31. Oktober 2022 1

„Guillermo del Toros Cabinet of Curiosities“: Neue Netflix-Horror-Anthologie

Durchwachsene Horror-Anthologie des Regiestars

Lesezeit: 4 min.

Guillermo de Toro (im Shop), der erst letztes Jahr mit „Nightmare Alley“ das Herz erfreute, hat nun eine Horror-Anthologie für Netflix zusammengebaut und die ist alles in einem – soviel sei schon mal gesagt – eher durchwachsen, erfreut aber vor allem mit einer neuen Arbeit des Regie-Wunderkinds Panos Cosmatos („Beyond the Black Rainbow, „Mandy), das hier komplett aus der Reihe tanzt und sein ganz eigenes Süppchen kocht.

Die Episoden im Einzelnen:

• „Los 36“ (Story: del Toro; Regie: Guillermo Navarro) mit Tim Blake Nelson, Elpidia Carrillo, Demetrius Grosse und Sebastian Roché. Verplempert den größten Teil der Laufzeit mit Exposition (inkl. Nazis) und lässt dann ein CGI-Monster aus der Kiste. Durchleiden aber trotzdem nicht ganz verkehrt, denn der stets zuverlässige Tim Blake Nelson gibt eine ganz wunderbare Vorstellung als runtergekommener, mürrischer Loser unter Druck.


„The Outside“

• „Friedhofsratten“ (nach Henry Kuttner; Regie: Vincenzo Natali) mit David Hewlett. In Vincenzo Natalis „Cube“ mussten 1997 sechs Menschen aus einem geheimnisvollen, mit tödlichen Fallen gespickten Würfel-Labyrinth entkommen, in „Friedhofsratten“ krabbelt ein Mensch durch ein Labyrinth von Tunneln, gespickt mit extrem angriffslustigen Ratten. Erzählt wird dabei im Kern eine ähnliche Geschichte wie in „Los 36“, nur deutlich humorvoller, weitaus kompakter und dynamischer (die Folge ist mit 38 Minuten auch die kürzeste). Großer Spaß, der aufgrund seines leicht tölpeligen Pechvogel-Helden und dem fast comicartigen Stil auch etwas an die „Tanz der Teufel“-Filme erinnert.

• „The Autopsy“ (nach Michael Shea; Regie: David Prior) mit F. Murray Abraham, Glynn Turman und Luke Roberts. Stellenweise einen Tick zu erklärungswütige, aber an sich gelungene Science-Fiction-Horror-Story, der auch prima in den Serienklassiker „Outer Limits“ (1963-1965, 1995-2002) gepasst hätte, wobei damals lange nicht rumgesaut wurde – wer hätte gedacht, F. Murray Abraham eines Tages mal beim geil eklig in Szene gesetzten Leichenauseinandernehmen zusehen zu können?


„The Autopsy“

• „The Outside (nach der Comic-Story von Emily Carroll; Regie: Ana Lily Amirpour) mit Kate Micucci und Martin Starr. Galliger Kommentar zum Selbstoptimierungswahn, versprüht ein wenig „Stuff - Ein tödlicher Leckerbissen“-Vibes, ist einfallreich gefilmt, erfreut mit pointiertem Musikeinsatz und trumpft mit einer grandiosen Kate Micucci in ganz, ganz großer Form und einem schön lustig-bösen Ende auf. Etwas kürzer und die Nummer wäre perfekt gewesen.

Die beiden Lovecraft-Adaptionen: „Pickman’s Model“ (Regie: Keith Thomas) mit Ben Barnes, Crispin Glover, Oriana Leman und „Dreams in the Witch House“ (Regie: Catherine Hardwicke) mit Rupert Grint, Ismael Cruz Cordova, DJ Qualls, Nia Vardalos und Tenika Davis haben so ihre Probleme mit dem unkonkreten, extrem verdichteten Stil des Horrorgroßmeisters aus Providence. Keith Thomas‘ Episode erfreut zwar mit Crispin Glover, der als genialer, aber abgründiger Maler Pickman dem Rest der Besetzung die Show stiehlt, und einigen atmosphärischen Sequenzen, wirkt aber zerdehnt, die Kurzgeschichte wird nur mit spürbarer Mühe auf 60 Minuten gebracht. Catherine Hardwicke dagegen macht auf regelrechte Lovecraft-Verachtung und knüpft mit einer polternden, CGI-lastigen Effektshow direkt an ihre beiden damaligen Teenie-Heuler „Twilight – Biss zum Morgengrauen“ (2008) und „Red Riding Hood – Unter dem Wolfsmond“ (2011) an. Den Kids wird’s gefallen, der Rest kotzt.


„The Murmering“

• „The Viewing“ (eine neue Story von Aaron Stewart-Ahn und Panos Cosmatos; Regie: Panos Cosmatos) mit Peter Weller, Eric André, Sofia Boutella, Charlyne Yi, Steve Agee, Michael Therrialt und Saad Siddiqui. Cosmatos dritte Regie-Arbeit wird vermutlich wie die Vorgänger für extrem gespaltene Gemüter sorgen, vielleicht selbst unter den Fans, denn „The Viewing“ ist ein, in mal wieder absolut fantastische, schmutzig-gelb-stichige Bilder gekleidetes, sanfthumoriges Kammerspiel in 70er-Jahre-Retro-Sci-Fi-Kulisse, in dem ungefähr Dreiviertel der Laufzeit nichts gemacht wird, außer zu reden – das Ganze kratzt mehrfach am Mumblecore – zu trinken und zu koksen, bevor sich das Ganze in einen Monsterfilm verwandelt. Natürlich lässt sich prima diskutieren, ob der lässig dahin geworfene – dramaturgisch wabert das so vor sich hin – Inhalt groß Sinn macht oder ob es sich bei der Handlung um das Produkt eines bierseligen Abends handelt. Aber Cosmatos ist einfach so ein verflucht guter Regisseur, der hier, unterstützt von einem genialen Soundtrack von Daniel Lopatin (besser bekannt als Oneohtrix Point Never), mal wieder eine einzigartige Atmosphäre in die Augäpfel und Gehörgänge träufelt. Man kann eigentlich gar nicht nein sagen.

• „The Murmuring“ (Story: del Toro; Regie: Jennifer Kent) mit Essie Davis, Andrew Lincoln und Hannah Galway. Jennifer Kent verhandelt hier nach ihrem Debüt „The Babadook“ (2014) erneut zwischenmenschliche Beziehungen über Horrorfilmmotive. Das ist hübsch in Szene gesetzt, aber auch behäbig, wenig originell (Gespensterkinder, rumpelnde Möbel, zweifelnder Ehemann) und nervt zuweilen mit verheulten Monologen.

Abb. ganz oben aus „The Viewing“.

Guillermo del Toro‘s Cabinet of Curiosities (Kanada 2022) • Regie: Guillermo Navarro, Vincenzo Natali, Ana Lily Amirpour, David Prior, Keith Thomas, Catherine Hardwicke, Jennifer Kent, Panos Cosmatos • Darsteller: Kevin Keppy, Lize Johnston, Megan Many, Ish Morris, Geena Davis, Sofia Boutella, Andrew Lincoln, Kate Minucci, Crispin Glover • Netflix

Kommentare

Bild des Benutzers Dr. Steidel

Sehenswert nur "Die Autopsie", sonst ekelig, langweilig und vorhersehbar.

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