Das Beste aus 2021
Ein Jahresrückblick und die Weihnachtsempfehlungen der Redaktion
Der zurzeit gängige Witz geht so: Den aktuellen Verlauf der Ereignisse rund um die weltweite Corona-Pandemie hätte jede Lektorin, jeder Regisseur und jede Game-Designerin rundweg abgelehnt. Viel zu unplausibel! Nicht ein, sondern mehrere Impfstoffe sind gegen eine weltweite Seuche vorhanden – und die Leute lehnen sie ab?! Tja. Aber zum Glück war nicht alles in 2021 virenverseucht, wie der Jahresrückblick und die Weihnachtsempfehlungen unserer Redaktion beweisen. Es gibt noch jede Menge große und gute Geschichten zu entdecken!
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen eine frohe und gesunde Weihnachtszeit.
Ihre diezukunft.de-Redaktion
Elisabeth Bösl
BuchMit „Das Ministerium für die Zukunft“ (Heyne) stellt Kim Stanley Robinson einmal mehr unter Beweis, dass er zu Recht als einer der wichtigsten Autoren gilt, die sich mit dem Thema Klimawandel beschäftigen. Umfassend recherchiert und trotz aller Katastrophen immer auf das Positive schauend – ein wahres Meisterwerk der Climate Fiction! |
KlassikerMich hat in diesem Jahr ganz besonders gefreut, dass die Werke von Octavia Butler eine Renaissance feiern. „Wilde Saat“ (Heyne) ist einer der besten Romane, die der Afrofuturismus zu bieten hat, und erzählt eine Geschichte, die von der fernsten Vergangenheit bis in unsere Zukunft hinein reicht. Ein großer Klassiker – und ein toller Schmöker! |
Space OperaFünf Menschen in einem KI-gesteuerten Schlachtschiff im Kampf gegen grausame Aliens – mit einem besonderen Twist, den ich hier nicht verraten will: Max Barrys „Providence“ (Heyne) ist kurzweilig, actiongeladen und tiefgründiger, als es auf den ersten Blick scheint. Mein Weltraumopern-Highlight! |
TV-SerieVon allen bemerkenswerten Serien dieses Jahr hat mich Pretend it’s a City (Netflix) am besten unterhalten: Die scharfzüngige Kolumnistin und Schriftstellerin Fran Lebowitz und Regisseur Martin Scorsese unterhalten sich über das Leben in New York City, Kultur, Busfahrer, Ausflüge in die Natur und vieles mehr. Absolut sehenswert, kurzweilig und zum Schreien komisch! |
GameMein schönstes Spiel 2021 ist das kooperative Abenteuer-Brettspiel Set a Watch (Rock Manor Games). Darin ziehen vier mutige Helden los, um das Königreich vor Monstern zu retten, die aus Wäldern, Höhlen und Friedhöfen kommen und gemeinschaftlich besiegt werden müssen, was mitunter einiges an Knobelei erfordert! |
DingIch schaue eigentlich keine Kochsendungen, aber wenn James May den Löffel schwingt, kann ich nicht widerstehen. Dank Oh Cook! (Prime Video) habe ich mein neues Lieblingsgadget entdeckt: Den Leifheit Comfort Food Chopper Deluxe, oder, wie wir ihn nennen, den „Chopper-Upperer“, einen Zwiebelschneider, der mein Leben verändert hat. Wirklich. |
FailDer Rückzug der Truppen aus Afghanistan, das subsequent von den Taliban „eingenommen“ wurde. Dieses letzte Kapitel in einer langen Geschichte voller fataler Fehler muss, wie immer, die Bevölkerung vor Ort ausbaden, vor allem Frauen und Mädchen. Da fehlen mir die Worte. |
