„Snowpiercer“ - Die Reise nimmt an Tempo auf
Die 2. Staffel der dystopischen Reise beginnt rasant
Mit einem geschickten Schachzug endete die erste Staffel der dystopischen Serie „Snowpiercer“, mit einer feindlichen Übernahme, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Wir erinnern uns: Gerade als die vom Ex-Polizisten Layton (Daveed Diggs) angeführte Rebellion Erfolg hatte, als die Klassenunterschiede im schier endlos langen Zug, der seit dem Ende der Zivilisation ohne Pause durch vereiste Landschaften fährt, aufgehoben waren, tauchte aus heiterem Himmel ein zweiter Zug auf.
Doch keine Erlösung versprach dieses Big Alice genannte Gefährt, sondern das Auftauchen von Mr. Wilford (Sean Bean), dem Multimilliardär, der einst den Snowpiercer hatte bauen lassen und so die Menschheit gerettet hat. Bislang war er eine Chimäre gewesen, wurde nie gesehen, sprach nur scheinbar gelegentlich zu den Passagieren, zumal er – wie bald zu erfahren war – gar nicht an Bord war. Die immer undurchschaubare Melanie Cavill (Jennifer Connelly) hatte als Stimme von Wilford den Zug regiert und die wenig demokratischen Strukturen am Leben erhalten.
Damit war es am Ende der ersten Staffel vorbei, doch die Freude über die neugewonnene Freiheit währte nicht lang. Und was nun passiert macht Hoffnung, dass „Snowpiercer“ das Potential des Stoffes in einem Maße ausreizt, wie es auch Bong Joon-hos Kinoversion nur Ansatzweise schaffte: Dass der Zug, seine unterschiedlichen Abteile, der Slum des Hinterteils, die Luxuswaggons der vorderen Upperclass, eine Metapher für soziale Verhältnisse war, ließ sich schwer übersehen. Doch aus diesen Klassenkonflikten wurden kaum dramatische Konflikte entwickelt. Im Film wurde wenig mehr erzählt, als der Weg der Hauptfigur von hinten nach vorn, in der ersten Serienstaffel wurde dies durch eine halbgare Krimihandlung ersetzt.
Mit dem Andocken eines zweiten Zugs an die knapp 1000 Waggons des Snowpiercers, verändert sich das soziale Gefüge im Zug jedoch von einem Moment auf den anderen, die Bedrohung, die Wilfords Piraterie bedeutet nötigen Layton, den Helden der Revolution, den Verfechter der Demokratie, zu einer höchst undemokratischen Entscheidung: Er ruft das Kriegsrecht aus! Nicht für lange natürlich und natürlich nur, um Unruhen und Chaos zu verhindern, aber das hat man schon in vielen aufstrebenden Demokratien gehört, deren Anführer ihre Macht sehr bald missbrauchten und nicht mehr das Allgemeinwohl im Sinn hatten, sondern nur ihr eigenes.
Und während Layton im Hauptteil des Zuges auf einmal zum durchs Militär gestützten Herrscher avanciert, ist Melanie in den anderen Teil gewechselt, wo sie nicht nur auf ihren ehemaligen Boss Wilford trifft, sondern auch auf ihre Tod geglaubte Tochter Alexandra (Rowan Blanchard). Die hat sie einst zurückgelassen, unter Umständen, die im Laufe der Staffel sicher ebenso enthüllt werden, wie die Details ihres Verhältnisses zu Wilford. Das nun nicht nur unterschiedliche Klassen aufeinandertreffen, sondern mit unterschiedlichen Zügen auch zwei Welten, die sich jahrelang unabhängig entwickelt haben, verspricht einiges. Nach diesem Auftakt darf man gespannt sein, in welche Richtung sich die zweite Staffel von „Snowpiercer“ entwickelt und ob es gelingt, endlich das große Potential des Konstrukts auszureizen.
Snowpiercer, 2. Staffel • Creators: Josh Friedman, Graeme Manson • Darsteller: Jennifer Connelly, Daveed Diggs, Mickey Sumner, Sean Bean • jeden Dienstag eine neue Folge bei Netflix
Kommentare