15. September 2020 2 Likes

„#amLeben“ - Zombie-Routine, die 98978767te

Ami auf Koreanisch

Lesezeit: 5 min.

Wie passend. Ich hatte mich ja erst neulich (hier und hier!) darüber ausgelassen, dass es keine gute Idee ist, wenn Filmproduktionsfirmen außerhalb der USA meinen, sie müssen jetzt auf Teufel komm raus international anschlussfähige Filmkost produzieren. „International anschlussfähig“ heißt nämlich nur allzu oft, dass man guckt, was die Amerikaner so machen und genau das Gleiche dann halt auch macht, nur mit viel weniger Geld. Und dabei sollte das Besondere an nichtamerikanischen Filmen ja eigentlich sein, dass es sich um … nun ja, eben um Filme handelt, die nicht in Amerika gedreht worden sind. Und das kann gerade beim Zombiefilm ein Gewinn sein, denn während dieser in Amerika nach wie vor am liebsten das Erbe des überlebensgroßen Untoten-Papas George R. Romero pflegt und die Bausteine aus dessen Kasten immer und immer wieder neu zusammensetzt (Ausnahmen wie Jim Jarmuschs „The Dead Don’t Die“ von 2019 bestätigen die Regel), hatten es die fauligen Genossen zum Beispiel in Japan oder Korea schwer sich ins Publikumsbewusstsein zu knabbern, was allerdings wiederum einen deutlich unbedarfteren Umgang mit dem Genre zur Folge hatte.


Zugegeben, für so ein Foto muss man schon mal was riskieren

Südkorea kam sogar erst 2016 so richtig auf den Untoten-Geschmack – „Train To Busan“ grenzte sich vor allem dadurch ab, dass die typisch Ppalli-Ppalli-, also Schnell-Schnell-Mentalität der Koreaner Einzug hielt. Wer bis dato dachte, dass die Zombies aus „28 Days Later“ (2002) oder „World War Z“ (2013) das letzte Wort in Sachen „schnelle Zombies“ sind, wurde hier eines besseren belehrt – die koreanischen Kollegen sind regelrechte Hochleistungssportler und zudem zu taktischem Handeln und zur Zusammenarbeit fähig (was mitunter für beeindruckende Körperteppiche sorgt), allerdings im Dunklen orientierungslos. Eigenschaften, die gerade in der Enge eines Zuges – praktisch die ganze Handlung spielt in einem – natürlich für ordentlich Spannung und für die ein oder andere originelle Szene sorgen. Allerdings brachte Sang-Ho Yeons Film zwei typische Eigenschaften des heimischen (Mainstream-)Kinos mit, den Hang zum satten, hier von sozialkritischen Tönen durchmischten Drama mit Pathos-Schlagseite und zum epischen Atem (böse Zungen sprechen von Überlänge), die außerhalb Korea – gerade bei Genrefans – nicht unbedingt einhellig für Freude sorgten. Ob man das jetzt mag oder nicht, zumindest der ersten Komponente muss man zugestehen, dass dadurch auf gewisse Weise dafür gesorgt wurde, dass sich das Geschehen deutlich enger an die Ursprünge des Genres anlehnt, als beim Gros der ganzen Romero-Kopisten, denn eins wird bei der großen Verehrung des heiligen George häufig vergessen: Der Mann war ein smarter Auteur, der immer mehr im Sinn hatte als das Runterfilmen von putzigen Masken und Schweinegedärm – letztendlich stehen in seinen Großtaten immer die Charaktere und deren Interaktion untereinander im Vordergrund.


Sie war nicht allein in der Zombikalypse – ihr Freund, das MacBook, wich nicht von ihrer Seite

Wie auch immer, „Train To Busan“ brachte jedenfalls einen Korea-Flavour mit ins Spiel und nach diversen Nachzüglern wie „Rampant“ (2018), der Netflix-Serie „Kingdom“, der unvermeidlichen „Busan“-Fortsetzung „Penisuela“ (2020) nun „#amLeben“, ein Debütfilm, der im Heimatland im Juni gut lief (wobei sich die Maßstäbe dank Corona natürlich gewaltig nach unten verschoben haben) und von Netflix schnell eingekauft und ins Programm aufgenommen wurde, bevor Schlagwörter wie „Lockdown“ oder „Social Distancing“ wieder der Vergangenheit angehören.