HighlightDie gelungene Landung des NASA-Rovers Perseverance am 18. Februar 2021 im Krater Jezero war mein Highlight in einem weiteren Jahr voller schlechter Nachrichten. Seitdem habe ich den ersten Helikopterflug der Drohne Ingenuity mitverfolgt, atemberaubende Sonnenuntergänge gesehen und dem Wind zugehört, der über Jezero hinwegstreift. |
Stefanie Brösigke
BuchMarion Herzog ist mit ihrem Science-Fiction-Debüt „Algorytmica“ (Heyne) die Neuentdeckung des Jahres. In einer Mischung aus „Matrix“ und „Metro“ erzählt sie packend und unverwechselbar die Geschichte einer postapokalyptischen Gesellschaft, die Kilometer tief unter der Erde eingeloggt in virtuelle Welten ein abgeschottetes Leben führt – bis eines Tages der Strom ausfällt … |
KlassikerEs wird allerhöchste Zeit, dass Octavia Butler wieder- bzw. neuentdeckt wird. „Wilde Saat“ (Heyne) erzählt die Geschichte des Jahrhunderte umspannenden Kampfes zweier Unsterblicher, der den Lauf der Menschheitsgeschichte für immer verändern wird. Der Roman ist nicht nur ein großer Klassiker, sondern ein Wegweiser in die Zukunft des Genres … |
Space OperaAls ich den neuen Roman von Andy Weir gelesen habe, war ich schlichtweg begeistert. „Der Astronaut“ (Heyne) überzeugt mit einem genialen Helden, der mutterseelenallein in einem Raumschiff in die nächste Galaxie unterwegs ist. Ach ja, und nebenbei muss er mal eben die Welt retten. Humorvoll, spannend und mit interessanten wissenschaftlichen Details knüpft Andy Weir erzählerisch damit an seinen Megabestseller „Der Marsianer“ an. |
FilmDenis Villeneuve hat mit Dune (Warner Bros.) vermutlich die großartigste Romanverfilmung der letzten Jahrzehnte vorgelegt. Es ist unglaublich, was inzwischen technisch alles möglich ist. Dennoch versteckt sich Villeneuve nicht hinter Spezialeffekten sondern bleibt Frank Herberts Vorlage treu. Dune ist im wahrsten Sinne des Wortes ganz großes Kino. |
ComicEr ist wieder da, der kleine Gallier mit den übermenschlichen Kräften! In ihrem inzwischen 39. Abenteuer verschlägt es Asterix und Obelix ins Barbaricum, wo sie verhindern müssen, dass Cäsar einen sagenumwobenen Greif in seine Gewalt bringt. Frech, witzig und mit messerscharfen Anspielungen auf aktuell kursierende Verschwörungstheorien ist „Asterix und der Greif“ (Egmont) ein absolutes Lesevergnügen. |
DingSo gerne ich über etwas anderes schreiben würde, aber auch 2021 war das Ding, das das Leben rund um den Globus dominiert hat, leider Corona. Und inzwischen sollte uns allen klar sein, dass Pandemien, Umweltkatastrophen und ähnliches auch in unserer so sicher geglaubten westeuropäischen Zukunft lauern, wenn wir nicht bald etwas ändern … |
FailDer Aluhut, Sinnbild der abstrusesten Verschwörungstheorien, ist für mich im Laufe des Jahres zum roten Tuch geworden. Warum man Wissenschaftlern und Experten, die jahrzehntelang auf einem Gebiet forschen, misstraut und sich dafür der Expertise durchgeknallter Ex-Fernsehköche zuwendet, werde ich wohl nie verstehen. Ist aber vielleicht auch besser so … |
HighlightNoch mehr herbeigesehnt als den Kinostart von Dune habe ich – wie vermutlich viele andere auch – die Freigabe eines Impfstoffes gegen SARS-CoV-2. Dass BioNTech innerhalb so kurzer Zeit ein wirksames Vakzin entwickelt hat, ist für mich eine der größten wissenschaftlichen Leistungen nicht nur diesen Jahres. |
Christian Endres
