31. August 2015 3 Likes

Wundertüte Pluto

Neue Aufnahmen zeigen: Langweilig ist es auf dem ehemaligen Planeten nicht

Lesezeit: 3 min.

Vor nicht einmal hundert Jahren wurde der letzte Planet unseres Sonnensystems entdeckt – weit, weit weg, auf einer merkwürdig schiefen und extrem elliptischen Umlaufbahn gondelt Pluto durch die eisigen Randgebiete des Sonnensystems. Sechsundsiebzig Jahre später, im August 2006, wurde ihm dann nach langer Debatte der Planetenstatus wieder aberkannt. Warum? Er ist schlicht zu klein, verglichen mit den anderen Objekten in seinem Orbit, und gemäß neuen Richtlinien zur Definition eines Planeten muss ein solcher bei weitem der größte Körper in der Umgebung sein.

So weit, so gut. Pluto bekam damals viel mediale Aufmerksamkeit, blieb aber irgendwie als der degradierte Planet im Gedächtnis hängen. Im Laufe dieses Jahres bekam er dann aber endlich seine große Chance, das kollektive Interesse der Menschheit wieder auf sich zu ziehen: New Horizons, die Sonde, die zu seiner Erforschung losgeschickt wurde, als Pluto offiziell noch als Planet galt, kam nach ihrer beinahe zehnjährigen Reise endlich in die Nähe des mysteriösen Zwergplaneten, den wir bis dahin nur als blassen, pixeligen Klops kannten.

Und die Forscher schrien laut „Hurra!“, als das lang ersehnte Fly-by-Manöver gelang und New Horizons uns mit der qualvoll langsamen Übertragungsrate eines 2000-bits/sec-Modems die ersten hochauflösenden Bilder von Pluto funkte. Mit dieser Geschwindigkeit wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wir alle Daten des Vorbeiflugs bekommen, doch auch so wissen wir schon viel Spannendes über Pluto. Unter anderem auch neue Erkenntnisse über mein Lieblingsthema: seine Atmosphäre.

Plutos Atmosphäre ist reichlich dünn und besteht vor allem aus Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid, die aus dem Eis auf seiner Oberfläche ausgasen. Wenn Pluto auf seiner elliptischen Bahn der Sonne am nächsten kommt, erreicht er sommerliche Temperaturen von -218 Grad Celsius, bei denen das Eis sublimiert – also direkt von der festen in die gasförmige Phase übergeht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Atmosphäre, wenn sich Pluto von der Sonne entfernt, wieder ausfriert und verschwindet. Hinweise auf das Schrumpfen der Atmosphäre wurden beim Vorbeiflug von New Horizons entdeckt.

Davon abgesehen scheint Plutos Atmosphäre sehr dunstig zu sein, wie man auf Bildern eines von hinten durch die Sonne beleuchteten Plutos sehen kann. Dass dieser Dunst vorhanden sein würde, haben Modelle bereits vorhergesagt – überraschenderweise ist er allerdings deutlich höher über der Oberfläche als vermutet und tritt in zwei deutlichen Schichten auf. Vermutlich entsteht der Dunst, wenn Methan-Moleküle durch UV-Strahlung aufgespalten werden und die dadurch entstehenden Kohlenwasserstoffe in tiefere Schichten absinken, wo sie zu Dunst gefrieren. Warum das ausgerechnet in diesen zwei Schichten passiert, und nicht dort, wo das Modell es vorhergesagt hat, muss noch geklärt werden.

Seine geringe Größe und langsame Rotation lassen vermuten, dass Pluto kein oder nur ein sehr schwaches Magnetfeld hat. Das Magnetfeld schützt unter anderem die obere Atmosphäre eines Planeten vor Sonnenwinden, die ansonsten unaufhörlich daran nagen und Moleküle quasi „wegreißen“ würden – das kann man auf dem Mars sehen, der ohne Magnetfeld auch nur eine sehr dünne Atmosphäre halten kann.

Pluto hat ein ähnliches Problem. Seine Oberfläche gast Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid aus, die jedoch am oberen Rand der Atmosphäre von UV-Strahlung bombardiert und vom Sonnenwind weggetragen werden, so dass sich in Plutos Windschatten eine Art Plasma-Schweif aus ionisierten Gasen bildet. Dennoch ist seine Atmosphäre nicht ganz verschwunden, was darauf hindeutet, dass sie ständig Nachschub bekommt. Die Analyse dieses Plasma-Schweifs wird genaueres zur Bildung der Atmosphäre zeigen. Außerdem konnte dank New Horizons festgestellt werden, dass es auf Pluto fließendes Eis gibt – ganz ähnlich wie die Gletscher auf der Erde. Neben der Meteorologie ist also auch die Glaziologie auf Pluto offenbar spannender als gedacht.

Generell ist Pluto eine echte Wundertüte für die Forscher, und die hohen Erwartungen konnten bisher sogar übertroffen werden. Wir warten gespannt, bis unser Holzmodem im Weltall endlich alle Daten heruntergefunkt hat, und werden sehen, was für Überraschungen der degradierte Planet noch für uns bereithält …

Judith Homann hat einen Master in Meteorologie von der Universität Innsbruck und interessiert sich auch für extraterrestrische Wetteraktivitäten. Ihre Kolumnen finden Sie hier.

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