24. August 2019 1 Likes

Eigentlich altbekannt, aber trotzdem nett

„Endzeit“ - Öko-Zombie-Horror aus Deutschland –

Lesezeit: 4 min.

Ich hab mich in letzter Zeit ja bereits hier und da mal darüber ausgelassen, dass die lieben Kollegen derzeit klingen wie – um gleich mal einen direkten Bezug zum Thema zu schaffen – vom Zombie gebissen. „Endzeit“, die Adaption der gleichnamigen Graphic Novel von Olivia Vieweg (hier unser Interview), ist ein weiterer Fall, bei dem man sich beim Lesen von so mancher Rezension die Fußnägel Richtung Sonne biegen: Da wird sinnlos rumgefaselt, dass der deutsche Film der letzten vier Jahrzehnte (!) kacke ist und der hier somit quasi automatisch nichts taugen kann und da wird der back-to-nature-Message des Films, also, dass es am Besten wäre, wenn die Natur sich dem Menschen entledigt, da eh nur Fehler im System, „Menschenfeindlichkeit“ attestiert (Neues Deutschland), ganz Wagemutige wittern sogar „futuristischen Faschismus“ (critic.de). Beides ist natürlich kompletter Blödsinn, da die Geschichte sich eben nicht ihrer dystopischen Vision ergibt, sondern eher ein kreatives Chaos schildert, aus dem eine neue Chance erwächst. Andere wiederum schlagen ins komplette Gegenteil aus und jubeln „Endzeit“ praktisch zum nächsten Jahrhundertklassiker hoch, was – mal so ganz boshaft gedacht – vielleicht damit zu tun haben könnte, dass es sich um einen Zombiefilm handelt, der komplett von Frauen produziert wurde (was sich vor allem darin bemerkbar macht, dass die Zombies vor allem männlich sind). Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte: „Endzeit“ ist gut gemeint, gut gemacht, sehenswert und überhaupt darf man ja dem Herren danken, dass man sich im Heimatlande mal wieder an einen – wenngleich erkennbar niedrig budgetierten – Horrorfilm versucht hat, Nazis, Ossis und Matthias Schweighöfer hatten wir in den letzten Jahren nun mehr als genug. Aber er hat ebenso deutliche Schwächen, die sich nicht vom Tisch fegen lassen.

Die Geschichte setzt zwei Jahre nach der Zombie-Apokalypse ein: Um Weimar und Jena wurden Schutzzäune errichtet, die die fauligen Genossen fern halten; die einzige Verbindung stellt ein automatisierter Güterzug da, auf dem allerdings keine Personen mitfahren dürfen. Genau auf diesem Zug begegnen sich allerdings die völlig unterschiedlichen jungen Frauen Vivi (Gro Swantje Kolhof) und Eva (Maja Lehrer). Die beiden hoffen irgendwie nach Jena zu gelangen. Doch das Transportmittel bleibt plötzlich stehen und die beiden müssen ihren Weg zu Fuß fortsetzen – permanent vom Tod bedroht …


„Vivi und Eva blicken einer ungewissen Zukunft entgegen …“

Im Grunde wird nichts Neues erzählt, zwei Charaktere, so verschieden wie Tag und Nacht raufen sich gezwungenermaßen zusammen, trotzen allerhand Gefahren und haben am Ende eine gewisse Entwicklung durchgemacht – das Nervenbündel Vivi ist selbstbewusst geworden, die toughe Eva hat ihre sanfte Seite entdeckt. Weshalb das im Comic trotzdem bestens funktioniert, hat zum einen damit zu tun, dass Vieweg den Zombie-Horror an den Rand drängt und sich lieber ihren vielschichtigen, einsamen, traumatisierten Charakteren widmet und zum anderen damit, dass der Kontrast zwischen Form und Inhalt extrem steil ausfällt. Die Künstlerin setzt durch die Bank weg auf helle, freundliche Farben und einen Manga-beeinflussten, „netten“ Zeichenstiel (auf den ersten Blick könnte man das Buch durchaus für Kinderlektüre halten), was eine interessante Reibefläche zum oft überraschend finsteren, zuweilen schockierende Inhalt bildet.

Letzterer Aspekt fällt, auch wenn die Macher versucht haben, den Figuren und Settings möglichst nahe zu kommen, natürlich komplett weg, wodurch das Augenmerk natürlich stärker auf die Geschichte gelenkt wird und da wackelt’s zum Teil ganz schön. Es war nicht unbedingt die beste Idee die filmunerfahrene Vieweg ans Drehbuch zu setzen, denn die tut sich schwer ihr 288-seitiges Buch in einen 90-minütigen Spielfilm zu gießen. So wirken vor allem die Rückblenden in die Vergangenheit der beiden Protagonistinnen willkürlich eingestreut, finden keine so rechte Verbindung zur Handlung und neu hinzugekommene Sätze wie „Ich glaube, die Erde ist eine kluge alte Frau und die Menschen haben lange keine Miete bezahlt, und das da draußen ist die Räumungsklage“ kommen vor dem Laptop mit drei Glas Rotwein in der Birne sicherlich toll, reizen auf der Leinwand aber zum Kichern.


„Eva macht ernst!“

Gott sei dank hält sich die allzu große Schwadroniererei aber in Grenzen und „Endzeit“ konzentriert sich vor allem auf die in stilvollen Bildern eingekleidete, düster-melancholische, an ein paar wenigen Stellen überraschend blutige Reise der beiden jungen Frauen, die sich nicht nur mit Untoten und einer mysteriösen Gärtnerin (herrlich bizarrer Auftritt der wunderbaren Trine Dyrholm), sondern mit sich selbst auseinandersetzen müssen, was dank der Darstellerinnen, die so manch schwache Dialogzeilen durch Charisma wettmachen, durchaus bei Laune hält.

Aber höchstwahrscheinlich sind wir, also die Kollegen und meine Wenigkeit, letztendlich auch einfach nicht das richtige Publikum, es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass die Verantwortlichen mit ihrer Emanzipationsgeschichte vor allem mittel- und ganz alte Männer im Visier hatten.

„Endzeit“ lässt sich aus dieser Perspektive am besten mit dem Wort „nett“ beschreiben: Ein kleiner, gut gemeinter und gemachter Film, dem man trotz deutlicher Schwächen nicht so richtig böse sein kann. Könnte man jedenfalls durchaus mal ’ne faire Chance geben, sogar als mittel- oder ganz alter Mann.

„Endzeit“ läuft seit dem 22. August 2019 im Kino. Abb. Farbfilmverleih

Endzeit (Deutschland 2018) • Regie: Carolina Hellsgård • Darsteller: Maja Lehrer, Gro Swantje Kohlhof, Trine Dyrholm, Yûho Yamashita, Barbara Philipp, Marco Albrecht

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