Erzählt wird von Vlogger (das sind Menschen, die in Internetvideoclips davon plaudern, was sie so treiben) Jon-Woo, der eines Tages erkennen muss, dass außerhalb seiner Behausung, außerhalb seiner kleinen Computerwelt, eine Zombie-Apokalypse ausgebrochen ist und er nun irgendwie durchkommen muss. Der größte Teil spielt in einem Appartement, was etwas an den dänischen „Zoo“ (2018) erinnert, allerdings geht’s hier deutlich actionreicher zu Sache.

Wer auf die Lauflänge – 98 Minuten – guckt, wundert sich, denn für eine klassische koreanische Produktion ist das verhältnismäßig schlank (alle genannten Titel gehen um die zwei Stunden) und wer noch mal hinschaut, erfährt, dass es sich eigentlich um einen amerikanischen Stoff beziehungsweise um eine Art Remake des Films „Alone“ handelt, der in den USA erst im Oktober veröffentlicht wird, wobei die ostasiatische Fassung mit amerikanischer Schützenhilfe entstand, denn Drehbuchautor Matt Naylor hatte sich gemeinsam mit „#amLeben“-Regisseur Il Cho gleich um die Wiederkäuung für Südkorea gekümmert.


Früher kamen die Nachbarn noch mit Brot und Salz

Und das merkt man, denn was bei den Koreanern manchmal sicherlich etwas zu viel des Guten ist, ist bei den Amerikanern viel zu oft viel zu wenig: So spannend die Grundidee klingt, gemacht wird nicht viel draus: „#amLeben“ nimmt sich – anders als die genannten Titel – keine Zeit für den Protagonisten, um ihn den Zuschauern irgendwie näher zu bringen. Obwohl man ja schon allein deshalb mit ihm mitfiebern sollte, weil er in so gut wie jeder Szene im Mittelpunkt steht. Aber schon wenige Minuten nach Beginn bricht das Chaos los und fortan konzentriert sich mehr oder weniger alles darauf, wie unser Held mit der Situation fertig wird. Das ist anfänglich noch milde interessant, immerhin steht nicht alle Tage ein ausgesprochener Nerd (sonst ja immer Sidekick), im Mittelpunkt einer Untoten-Apokalypse und der geht natürlich entsprechend mit der Situation um (nutzt soziale Netzwerke und Drohnen), verliert sich aber nach einer Weile in hunderttausendfach gesehene Zombiefilm-Standardsituationen (inklusive Finale aus der Mottenkiste), in die noch – eine in letzter Zeit verstärkt auftretende Marotte westlicher Genreproduktionen – viel zu spät halbherzig einige wenige „emotionale Momente“ reingewürfelt werden, um dann doch noch irgendwie Anknüpfpunkte für die Zuschauern zu schaffen, denen mittlerweile längst Wurst ist, wer da durch die Gegend hechtet. Da helfen selbst die wenigen Schauwerte (die Zombiemasken und – Choreographien können sich sehen lassen) nicht weiter, das ist im Wesentlichen alles viel zu sehr Malen nach Zahlen, wir kennen’s schon zu Genüge aus den USA, das brauchen wir jetzt echt nicht noch aus Korea.

„#amLeben“ ist seit dem 10.09.2020 bei Netflix abrufbar.

„#amLeben“ (Südkorea 2020) • Regie: Il Cho • Darsteller: Ah-In Yo, Shin-Hye Park, Hyun-Wook Le, Bae-soo Jeon, Hye-Won Oh, Woon Jong Jeon, Boo-Bi Joo, Hak-seon Kim

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