BuchBei „Der Netzwerkeffekt“ (Heyne) handelt es sich nach dem Sammelband mit den ursprünglichen Novellen um den ersten Killerbot-Roman von Martha Wells. Ihre Hauptfigur ist eine herrlich neurotische und krasse Mischung aus Sheldon Cooper und dem Terminator – und ohne Zweifel das Beste, was der Science-Fiction in Sachen Erzählperspektive in letzter Zeit passierte. |
KlassikerDurch Tolkien, Pratchett und die „Dämonen-Reihe“ von Robert Asprin wurde ich zum Büchersammler. Bobs Roman „Ein Dämon zu viel“ (Blanvalet) von 1978 wurde gerade neu aufgelegt und weckt viele Erinnerungen. Skeeve, Aahz, Tanda, Gliep und die übrigen Figuren sind wie alte Freunde, und die Mischung aus Funny Fantasy und dimensions-hüpfender Science-Fiction hat bis heute viel Charme. |
Space OperaMit ihrem Comic „Auf einem Sonnenstrahl“ (Reprodukt) legte die damals 20-jährige Tillie Walden eine beeindruckende Space Opera vor. Auf über 500 Seiten geht es um queere junge Liebe, ein Internat im All, Fischraumschiffe, Grenzland-Trouble und mehr. Wunderschön illustriert, nahe am Manga, inhaltlich so magisch wie ein Studio-Ghibli-Anime: das Meisterstück eines Ausnahmetalents, 2021 endlich auf Deutsch erschienen. |
TV-SerieSweet Tooth? Loki? Inside Job? Atypical? Star Wars: The Bad Batch? Masters of the Universe? Love Death & Robots? Suits? Von wegen! Am meisten habe ich mich dieses Jahr auf die neuen Folgen der sensationellen zweiten Staffel von Star Trek: Lower Decks (Prime Video) gefreut. Und dabei würde ich mich nicht als Trekkie bezeichnen – was das Lob fürs Unterdeck und seinen Meta-Humor umso größer macht, Boimler. |
ComicIch bin selbst überrascht, mit „Far Sector“ (DC Comics) hier einen Green-Lantern-Comic zu sehen. Doch der US-Sammelband der Maxiserie von N. K. Jemisin und Jamal Campbell überragt alles. Starke, vielfältige Figuren, eine innovative Alien-Gesellschaft auf einem fernen Planeten, coole Cyberpunk-Ideen, gute Laternen-Action, atemberaubende Hochglanz-Bilder und massig Wow-Momente. So geht Science-Fiction. |
DingDiesen Sommer bescherte uns Berkeley Breathed ein weiteres Crossover zwischen seinem Comicstrip „Bloom County“ und „Calvin und Hobbes“ seines Freundes Bill Watterson. Diesmal erstreckte sich das Treffen über mehrere Wochen, derweil Tiger Hobbes in der Welt von Milo, Opus und Co. landete. Ein unerwartetes Social-Media-Vergnügen und der einzige Grund, Facebook zu öffnen. |
FailWas der Detektiv-Krimi Stumptown, die gender-swappende Neuinterpretation von High Fidelity und das Guilty-Pleasure Reef Break gemein haben? Jede dieser TV-Serien hab ich 2021 gebinged – und dann war nach der ersten Staffel Schluss! Alles nur Corona oder doch ein Zeichen dafür, dass die vielen Serien und Plattformen nicht nur unsere Zeit, sondern einander auch gegenseitig auffressen? |
HighlightIm März wurde meine SF-Kurzgeschichte und Cyber-Fabel „Wer hat Angst vorm bösen W@lf?“ im Magazin „Spektrum der Wissenschaft“ veröffentlicht. Man kann sie übrigens noch immer kostenlos als PDF herunterladen. Sorry für die Autoren-Egozentrik, aber da wir nach wie vor Apokalypsen-Bingo spielen … |
Bernd Kronsbein
