„Wonka“ – Mehr zahmer Bär als Anarchist
Paddington-Regisseur Paul King macht Willy Wonka zum Musical-Helden
Die Vorbilder sind groß: Anfang der 70er Jahre war es Gene Wilder, der als erster in die Rolle des Willy Wonka schlüpfte, 2004 dann gar Johnny Depp, der auf dem Höhepunkt seines Ruhms im Film seines Lieblingsregisseurs Tim Burton Willy Wonka als Mischung aus Anne Wintour und Michael Jackson spielte, wie es ein amerikanischer Kritiker treffend beschrieb.
Nun übernimmt also der Jungstar Timothée Chalamet die Rolle in „Wonka“, in einem Prequel zum Burton-Film, der zeigt wie Wonka zu seiner Fabrik kam. Anfangs ist unser junger Held noch mittellos, kommt mit Hut und Koffer in eine Phantasiestadt, die mit ihrem Glaspalast à la Paris, italienischen Passagen und einem deutschen Zoo wie eine Mischung der Metropolen der der europäischen Jahrhundertwende wirkt. Dazu viel Dickens-Atmosphäre, allerdings Dickens für das Kinderprogramm: Denn auch wenn Wonka bald auf das finstere Pärchen Scrubbit (Olivia Colman) und Bleacher (Tom Davis) hereinfällt und zum Lohnsklaven wird: So richtig finster ist das alles nicht. Zumal er im Keller auf fünf Freunde trifft, darunter die weise Waise Noodle (Calah Lane), die ihm dabei behilflich sind, die Anfänge seines Schokoladenimperiums zu begründen.
Dem steht nur das Schoko-Monopol entgegen, das mit mittelmäßigen Pralinen den Markt beherrscht, während Wonkas Innovationen tatsächlich auch mal Flügel verleihen. Bis es soweit ist, bis die Schokoladenfabrik entsteht, müssen einige sanfte Hindernis überwunden werden bzw. eher weggesungen, denn Paul King hat aus dem Stoff ein veritables Musical gemacht, allerdings ein sehr altmodisches.
Ähnlich wie in seinen Paddington-Filmen stellt King auch seinen Willy Wonka als leicht naives, aber herzensgutes Wesen gegen finstere Mächte, was zwar leidlich gut funktioniert, aber den anarchisches Kern der Vorlage – und der früheren Verfilmungen – vergessen lässt. Mit gutem Willen könnte man zwar auch hier eine Fabel über die Methoden des Kapitalismus entdecken, über ausbeuterische Monopole und noch ausbeuterische Lohnsklaverei, aber das würde zu weit führen.
Dieser „Wonka“ ist in erster Linie Oberfläche, die oft auch phantastisch aussieht. Gerade wenn es ans Handgemachte geht, wenn die wunderbaren Sets, die phantasievollen Kostüme zur Geltung kommen entsteht für Momente eine magische Atmosphäre. Die leider des öfteren durch allzu billig wirkende, allzu aufdringliche Computereffekte zunichte gemacht wird, die eine unangenehme Künstlichkeit ausstrahlten.
Und dann ist da Hauptdarsteller Timothée Chalamet, der seit seinem Durchbruch in „Call Me by Your Name“ als große Schauspielhoffnung bezeichnet wird. Völlig zurecht, aber seit jener wunderbaren, zarten Liebesgeschichte sucht Chalamet nach einem Film, in dem seine Talente wirklich zur Geltung kommen. Sowohl im Mega-Blockbuster „Dune“, als auch hier steht er seltsam neben sich, agiert charmant wie immer, singt und tanzt zwar akzeptabel, aber der Funke will nicht recht überspringen.
Ohne Ecken und Kanten läuft diese Wonka-Geschichte ab, als bonbonbuntes Musical, das somit vielleicht als netter Weihnachtsfilm überzeugen mag, aber nicht als Verfilmung der oft abgründigen, unterschwellig anarchischen Erzählungen von Roald Dahl
Wonka • USA 2023 • Regie: Paul King • Darsteller: Timothée Chalamet, Calah Lane, Hugh Grant, Olivia Colman
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