29. Juni 2025

„Grüne Häuser“ – Für die Umwelt oder das Ego?

Ein interessanter Bildband mit seltsamer Haltung

Lesezeit: 3 min.

Das sprichwörtliche Haus im Grünen war und ist Traum vieler, die Erfüllung dieses Wunsches scheitert jedoch meist am Geldbeutel, inzwischen manchmal vielleicht auch an der Moral. Denn kaum etwas verursacht soviel CO² wie das Bauen, besonders das Konventionelle, mit Beton, Stahl und ähnlichen Materialien.

Nachhaltiges Bauen, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, also vor allem Holz, aber auch Hanf und Flachs, hört sich insofern erst einmal gut und sinnvoll an, auch wenn die Vorstellung, wieder in Holzhütten, okay, Holzhäusern zu leben, sich für an die Annehmlichkeiten der Großstadt gewöhnte vielleicht etwas zu rustikal anhört.

Die Häuser, die Thomas Drexel in seinem Bildband Grüne Häuser – Modern und natürlich“ (im Shop) vorstellt, zeigen, dass es auch anders geht, wobei sich bei der Lektüre zunehmend die Frage stellt, ob die beiden im Untertitel genannten Adjektive hier tatsächlich angebracht oder eher eine grüne Fassade sind.

Schön sind die Häuser ohne Frage, wie sie da zum Beispiel in der Einsamkeit der kanadischen Wildnis stehen, mit großen Panoramascheiben, die wunderbare Ausblicke auf die Natur liefern, oder das Haus an der norwegischen Skagerrak-Küste, mit verschiedenen Terrassen, mal zum Meer hin, mal windgeschützt oder auch das Haus auf Stelzen, in den Wäldern Südfrankreichs gelegen, mit Whirlpool auf der Veranda.

Ja, mehr oder weniger aus Holz ist auch dieses Haus, von unauffälliger Einbindung in die Landschaft ist im begleitenden Text die Rede, vom Einsatz nachhaltiger Baumaterialien, aber wie nachhaltig kann so ein Häuschen, ein Zweitwohnsitz für mehr als betuchte Menschen wirklich sein? Und das ist noch nicht einmal das extremste Beispiel, ein anderes Objekt, ein Bungalow in der Oberpfalz, hat bescheidene 119 qm² Wohnfläche und satte12.000 qm² Grundstücksgröße. Da lässt es sich entspannt leben.

Wie der Werbeprospekt eines Immobilienmaklers liest sich Drexels blumige Prosa bisweilen, zu einem Refugium zwischen Bäumen in Kanada heißt es etwa: „alle Aufenthaltsräume bieten schöne Ausblicke zum See oder in die Bäume.“ Anderswo: „Das Haus ist ein perfekter Rückzugsort für kleine Alltagsfluchten, Auge und Auge mit Gämsen, Hirschen und Siebenschläfern.“ Besonders schön auch die Beschreibung eines einsamen Hauses auf den griechischen Kykladen: „Die Aussicht auf das Meer kann für viele Menschen anderen Luxus ersetzen.“

Angesichts solcher Ergüsse wirkt der grüne Anstrich des Bandes ein wenig vorgeschoben, der sich vor allem in drei kurzen Kapiteln zeigt, in denen Schwerpunktthema behandelt werden: Naturbaustoffe, begrünte Dächer und Fassaden und Verbindung von Innen und Außen, schon das ein Aspekt, der weniger mit umweltfreundlichem Bauen, als mit der Wohnqualität zu tun hat. Und mit dem Geldbeutel der Bauherren, denn günstig sind die Grünen Häuser in keiner Weise. Bezeichnenderweise werden in den Baudaten der jeweiligen Häuser zwar stets die Größe von Haus und Grundstück angegeben, der Punkt Gesamtkosten bleibt jedoch fast immer leer. Zur Wahrung der Privatsphäre, wie es heißt, die Bauherren wollen offenbar ihren Wohlstand nicht noch mehr in den Vordergrund stellen, auch wenn es ihnen offensichtlich schmeichelt, wenn ihr Häuser in einem Buch abgebildet werden. Wenn sich da ausnahmsweise doch eine Angabe findet, dann kann sich die schon einmal auf gut eine halbe Millionen belaufen und das für nicht mehr als den Umbau eines alten Heustadels. Man ahnt: Grünes Bauen ist nichts für den Durchschnittsbürger, sondern eher ein weiteres Statussymbol, mit dem man nicht nur zeigen kann, dass einem die Umwelt am Herzen liegt, sondern dass man auch das Geld hat, um seinen Grünen Daumen zu zeigen.

Thomas Drexel: Grüne Häuser • Sachbuch • Prestel, München 2024 • 220 Seiten • Hardcover • 38,00 € • im Shop

 

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.