BuchKim Stanley Robinson hat mit „Das Ministerium für die Zukunft“ (Heyne) etwas Bemerkenswertes geschafft. Er hat einen Roman über den Klimawandel geschrieben, der die Lage schonungslos analysiert, aber dennoch nicht verzweifelt. Der unterhaltsam ist, aber nie seicht. Das ist erstaunlich, mal ernüchternd, mal aufbauend. Literatur auf der Höhe der Zeit, wie es sie nur selten gibt. |
Klassiker„Die Schneekönigin“ von Joan D. Vinge war 1981 die Erfüllung eines Versprechens. Die Autorin war ein junger Star der SF, weil sie (und andere) der Space Opera eine entschieden weibliche Perspektive verpasste, ganz ohne „ideologischen“ Ton. Auf den umfangreichen Roman konnten sich sehr viele einigen, weil er farbig, intelligent und atemberaubend war. Zwei Fortsetzungen folgten – zusammen ein Meilenstein der jüngeren SF. Neuausgabe überfällig. |
Space OperaIn seinem dritten Roman macht Andy Weir glasklar, dass mit ihm zu rechnen ist. „Der Marsianer“ war definitiv keine einmalige Sache, sondern nur der erste Schritt. „Der Astronaut“ (Heyne) geht nun von einer ähnlichen Prämisse aus wie Weirs Debüt, entwickelt sich dann aber in eine gänzlich andere Richtung weiter. Das hat große Klasse und ist grandios unterhaltsam. Nicht einmal eine Verfilmung möchte man da haben, obwohl das vermutlich unvermeidlich ist. |
Comic„Stray Toasters“ von Bill Sienkiewicz wurde nach 30 Jahren endlich auch hier verlegt, und Himmel!, was für ein irres Teil. Ein dystopisches Mystery und Familiendrama um einen Kindermörder in einer Welt, in der kaum noch Mädchen geboren werden, grafisch präsentiert als Feuerwerk des Eklektizismus. Sperrig, anstrengend, fordernd, aber wenn man das Puzzle fertig hat, ist man überglücklich. |
Film„16 Stunden Ewigkeit“ (The Map of Tiny Perfect Things) entstand nach einer Story von Lev Grossman und ist vielleicht der perfekte „Murmeltier“-Film. Ian Samuels (Regie) kaspert nicht lange rum und macht gleich klar, was hier läuft. Und er entwickelt daraus eine bezaubernde, amüsante, mitunter rührende Geschichte, in der kein Arschloch ein besserer Mensch werden muss, um die Zeitschleife zu verlassen. Möchte man gleich nochmal sehen. |
GameDie Erde ist kaputt, auf dem Mars ist’s längst nicht so schön, also reisen die reichsten der Reichen ab und an zurück zur Erde, um in der postapokalyptischen Landschaft Golf zu spielen. „Golf Club Wasteland“ ist eine Sportsimulation mit kleinen Knobeleinlagen, wunderbare Satire und genau das richtige für „Zwischendurch“. Tolle Idee, nett umgesetzt, macht einen leicht sprachlos. |
FailCOP 26. Eigentlich fällt einem dazu schon gar nichts mehr ein. Hat überhaupt jemand erwartet, dass etwas dabei herauskommt? Vermutlich nicht. Man hakt das ab, wischt es weg, zuckt mit den Achseln. Vielleicht sollte man die nächste UN-Klimakonferenz gleich umbenennen in DEATH WISH 101, damit bloß keiner mehr Hoffnung schöpft, dass sich noch etwas ändert. |
HighlightBoy Meets Girl im Corona-Lockdown, via Internet, er (James Krishna Floyd) sitzt in London, sie (Hannah Hoekstra) in Amsterdam. Der Film Love in a Bottle von Paula van der Oest reduziert die Love Story mit umwerfendem Charme auf die absolute Essenz – und findet auch immer wieder kleine Untiefen, die schmerzhaft unter die Haut gehen. Ein echtes Corona-Wunder – möchte man immer wieder sehen. |
Sascha Mamczak
