10. Januar 2024

„Das Grauen von Dunwich“ als Coffee Table Book

Illustrator François Baranger macht den nächsten Lovecraft-Klassiker zum Erlebnis

Lesezeit: 3 min.

Viele Wege und Medien führen heute zum kosmischen Schrecken von Horror-Titan H. P. Lovecraft (im Shop). Nicht zuletzt die aktuellen XXL-Hardcover mit Lovecrafts Genre-Klassikern, die François Baranger (im Shop) seit einigen Jahren Splashpage um Splashpage, Doppelseite um Doppelseite illustriert. Baranger ist ein französischer Künstler, der schon an Filmen wie „Zorn der Titanen“ und „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ oder Videogames wie „Alone in the Dark: The New Nightmare“ mitwirkte. Im Dunstkreis von Lovecrafts einflussreichem Schaffen widmete sich Baranger mit seinen detailreichen, atmosphärischen Digitalbildern zunächst dem HPL-Überwerk „Cthulhus Ruf“ (im Shop), es folgte eine zweibändige Ausgabe von „Berge des Wahnsinns“ (im Shop), und jetzt liegt Das Grauen von Dunwich“ vor (im Shop). Baranger arbeitet sich also durch die Schlüsselwerke des omnipräsenten Cthulhu-Mythos.

Lovecraft siedelte die Erzählung „Das Grauen von Dunwich“, 1929 erstmals im Pulp Magazine „Weird Tales“ abgedruckt, in seinem berühmten fiktionalisierten Landstrich von Massachusetts, New England an, wo am Miskatonic River z. B. die berühmte Stadt Arkham liegt. Aber der Reihe nach. Die in Lovecrafts typischer Erzählmanier verfasste, höchstens etwas zu heroisch abgeschlossene Geschichte beginnt auf dem Land, eben im tendenziell inzestuösen Örtchen Dunwich aus dem Titel, beherrscht von abgelegenen Farmen und mysteriösen Bergen. Hier treibt die Sippe der Whateleys ihr hexerisches Unwesen, will sie den alten Göttern des Kosmos um Yog-Sothoth den Weg zurück in die Welt der Menschen ebnen. Der bestenfalls halbmenschliche Wilbur Whateley unternimmt beispielsweise große Anstrengungen, um für die Rituale der Familie eine vollständige Ausgabe des Necronomicon zu sichten, und wenn er es das okkulte Buch der Bücher der Bibliothek der Miskatonic University in Arkham stehlen muss. Doch damit macht Wilbur den Gelehrten Henry Armitage auf die Vorgänge in Dunwich aufmerksam, der sich mit zwei beherzten Kollegen dem Horror und letztlich dem Monster aus einer anderen Dimension entgegenstellt (und ein bisschen zu Van Helsing dieser Story wird) …

Auch in dieser illustrierten Fassung eines Lovecraft-Meilensteins nutzt François Baranger seine Fähigkeiten für viele große, stimmungsvolle Bilder, wobei er gleich mehrere wichtige Stationen von „Lovecraft Country“ für eine Begehung lebendig werden lässt: heruntergekommene Bauernhöfe im Nebel, verrufene Kultstätten in den Bergen, das legendäre Arkham als Zentrum der Aufklärung im Angesicht des Okkulten. In diesen Bereichen spielt der Franzose all seine Stärken aus, macht er Lovecrafts übernatürlichen Kosmos in der Natürlichkeit der Vergangenheit und der Architektur des Zerfalls, des Unheimlichen zu realen Orten. Und obwohl Comicgröße Joann Sfar in seinem Vorwort sagt, dass Monsieur Baranger genau das nicht tut, so enthüllt dieser in seinen Illustrationen doch sehr wohl auch die epischen Monstrositäten, die in Lovecrafts Texten so wortreich beschrieben, bei der Beschreibung aber sogleich ein wenig verwischt werden. Bisher hat es keiner Baranger-Adaption geschadet, Cthulhu oder Yog-Sothoth zu sehen.

Um außerdem noch mal den Gedanken vom Anfang aufzugreifen: Besonders schön an dieser Ausgaben der Lovecraft’schen Klassiker ist die Kombination ganz unterschiedlicher Dinge, Medien und Traditionen in Bezug auf den kosmischen Schrecken, den Cthulhu-Mythos. Das gewaltige Hardcover kommt im Format eines Coffee-Table-Books daher, hat jedoch den zweispaltigen Satz der alten amerikanischer Pulp Magazines, bzw. heutiger Heftromane. Barangers Digitalbilder wiederum könnten auch einem Rollenspiel oder einem Videogame mit Lovecraft-Motiven entstammen, oder überdurchschnittliche Concept-Art für einen Film bzw. gar eine Streaming-Serie wie „Stranger Things“ sein. Zusammen deckt das so ziemlich alles ab, wo H. P. Lovecraft drin war, die Weird-Fiction-Evergreens noch immer drin sind.

Obendrein hat man bei diesen ausladenden Bänden stets das nur allzu passende Gefühl, ein düsteres, verbotenes Zauberbuch aufzuschlagen – auf dessen Seiten einen François Baranger mit seiner Kunst noch tiefer in das köstliche Grauen des kosmischen Schreckens zieht, das unsere Popkultur so stark geprägt und das bis heute nichts von seiner Faszination, geschweige denn seiner Wirkung oder Intensität eingebüßt hat.

H. P. Lovecraft: Das Grauen von Dunwich • illustrierte Erzählung • Aus dem Amerikanischen von H.C. Artmann • Heyne, München 2023 • 64 Seiten • Hardcover • € 27,00 • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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