21. Dezember 2018 1 Likes

Hinsehen, oder lieber nicht?

Die Verfilmung des SF-Romans „Bird Box“ mit Sandra Bullock auf Netflix

Lesezeit: 3 min.

2014 veröffentlichte Josh Malerman, Frontmann der Band The High Strung, sein endzeitliches bis postapokalyptisches Romandebüt „Bird Box“, das u. a. für den James Herbert Award und den Bram Stoker Award nominiert war. Nun hat die bekannte dänische Regisseurin Susanne Bier („In einer besseren Welt“, „The Night Manager“) den Horror-Science-Fiction-Stoff mit der Starpower von u. a. Sandra Bullock nach einem Drehbuch von Eric Heisserer („The Arrival“) für Netflix adaptiert, wo der Film seit dem 21. Dezember zum Streamen bereit steht.

Als Protagonistin der „Bird Box“-Verfilmung fungiert die schwierige, aber zähe Mallory (Sandra Bullock). Als die Welt von einer brutalen Selbstmordwelle ins endzeitliche Chaos und schließlich ins postapokalyptische Dilemma gestürzt wird, findet die hochschwangere Mal Schutz bei Fremden in einem Wohnhaus. Dort stranden auch andere geschockte Überlebende, darunter der alte Zyniker Douglas (John Malkovich), die junge Polizistin Lucy (Rosa Salazar aus „Maze Runner“ und „Battle Angel Alita“) und der überlegt vorgehende Ex-Soldat Tom (Trevante Rhodes aus „The Predator“ und „Moonlight“). Inzwischen ist außerdem klar, dass unsichtbare Kreaturen die Menschen in den Selbstmord trieben und treiben. Ihr eindringliches Geflüster ist schon extrem verlockend und gefährlich, doch wenn man hinsieht, ist man endgültig verloren …


Vögel sind der Schlüssel, das wissen Sandra Bullock …

Da hilft nur: Ringsum die Fenster abdunkeln, draußen immer brav eine so gut wie nichts durchlassende Augenbinde tragen, notfalls an Seil oder Angelschnur entlanghangeln, und mit abgeklebten Autoscheiben und Einparksensor zum Supermarkt fahren! Weitere Überlebende, die an die Tür klopfen, sind logischerweise eine kaum zu kalkulierende Gefahr, wohingegen Vögel die Wesen, die alles verändert haben, scheinbar frühzeitig erkennen und einen wie im Bergwerk warnen können. Gut, dass Mallory im zweiten Handlungsstrang, der den längeren Rückblenden in die aufwühlende Zeit des Untergangs gegenübersteht, nicht nur zwei Kinder, sondern auch die titelgebende Schachtel mit ein paar Sittichen bei sich hat. Dennoch ist es kein Spaß, halbblind auf einem Fluss durch die Wildnis zu treiben, nur weil man einen versprochenen Ort sucht, an dem man endlich in Sicherheit sein könnte …


… und John Malkovich in „Bird Box“. Abb.: Netflix

Die 1960 geborene Bier, nicht umsonst mit dem Oscar, dem Emmy und dem Golden Globe ausgezeichnet, ringt ihrer Umsetzung der Buchvorlage immer wieder starke Stimmungsexplosionen ab. Auch das fragmentierte postapokalyptische Abenteuer auf und jenseits des Stroms hat seine Momente. Das alles kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den meisten Szenen dann doch eher das kleine Einmaleins des Horrors und das ABC von Endzeit und Postapokalypse durchexerziert werden – egal, ob es um die unsichtbaren Monster, die Doofheit der Überlebenden oder den Wahnsinn der gemeinen Psychos geht, die sich nach dem Ende der Welt tummeln und unter den neuen Bedingungen gedeihen. Zumal man sich als Zuschauer das eine oder andere Mal staunend fragt, wieso die Leute mit ihren Augenbinden sogar Auto fahren können oder z. B. im Wald nicht dauernd der Länge nach hinklatschen. Immerhin gelingt es Bier, Heisserer und Co., mithilfe der Ideen des Romans ein paar einfallsreiche Genre-Momente zu kreieren. So wird das doppelte Standardprogramm aus Horror und SF zwischendurch wenigstens mit ein bisschen Innovation aufgepeppt. An der schauspielerischen Leistung des teilweise hochkarätigen Ensembles gibt es ebenfalls nichts auszusetzen, nur macht das alleine eben keinen guten Film.

Was niemand besser weiß als Will Smith. Letztes Jahr um diese Zeit wurde ihm die zweifelhafte Ehre zuteil, Netflix’ Blockbuster-Eigenproduktion „Bright“ zu headlinen, einen der mausten Streifen 2017. Als solch gruseliger Totalausfall präsentiert sich „Bird Box“ zu keinem Zeitpunkt, man kann die meiste Zeit über hinsehen, ohne dass es weh tut. Trotzdem warten wir nach Gurken und Standard weiter auf den ersten echten Must-See, den ersten überzeugenden, unverzichtbaren Netflix-Film, bei dem man einfach hinsehen müsste.

Bird Box – Schließe deine Augen • Regie: Susanne Bier • Drehbuch: Eric Heisserer • Darsteller: Sandra Bullock, John Malkovich, Trevante Rhodes, Rosa Salazar • Laufzeit: 124 Min.

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.