BuchEine magische Vater-Sohn-Geschichte, eine Reise zu fernen Planeten, eine Meditation über die Frage, warum wir unfähig sind, die Schönheit unseres eigenen Planeten zu erkennen. Im Original heißt der neue Roman von Richard Powers „Bewilderment“, was deutlich mehr an Bedeutung und Gefühl transportiert als das „Erstaunen“ (S. Fischer) der deutschen Fassung. Aber erstaunlich ist hier trotzdem alles. |
KlassikerOkay, Arkadi und Boris Strugatzkis „Stalker“ (Heyne) einen Science-Fiction-Klassiker zu nennen, ist in etwa so, als würde man Roger Federer als guten Tennisspieler bezeichnen. Will sagen: So wie Tennisspieler gibt es auch Bücher, die in ihrer eigenen Liga spielen. „Stalker“ (respektive „Picknick am Wegesrand“) ist ein Jahrhundertbuch, und sollten Sie es wirklich noch nicht gelesen haben, ist jetzt die beste Gelegenheit dazu. |
Space OperaVon heute aus gelesen, kann man gegen Isaac Asimovs „Foundation“-Trilogie (Heyne) so einiges einwenden: die papiernen Charaktere, die endlosen Dialoge, natürlich auch der berühmte nuklearbetriebene Aschenbecher. Und die Space Opera erfunden hat Asimov damit auch nicht. Aber er hat ihr als erster Autor eine zeitliche Dimension verliehen – und allein das macht sein Opus magnum bis heute lesenswert. |
FilmEigentlich müsste man bei Carmen Losmanns Dokumentarfilm Oeconomia (ZDF/3sat) vor Scham im Boden versinken, denn es sind nicht nur ihre zombieartigen Interviewpartner, die sie dabei ertappt, dass sie über das, was sie tagtäglich tun, überhaupt nicht nachdenken. Nein, sie ertappt uns alle. Oeconomia ist ein fulminantes Zeitdokument, Historikerinnen und Historiker des 22. Jahrhunderts werden ihre Freude daran haben. |
ComicYuval Noah Hararis Weltbestseller „Sapiens“ (C.H. Beck) als Comic? Braucht es das? Durchaus, wenn Sie ein Weihnachtsgeschenk für einen jungen Menschen suchen, der verstehen möchte, was die Lebensform Mensch in den letzten Jahrtausenden so getrieben hat. Oder verstehen sollte. Klar, das Ganze ist Didaktik pur, aber es macht auch Spaß zu lesen. Gerade ist der zweite Teil erschienen. |
DingKein Ding. Im Sommer ging ich an einem Plakat vorbei, das mit dem Slogan „Schütze, was du liebst“ für eine Handyhülle warb. Erst musste ich lachen, dann fiel ich in eine Depression – gegen die ich bis heute ankämpfe, indem ich mich von allerlei Zeug trenne, das ich irgendwann einmal zu brauchen meinte. Tut gut. Und übrigens: Weniger ist nicht mehr. Weniger ist weniger. |
FailDie Irrsinnspointe des Jahres 2021 versank schnell wieder in den Nachrichtenfluten, also hier noch einmal fürs Protokoll: Am 23. März blieb das Containerschiff Ever Given im Suezkanal hängen und brachte damit den globalen Güterverkehr ins Stocken. Die Folge: akute kapitalistische Weltuntergangspanik, denn, so das Dogma, die Waren sind doch „ewig gegeben“. Hätte sich kein Satiriker besser ausdenken können. |
HighlightZum Glück gab es aber noch das Gegenprogramm: Ende November stoppte die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler den Bau des Wiener Lobautunnels. Das ist beileibe keine kleine regionale Meldung, sondern schlicht eine Sensation: Ein riesiges Autobahnprojekt, an dem jahrzehntelang geplant wurde, wird zu den Akten gelegt. Weil die Zukunft nicht zugebaut werden sollte. Weil es auch anders geht. |
