17. Februar 2021

„Songbird“ - Ein Pandemie-Film während der Pandemie

Mit heißer Nadel gestrickt, aber doch nicht mehr als eine Ansammlung hübscher Ideen

Lesezeit: 3 min.

Ein Rat, den Filmstudenten immer wieder bekommen, lautet: Macht Filme über das, was ihr kennt. Ein Rat, der mit Vorsicht zu genießen ist, führt er doch immer wieder zu arg egozentrischen Nabelschauen. Im Fall von Adam Masons „Songbird“ liegt die Sache ein wenig anders, bei diesem während einer kurzen Atempause im Pandemie-Geschehen entstandenen Pandemie-Film stellt sich eher die Frage: Warum sollte man sich einen Film über etwas anschauen, dass seit einem dreiviertel Jahr das Leben bestimmt?

Während der ersten Welle, die im Frühjahr 2020 die Vereinigten Staaten erfasste wie kaum ein anderes Land, hatten Mason und sein Schreibpartner Simon Boyes die Idee, über die Pandemie, die Ausgangssperre, die Isolation einen Film zu drehen. Schnell war mit Michael Bay ein Produzent an Bord, der sich mit Extremsituation auskennt. Gecastet wurde per Zoom, geschrieben ohnehin, gedreht wurde dann im Juli an gerade einmal 17 Tagen, als erster Film nach dem zeitweiligen Abflachen der Welle.

Einige schöne Aufnahmen im fast menschenleeren Los Angeles entstanden so, Bilder einer entvölkerten Stadt, wie man sie aus Endzeit-Filmen wie „28 Days Later“, „Vanilla Sky“ und manch anderen kennt, mit dem Unterschied, dass diesmal keine Straßensperren oder Computereffekte nötig waren. Völlig unbehelligt konnte man mit einem kleinen Team filmen, wie Nico (KJ Apa) durch LA fährt, als Fahrradkurier, als einer der wenigen Menschen, die nicht gefährdet sind. Ein gelber Armreif weist ihn aus, unbehelligt kommt er so durch die massiv bewachten Straßensperren, die in dieser fiktiven Welt, ein paar Jahre in der Zukunft, Wirklichkeit geworden sind.

Nicht mehr von Covid-19, sondern von Covid-23 ist nun die Rede, die Todeszahl geht in die Millionen, längst sind alle Häuser und Appartements mit Luftschleusen ausgestattet, so das Lieferungen dekontaminiert werden können. Jeden Tag messen die Bewohner zudem via Handy-App ihre Temperatur, wer Fieber hat wird postwendend abgeholt und in die Q-Zone verfrachtet, aus der es keine Wiederkehr gibt.

Schöne Momente gelingen Mason hier, Szenen, in denen die aktuelle Situation glaubwürdig weitergesponnen wird, eine Welt imaginiert wird, in der die Pandemie endgültig zum Teil des Lebens geworden ist.

Weniger überzeugend ist die Handlung, die Nico auf seinem Fahrrad, später einem Motorrad auf Trab hält: Als Kurier hat er es unter anderem mit einem reichen Ehepaar (Demi Moore und Bradley Whitford) zu tun, die ihrer wohlhabenden Klientel gefälschte gelbe Armreife verkaufen, das Zeichen der Immunität, das Nico nun dringend für seine Freundin braucht. Zwar hat er Sara (Sofia Carson) bislang nur per Chat-App gesehen, doch er würde alles für sie tun, zumal er davon gehört hat, dass es an der mexikanischen Küste seit Monaten keinen neuen Ausbruch des Virus gegeben hat, das dort ein Leben in Freiheit möglich ist.

In Gestalt von Peter Stormare taucht auch ein Antagonist auf, und dass mit dem von Paul Walter Hauser gespielter Ex-Militär Dozer auch ein Veteran auftaucht, der mit seiner Drohne über den Nachthimmel wacht, darf man getrost dem Einfluss von Militär-Fan Bay zuschreiben. Hübsche Einzelteile sind das oft, eine ganze Riege etablierter Schauspieler und interessanter Newcomer, aber so ganz wollen sich die Teile nicht zu einem überzeugenden Ganzen fügen. Am Ende merkt man doch zu sehr, mit welch heißer Nadel „Songbird“ gestrickt ist, der zwar der erste Film über die Pandemie ist, aber am Ende dann doch nicht aufregender als es die Fernseh-Nachrichten im März waren.

„Songbird“ ist bei Amazon Prime zu sehen

Songbird • USA 2020 • Regie: Adam Mason • Darsteller: K.J. Apa, Sofia Carson, Craig Robinson, Bradley Whitford, Peter Stormare, Demi Moore, Paul Walter Hauser

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