. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass Sie alle heute bereits mindestens einmal einen Satelliten genutzt haben. Wie das? Womöglich haben Sie auf dem Smartphone den schnellsten Weg zum nächsten Café gesucht oder nur kurz im Internet nachgesehen, ob Sie auf dem Heimweg nass werden. Aber was haben diese alltäglichen Handlungen mit Satelliten zu tun?

Beginnen wir mit meinem Lieblingsthema: der Wettervorhersage. Noch vor dreißig Jahren hatte sie den Ruf, über mehr als zehn Tage hinaus ähnlich akkurat zu sein wie Kaffeesatzlesen. Und auch wenn man nach wie vor gern über sie schimpft, hat sie sich mittlerweile so weit verbessert, dass wir heute über eine Woche eine ähnlich genaue Vorhersage machen können wie in den 1980ern über nur drei Tage. Dieser Trend ist natürlich beeinflusst durch besser werdende Vorhersagemodelle, mehr Grundlagenforschung und ein besseres Verständnis der Atmosphäre sowie leistungsstärkere Computer zum Modellieren, aber einer der Haupteinflüsse ist vor allem der zunehmende Gebrauch von Satelliten zur Wetterbeobachtung.

Bis in die 1980er kamen Wetterbeobachtungen vor allem von Messstationen am Boden, automatisierten Bojen und Messungen auf Hochseeschiffen. Die Flächendeckung dieser Observationen kann man in dieser Grafik schön sehen: Westeuropa und Nordamerika sind problemlos abgedeckt, Asien sieht ebenfalls vernünftig aus. Sieht man aber die dünn besiedelten Gebiete in Afrika und Südamerika sowie den Unterschied zwischen Süd- und Nordhalbkugel aufgrund der ungleichen Verteilung der Kontinente, wird schnell klar, dass diese Beobachtungen nicht unbedingt optimal sind.

 

Die Vermessung der Welt - ohne Satelliten

Die Idee, das Wetter vom Weltall aus zu beobachten, kam bereits in den 1940ern auf, und der erste funktionierende Satellit wurde 1960 von der NASA gestartet, hat aber nur achtundsiebzig Tage lang funktioniert. Dennoch – der erste Schritt war getan. Über die folgenden fünf Jahrzehnte wurden mehr und mehr Satelliten in verschiedene polare und geostationäre Umlaufbahnen gebracht, und sie wurden mit immer besserer Technologie zur Beobachtung der unterschiedlichsten Phänomene in immer höherer Auflösung ausgestattet. Heute können aus dem Weltraum sogar Waldbrände lokalisiert und die Stärke und Zugrichtung von Stürmen bestimmt werden.

Das funktioniert über Messungen in einem breiten Spektrum von Wellenlängen, mit denen Satelliten die Welt beobachten, die Rückschlüsse auf den Zustand der Atmosphäre zulassen. Zum Beispiel infrarot zur Beobachtung von Wolken und Wasserdampf. Selbst den Unterschied zwischen natürlicher und anthropogener Verschmutzungspartikel kann man ausmachen.

Dank Satelliten wurde die Wettervorhersage immer genauer

All diese Informationen werden als flächendeckende Messungen in Wettermodelle gefüttert und zur Vorhersage genutzt. Natürlich machen sie bodenbasierte Messungen nicht überflüssig, aber sie sind eine unglaublich wertvolle Ergänzung, die den Wetterbericht über die letzten dreißig Jahre deutlich genauer gemacht hat.

Nun zum GPS (Global Positioning System) – und wenn Sie Satelliten, die Wasserdampf sehen können, schon aufregend finden, dann wird es jetzt erst richtig spannend, denn GPS basiert nicht nur auf Satelliten, sondern auch Quantenphysik.

Als Grundlage benutzen GPS-Satelliten Atomuhren, die auf vierzehn Nanosekunden genau gehen. Das bedeutet, dass sie in einhundert Millionen Jahren nur etwa eine Sekunde falsch gehen. Die modernsten Atomuhren schaffen es sogar auf eine Sekunde in fünfzehn Milliarden Jahren – das ist in etwa das Alter des Universums. (Eine handelsübliche Quarzuhr schafft etwa eine Sekunde alle zwei Tage, was im Vergleich ganz schön abschmiert.)

Nun setzen wir eine solche Atomuhr in einen Satelliten. Wir haben also einen Satelliten, der ganz genau weiß, wie spät es gerade ist und wo auf seiner Umlaufbahn er sich gerade befindet. Aber was nützt uns das? Nun, wenn Sie auf ihrer Wandertour ihre GPS-Uhr herausholen, weil sie sich nicht mehr ganz sicher sind, ob Sie auf der Zugspitze oder doch auf dem Everest gelandet sind, nimmt sie Kontakt zu diesem Satelliten auf und fragt nach, wo er ist und wie spät es bei ihm gerade ist. Dazu weiß die Uhr selbst, wie spät es bei ihr gerade ist. Aus der Zeitverschiebung, die entsteht, während das Signal vom Satelliten zur Uhr reist, kann dann berechnet werden, welche Entfernung die Uhr zum Satelliten hat. Doch nun könnte man sich überall auf einer Kugeloberfläche um den Satelliten herum befinden. Um den genauen Standpunkt festlegen zu können, muss die Uhr mit mindestens zwei Satelliten (im Idealfall deutlich mehr) Kontakt aufnehmen. Der Schnittpunkt aller möglichen Standorte ist dann der tatsächliche Standpunkt der Uhr – und Sie wissen, dass es nur noch zweihundert Meter bis zur nächsten Einkehr ist.

 

Positionsbestimmung via Satellit

Und mit diesen beiden alltäglichen Beispielen haben wir nur mal gerade so an der Oberfläche der Möglichkeiten gekratzt, die uns Satelliten bieten. Man kann auch Gravitation messen und dadurch unterirdische Phänomene identifizieren, zum Beispiel archäologische Strukturen oder geologische Anomalien. Ozeanographen können Wellenhöhen beobachten und konnten dadurch die Existenz von sogenannten „Rogue Waves“, Monsterwellen, beweisen. Und mit neuen Experimenten, wie zum Beispiel denen, die derzeit auf der ISS durchgeführt werden, lernen wir ständig neue Anwendungsmöglichkeiten.
 

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich insbesondere für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Alle ihre Kolumnen finden Sie hier.

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