Sebastian Pirling
BuchAls „Klara und die Sonne“ (Blessing), der neue Roman Kazuo Ishiguro, auf Deutsch erschien, haben viele darin nur die Story einer künstlichen Intelligenz gesehen. Ich habe dieses meisterhafte Buch anders gelesen – als einen „Blick von außen“ auf uns Menschen. Als eine Beobachtung, dass wir alles, was wir hervorbringen, selbst unsere Maschinen und unsere Fehler, menschlich machen. Lupenreine Science-Fiction, und große Literatur noch dazu! |
KlassikerEine weitere kleine Sensation: Jonathan Carrolls Meisterwerk „Das Land des Lachens“ (Heyne) von 1980 wurde wieder neu aufgelegt, mit einem Nachwort von Literaturkritiker und Genrekenner Denis Scheck. Ein Buch für alle Buchliebhaber, die am liebsten zwischen die Zeilen und in die Wortzwischenräume ihrer Lieblingsgeschichten kriechen wollen – denn Carroll ermöglicht uns genau das, auf atemberaubende Weise. |
Space OperaBei Apple TV+ ist diesen Herbst die lange erwartete Verfilmung von Isaac Asimovs „Foundation“ angelaufen. Dieses galaktisches Abenteuer hat schon ein Dreiviertel-Jahrhundert auf dem Buckel – wie gut, dass uns T. S. Orgel mit „Behemoth“ (Heyne) dieses Jahr gezeigt haben, wie weit die Space Opera inzwischen gekommen ist! |
FilmDas Spektrum der Reaktionen auf Denis Villeneuves Neuverfilmung von Dune (Warner Bros.) reicht von Befremden über die spärlichen Erläuterungen zu Frank Herberts Weltenbau bis zu großer Begeisterung über die audiovisuelle Wucht, mit der uns der Regisseur auf den Wüstenplanet schleudert und in eine mythische Zukunftsgeschichte mitnimmt. Nun, ich gehöre zur zweiten Fraktion, vorbehaltlos. |
GameDass der Brettspielmarkt in der Pandemie um mehrere Milliarden Dollar gewachsen ist, gehört zu den seltsamen Effekten dieser Zeit. Daran bin unter anderem ich Schuld – ich habe nämlich das Spielen mit Tabletop-Minifiguren für mich (und meine Kids) entdeckt. Genauer gesagt, „Star Wars: Legion“ (Asmodee). Jetzt male ich also kleine Sturmtruppler an und erobere (Piu! Piu!) den Küchentisch. |
DingDas Thema Star Wars hat mittlerweile jeden Aspekt des Alltagslebens erreicht. Bester Beweis: die neue Grillschürze, die ich von wohlmeinenden Kollegen zum Geburtstag bekommen habe. Die Aufschrift „Ich bin dein Brater“ wendet den wohl bekanntesten Spoiler im Outer Rim in etwas heimlig-vorgartenhaftes. Und da gehört es ja auch hin, gleich zu den Grillkartoffeln und den gefüllten Zucchini, oder? |
FailQuarantäne ist Mist. Besonders für meinen Sohn, der im November gleich zweimal zu Hause bleiben musste, weil in Schule und Tagesheim die Corona-Ansteckungen umgehen. Aber noch ärgerlicher als diese sinnvolle Maßnahme war und ist das politische Geschachere um Querdenker-Wählerstimmen auf dem Rücken von Kindern und vielen anderen. Das ist mein Tiefpunkt des Jahres. |
HighlightAls in der Phase der Ladenschließungen diesen Frühling auch alle Lesungen im Buchhandel abgesagt werden mussten, hatte der Heyne Verlag die Idee zur Videostream-Eventserie #AndereWeltenLive. Das Gespräch, das ich dabei mit Kathleen Weise über ihren Roman „Der vierte Mond“ führen durfte, war definitiv ein Highlight! |
Alexander Schlicker
