1. Mai 2021

Gipfeltreffen der Trap-Titanen - Slime Language 2 Deluxe erschienen

Bisschen rumpelig, aber abwechslungsreich und schön wild

Lesezeit: 4 min.

Zu Young Thug, dem Label YSL Records, „Slime Language 2“ und der Single-Auskopplung „That Go!“ hatte ich mich ja bereits an dieser Stelle geäußert und vor zwei Wochen – kurz bevor die mehrmonatige, super-lustige Werbeaktion mit ihrer genussvoll-sadistischen Hinhalten-/Wegziehen-Taktik dabei war, die Fans zum Bombenbauen zu reizen – war’s dann soweit. Es wurde endlich veröffentlicht und eine Woche später noch auf eine 31-Track-starke Deluxe-Edition geupdatet.

Das Selbstbewusstsein zeichnet sich schon auf dem Cover ab, denn da posiert die ganze Rasselbande so halb Corleone-mäßig im gothischen Ambiente während im Hintergrund in von radioaktiv leuchtendem Grün durchfluteter Nacht die Gewitterblitze niedersausen. Draußen die musikalische Apokalypse, wir bringen die Rettung? Keine Ahnung, wie genau das zu deuten ist. Fest steht aber, dass der Familien-Gedanke, im tatsächlichen und im erweiterten Sinne, mal wieder groß im Vordergrund steht. So hat Labelboss Young Thug Freundin Karlae („I Like“), Schwester HiDoorah („Come Te Llama“), Bruder Unfoonk („Real“) und das kleine Töchterchen Mego („Yessirskii“) ans Mikro geholt – letzteres kann man dabei aber getrost als ganz niedlichen Gag verbuchen.

Aber auch sonst stößt man vor und hinter den Kulissen (der Löwenanteil der Tracks stammt von YSL-Stammproducer Wheezy) größtenteils auf Namen, die man im Zusammenhang mit dem Label bestens kennt.

Hat sich das ganze Tam-Tam jetzt gelohnt? Klar! Wie immer bei Compilationen ist nicht alles geglückt, gerade der Einsatz von Thugs Schwester wird durch die brachiale Verwendung von Autotune zur Nervenprobe und der Sinn von eineinhalbminütigen Tracks wie Dolly Whites „Reckless“ erschließt sich mir nicht so ganz. Aber es gibt natürlich überwiegend Hörenswertes.

Meine drei Favoriten: „Warrior“, in dem ein tief entspanntes Panflöten-dominiertes Sample, das klingt wie aus einem uralten Martial-Arts-Klopper, mit einem schweren, sehr wuchtigen Beat kontrastiert und mit Lil Keeds sehr, sehr eigenen Art zu Singen/Rappen noch garniert wurde. So merkwürdig, wie faszinierend. In eine ganz andere Richtung steuert dagegen „GFU“ mit Yung Kayo, Sheck Wes und einem der wohl prägnantesten Gestalten im YSL-Angebot, Yak Gotti. Ein gnadenlos wildes Brett, das gekonnt die Power und Ästhetik des Punk der 1970er-Jahre in den Trap des Jahres 2021 transferiert. Könnte mir gut vorstellen, dass Sid Vicious seinen Spaß dran gehabt hätte. Des Weiteren wäre da noch „Paid The Fine“, dessen Musikvideo ganz gut illustriert, was ich zumindest an einem gewissen Eck des Trap-Genre – neben der Musik – ziemlich mag: Für den Dreh des Videos haben Young Thug und sein langjähriger Freund und wohl bekanntester YSL-Musiker Gunna für 30 Insassen des berüchtigten Fulton County Jail in ihrer Heimatstadt Atlanta die Kaution hinterlegt um sie wieder mit ihren Familien zu vereinigen. Bei den Freigekommenen handelt es sich zum größten Teil um Inhaftierte, die wegen geringfügiger Vergehen geschnappt wurden und dank hoher Kautionssummen keine Chance hatten, bis zum Tag der Verhandlung (der Jahre auf sich warten lassen kann) wieder in Freiheit zu kommen.

Thug erläuterte in einem TV-Interview, dass er es für absurd hält, dass für kleinere Vergehen wie Diebstähle Kautionen festgelegt werden, die den Wert der angerichteten Schäden um ein vielfaches übersteigen. Auf die Idee für die Aktion kamen die beiden Superstars nach einer TV-Sendung, in der über die Zustände des Fulton County Jails, das so überfüllt ist, dass Leute in den öffentlichen Bereichen des Gefängnisses untergebracht werden müssen, berichtet wurde. Natürlich ist das ein Stück weit immer auch mit Promo verbunden, aber die beiden, die übrigens keine Auskunft darüber gegeben haben, wie viel Geld aufgewandt wurde, betonen, dass das keine einmalige Aktion war und hoffen, dass Kollegen ihnen folgen werden.

Jedenfalls ein schönes Beispiel dafür, dass man mit Starpower und einem dicken Bankkonto weitaus mehr machen kann, als blasierte, zynische Videoclips ins Netz zu stellen. Man mag gar nicht dran denken, was wäre, wenn die Beteiligten von #allesdichtmachen … aber okay, lassen wir das.

Der Punkt für mich ist: Natürlich protzen auch diese Jungs ganz gerne mit Geldbündeln, dicken Autos und Bling-Bling und labern mal Mist, aber das ist okay, Jungs halt und alle zum Teil noch sehr jung, aber es werden eben auch immer wieder sehr positive, soziale Signale gesendet. Signale, mit denen Menschen eine Zukunft ermöglicht wird oder die zumindest eine Anleitung auf den Weg ins Morgen geben – wer hätte zum Beispiel je gedacht, dass Rapper empfehlen nicht alles Geld zu verpulvern, sondern was für schlechte Zeiten zurückzulegen? Und hier hebt sich YSL (inkl. des, meist ebenso aus Atlanta stammenden, Umfelds) in einem Genre, dass ich an sich heiß und innig liebe, aber das über Jahre von Stumpfsinn dominiert wurde (ich denk hier mit Grausen an große Teile der deutschen Szene) nicht nur mit der Musik, sondern ebenso mit der Attitüde oft positiv ab. Da geht’s wieder zurück zum ursprünglichen Geist des Hip-Hop, nur mit erheblich mehr finanziellen Möglichkeiten. Es wäre in der Tat schön, wenn sich so mancher Kollege ein Beispiel nehmen würde, man könnte in Zukunft so einiges Gutes bewirken.

Hier lässt sich das ganze Paket anhören!

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