20. März 2023 1 Likes

„Class of ’07“ – Australische Weltuntergangs-Comedy

„Unsere Währung ist jetzt nur noch Essen und Wasser und Batterien und Tampons!“

Lesezeit: 3 min.

Wäre „Class of ’07“ nicht so übermütig, wäre die Serie der Horror schlechthin: Zoe (Emily Browning aus „Sucker Punch“) wollte eigentlich gar nicht zum Klassentreffen, doch plötzlich bricht rund um ihren Wohnwagen die Erde auf. Es tritt Wasser in rauen Mengen aus und ihr Handy zeigt an, dass sie sich auf erhöhtes Gelände begeben soll – also zur Schule, denn die liegt auf einem Hügel und der wird zur Insel, denn eine apokalyptische Flutwelle bricht los. Doch in dieser neuen Welt zu überleben, ist noch nicht mal das größte Problem, denn zwischen den ehemaligen Schulkameradinnen, unter anderem Zoes Ex-beste-Freundin Amelia, Ex-Klassentyrannin Saskia, Ex-Schülersprecherin Genevieve, Ex-Stipendiantin Phoebe und den beiden nach wie vor Drogen und Alkohol extrem zugeneigten Freundinnen Megan und Tegan gibt es jede Menge ungelöste Probleme – zu doof, dass Ärztin Renee in Wahrheit Nagelstylistin ist.

Dass „Class of ’07“ nicht im geringsten, nicht auch nur ansatzweise, Lust hat, sich in die nicht abreißende Flut an Weltuntergangsgeschichten einzureihen, macht die australische Comedy-Serie der Showrunnerin Kacie Anning bereits nach wenigen Minuten klar, denn da kackt eine Taube der Protagonistin in den Mund. Und auch im Folgenden gibt’s in Sachen Humor kein Pardon: Da wird uriniert und besonders gerne gekotzt und es irritieren Sätze wie „Ich hab gerade aus meinem Arschloch gefurzt“. Das hat aber nicht zwangsläufig was mit Entwicklungsstörungen von Anning und ihren Drehbuchautorinnen zu tun, sondern wohl eher damit, dass der australische Humor wohl generell recht direkt und derb sein soll, was sich nicht nur auf Körperflüssigkeiten beschränkt, denn es wird in ein paar Momenten relativ brutal. Von dieser Art Humor kann man halten, was man will, man muss zugestehen, dass keine Kompromisse gemacht werden, man merkt, dass die Sendung nicht aus Amerika kommt, die bigotte Ader vieler artverwandter amerikanischer Produktionen fällt weg.

Was man ebenso – erstaunt – feststellen wird: Inmitten dieser ganzen Grobschlächtigkeiten pocht ein warmes, einfühlsames Herz. Nach einem mauen Auftakt wird „Class of ’07“ zusehends besser, findet seinen Rhythmus, die Figuren entwickeln Profil und der Humor zündet öfter (bleibt aber tendenziell eher derb), wobei nie über die Figuren, sondern immer mit ihnen gelacht wird. Das zeigt sich besonders an Phoebe, die von der äußerst beleibten Komikerin Steph Tisdell gespielt wird, allerdings ist ihr Dicksein nie Thema, obwohl fast alle um sie herum deutlich mehr gängigen Schönheitsidealen entsprechen.

Die Serie begegnet ihren klar voneinander abgegrenzten Figuren mit Respekt und die Besetzung bedankt sich dafür mit Einsatzfreudigkeit – wobei vor allem Caitlin Stasey („Smile – siehst Du es auch?“, 2022) als Saskia, die eigentlich nicht in alte Muster zurückfallen will, sich dann aber doch wieder zur Tyrannin aufschwingt und die Mädels jeden Morgen zum Haare glätten zwingt, begeistert.

Apropos „Haare glätten“: Wenn es sich nicht gerade um zwischenmenschliche Probleme dreht, hangelt sich „Class of ’07“ am klassische Inventar von Motiven aus Survival Storys entlang, von der Nahrungsmittelknappheit bis hin zur verzweifelten Kontaktaufnahme mit der Außenwelt, allerdings natürlich mit einem eigenen, übermütigen, oft brachialen Dreh – die Vorgabe lautet hier: „Unsere Währung ist jetzt nur noch Essen und Wasser und Batterien und Tampons!“

Und so überdreht, jenseits aller Geschmacksgrenzen und zielunsicher das Ganze auch ist: Düsteres, ewig gleiches die-Welt-ist-am-Arsch-Gegrummel hatten wir jetzt wirklich oft genug – ein befreiendes Gefühl bleibt auf jeden Fall zurück.

Class of ’07 (Australien 2023) • Regie: Kacie Anning • Darsteller: Emily Browning, Megan Smart, Caitlin Stacey, Claire Lovering, Emma Horn, Steph Disdell, Sana’a Sheik, Rose Flanagan • Bei Amazon Prime Video

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