BuchWas bedeutet Liebe, wenn es um das eigene Kind und eine künstliche Intelligenz geht? Auch wenn manche Kritiker Kazuo Ishiguros jüngstes Werk als Kitsch fehlgedeutet haben, berührte mich „Klara und die Sonne“ (Blessing) von der ersten Seite an. Die Feinfühligkeit in der Beobachtung bei gleichzeitiger Härte in der Kunst subtiler Andeutung, machten die Erlebnisse des menschlichen Roboters Josie für mich zur emotionalen Achterbahnfahrt. |
Space OperaVielleicht streng genommen keine Space Opera, aber ich möchte dieses wunderbar griffig erzählte Werk unbedingt auf dieser Liste sehen. Kathleen Weise legt mit „Der vierte Mond“ (Heyne) einen klugen und gerade auf Figurenebene ungemein vielschichtigen Roman über die Folgen einer bemannten Jupitermission vor, der sich auch ohne billige Effekte zum echten Page Turner entwickelt. Liebe Frau Weise, bitte mehr davon! |
ComicDas einfach nur unglaublich niedliche und dennoch hintergründige Konzept des Schweizers Andreas Kiener, düster angehauchten Cyberpunk mit einer kindlichen Heldin und ihrem knuffigen Robo-Teddy zu erzählen, hat mich auf den ersten Blick gefesselt. Aber nicht nur visuell ist „Unvermögen“ (Edition Moderne) ein echter Tipp für kleine wie große Genrefans. Hat sich auch als Geschenk schon sehr gut gemacht. |
FilmSchon die erste Fassung kam mir in der Bewertung zu schlecht weg (wie „Wonder Woman 1984“ auch by the way), doch spätestens der sogenannte Snyder Cut beweist, wie viel Potenzial „Justice League“ als DC-Klimax in sich trägt. Wer sich diese komplett überepischen vier Stunden geballte Heldenpower reinzieht, wird mit erzählerischem Feinschliff, mehr inszenatorischer Kante und natürlich so manchem Snyderschen Irrsinn eingedeckt – großes Kino! |
GameDass ich nach einem eher lauen Spielejahr hier nun „Resident Evil Village“ (Capcom) nenne, ist wirklich nur meiner unverbrüchlichen Fantreue zuzuschreiben. Denn dieser unentschlossene Mischmasch aus allerlei Horror- und Gameplayversatzstücken bietet genug Kritik, um in der Luft zerrissen zu werden. Aber wer Resi immer noch mag, hat eben auch diesmal wieder viel Spaß – und um nichts anderes geht es schließlich. |
DingNicht nur in Pandemiezeiten tut es dann und wann ganz gut, sich einfach mal wieder ein bisschen retro zu fühlen. Dafür brauche ich aber kein „Wetten, dass…?“ oder andere Formate (Ok, vielleicht mit Ausnahme der neuen „He-Man“-Serien auf Netflix), sondern einfach nur ein klassisches Überraschungsei. Bloß in Sachen Nachhaltigkeit kommt trotz Spannung, Spiel und Schokolade dann doch wieder der Erwachsene in mir durch. |
FailZu oft holen sich Menschen noch immer gedankenlos Tiere in die eigenen vier Wände, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass sie Verantwortung für ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen übernehmen. Wenn ich Meldungen wie diese lese, wonach in den letzten Monaten Tiere, die Menschen durch die Corona-Krise begleitet haben, wieder verstärkt in die Tierheime abgeschoben werden, macht mich das wütend und traurig. |
HighlightDieses Jahr war es für uns in der Familie immer etwas Besonderes, mit Freunden einfach mal nicht von der Pandemie überschattete Zeiten zu verbringen. Das war 2021 natürlich viel zu selten der Fall (und oft auch nur digital), aber gerade gemeinsame Rollenspiele wie die Krimidinner-Reihe Culinario Mortale waren dafür einfach der Knaller. Unbeschwert Zeit miteinander verbringen zu dürfen – ein leider oft unterschätztes Gut. |
