3. September 2018 1 Likes

Auf zur Sonne!

Eine stille Sensation: die Raumsonde Parker Solar Probe

Lesezeit: 4 min.

Kein Objekt im Universum hat so viel Einfluss auf die Erde wie die Sonne. Der Mond sorgt für die Gezeiten und stabilisiert unsere Umlaufbahn; die Sonne ist für alles andere zuständig. Faszinierend, dass sie uns immer noch überraschen kann; dass uns dieser große, glühende Ball aus Kernenergie, an den wir uns inzwischen doch gewöhnt haben sollten, gelegentlich etwas entgegenschleudert, das uns in Angst und Schrecken versetzt. Den Sonnenwind zum Beispiel: ein Strom aus geladenen Teilchen, der mit einer Fantastilliarde Stundenkilometern auf die Erde zurast, sie mit kosmischer Strahlung bombardiert und Satelliten verrücktspielen lässt.

Aber wissen Sie, was wir bisher getan haben, um die Sonne zu erforschen? Gar nichts. Oder so gut wie gar nichts. Wir haben ein paar Sonden losgeschickt, um sie aus sicherer – sehr, sehr, sehr sicherer Entfernung – zu beobachten. Das war schon alles. Diese lodernde Gottheit, die alle Geschicke auf Erden lenkt, könnte sich buchstäblich auch in einem anderen Sonnensystem befinden.

Das ist natürlich etwas übertrieben. Tatsächlich wissen wir so einiges über die Sonne, was hauptsächlich jenem Menschenschlag zu verdanken ist, der beim Abendessen gerne über Sonnenflecken und endogene Zyklen plaudert. Und vor einigen Wochen – ich kann es immer noch nicht so richtig fassen – haben wir ein Raumschiff in die Sonne hinein geschickt. Nun, zumindest in eine Nähe von sechs Millionen Kilometern, was nach Sonnenmaßstäben durchaus eine Verletzung der Intimsphäre entspricht. Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht um ein bemanntes Raumschiff. Anders als in Danny Boyles Film Sunshine gibt es im wahren Leben keinen Hitzeschild, der einen Menschen vor der Sonne schützen könnte, wenn er ihr so nahekommt. Stattdessen entsenden wir die fortschrittlichste Sonde, die uns zur Verfügung steht, und schon bald werden wir viel, viel mehr über die Sonne erfahren.

Und das ist bei Weitem nicht alles. Diese Sonde ist eine der größten menschlichen Errungenschaften aller Zeiten. Leider hat das niemand mitbekommen, aber ich will nicht schon wieder damit anfangen, dass sich die Medien nur für Donald Trump, der die Queen beleidigt, und Elon Musk, der in einer Höhle feststeckt, interessieren. Neuigkeiten aus dem Weltraum sind da eher zweitrangig. Dabei handelt es sich hier um eine stille Sensation.

Erstens muss die Raumsonde – die Parker Solar Probe, benannt nach dem Astrophysiker und Sonnenforscher Eugene Parker – nicht nur extreme Hitze, sondern auch extreme Kälte aushalten. Immerhin herrscht im Weltraum größtenteils eine Temperatur um den absoluten Gefrierpunkt. Die Sonde muss also erst das und dann die 2700 Grad Celsius heiße Sonnenkorona überstehen. So etwas zu konstruieren ist alles andere als einfach. Der von der NASA entwickelte Hitzeschild ist aktiv flüssigkeitsgekühlt und muss schnell reagieren können – eine Richtungsänderung um nur ein Grad kann eine dreißig Prozent höhere Kühlleistung erforderlich machen.

Zweitens: Die Sonde muss die Korona durchqueren, und da geht es im wahrsten Sinne des Wortes heiß her – sogar heißer als auf der Sonnenoberfläche selbst. Moment, werden Sie sagen, das kann doch gar nicht sein. Doch; und warum das so ist, ist eines der Geheimnisse, die die Sonde lüften soll. Und nein, man kann nicht einfach durch die Korona zur angenehmer temperierten Sonnenoberfläche durchstoßen; unter anderem würde die extreme Strahlung der Sonde den Garaus machen.

Drittens kann man die Sonde nicht mit einem schweren, fußballfeldgroßen Hitzeschild ausstatten. Parker muss leicht und schnell sein, damit ihre Geschwindigkeit hoch genug ist, dass sie ihr Ziel erreicht, bevor Nordkorea einen Atomkrieg auslöst und sowieso alles beim Teufel ist. Jedenfalls hat die NASA es geschafft, dass die Sonde auch noch eine Ladekapazität von fünfzig Kilogramm hat. So viel schaffe ich im Fitnessstudio beim Kreuzheben, und ich bin nicht gerade ein Weltklasse-Gewichtheber.

Dieser kleine, erstaunliche Apparat wird sieben Jahre lang in Richtung Sonne fliegen, mehrere Swing-by-Manöver um die Venus durchführen, um Geschwindigkeit aufzunehmen, und irgendwann im Dezember 2025 das Zeitliche segnen.

Meine Begeisterung kennt keine Grenzen. Der Weltraumforschung sollte man ja im Allgemeinen skeptisch gegenüberstehen. Meistens kosten solche Expeditionen viel, bringen wenig und reißen einen nicht gerade vom Hocker. Es sei denn, sie sind tatsächlich eine Sensation. Und meiner Meinung nach ist das die Parker Solar Probe auf jeden Fall.
 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop) und „Enforcer“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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