Sonja Stöhr
BuchIch bin ein großer Fan von Matt Haig. Kein Wunder also, dass „Die Mitternachtsbib- liothek“ (Droemer) zu meinen Lieblingsbüchern dieses Jahres gehört. Der Brite schafft es wie kein zweiter, Melancholie und Hoffnung in Einklang zu bringen. Mit seiner neuesten Geschichte gibt er wohl vielen seiner Leserinnen und Lesern gerade genau das, wonach sie sich sehnen: Ein bisschen Zuversicht für die Zukunft. |
KlassikerIn den vergangenen Jahren haben Autorinnen wie Nnedi Okorafor, N. K. Jemisin und Tomi Adeyemi die Phantastik bereichert. Ihre afro- und africanfuturistischen Werke öffnen die Tore zu einer eigenen Ästhetik, Kultur und Philosophie, in denen Rassismus genauso thematisiert wird wie afrikanische Mystik. Eine ihrer wichtigsten Vertreterinnen war und ist Octavia Butler. Wer ihr Schaffen neu entdecken möchte, dem sei „Wilde Saat“ empfohlen (Heyne). |
ComicDer Wunsch nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist die treibende Kraft in Cyril Pedrosas und Roxanne Moreils „Das Goldene Zeitalter“ (Reprodukt). Jenes verspricht der Ständegesellschaft eine fast schon Morus’sche Utopie. Doch wie so oft gründet sie nicht auf guten Worten, sondern auf Gewalt. Diese setzt das Kreativduo expressionistisch in Szene – und erzählt eine Geschichte über Ideale und Menschen, die alles dafür aufs Spiel setzen. |
TV-SerieNiccolò Ammanitis Roman von 2015 gehört wohl zu den besten, die jemals über eine Viruspandemie geschrieben wurden. Im Nachhinein betrachtet hat er etwas leicht Prophetisches, sucht doch eine Seuche Italien ausgerechnet im Jahr 2020 heim. Anna (Arte) ist als Serie genauso poetisch und mitreißend wie Ammanitis Worte. Keine leichte Kost, aber eine, die sich lohnt – egal ob gedruckt oder verfilmt. |
GameIch bin kein großer Fan von JRPGs oder von RPGs. Aber wenn so ein fantastisches Zeitabenteuer wie Cris Tales (Dreams Uncorporated/SYCK) am Videospielehorizont auftaucht, werde selbst ich schwach. Und wie kann man die Geschichte um die Zeitmagierin Crisbell und ihre Gefährten, die die ruchlose Zeitkaiserin in die Schranken weisen möchten, nicht mögen – ganz zu schweigen von diesem tollen Zeichenstil? |
DingIn einem anderen Universum ist der Pilot G-Tec-C4 vermutlich in der Lage, einen Todesstern zu zerstören. Hier unten auf der Erde ist der Gelschreiber ein wunderbares Werkzeug zum Skizzieren und Zeichnen – und viel zu lange von mir unentdeckt geblieben. Ein feines kleines Instrument, wenn man die Zukunft mal im Bild festhalten möchte. |
FailEintracht Frankfurt vergeigt die historische Chance, in der Champions League zu spielen. Die Diva gegen PSG, gegen Liverpool, gegen Inter? Daraus ist leider nichts geworden. Aber der Fan-Traum lebt weiter! Und wer weiß, vielleicht schreibt ja mal jemand einen Roman über ein hessisches Paralleluniversum, in dem die Adler ein paar Große so richtig ärgern … |
HighlightDie Zaungäste im Home Office: Manche sind bunt gefiedert, andere flauschig bepelzt – und manchmal fressen sie einem sogar aus der Hand. |
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