Vier Stunden pure Ekstase!
Female: Tolles Boxset mit einem 5-Disc-Archiv des Techno-Urgesteins erschienen
Mit dem Alterungsprozess von Musik ist das ja so eine Sache. Vor allem elektronisch erzeugte Musik neigt dazu schnell gestrig zu klingen, weil diese Variante – dank der praktisch unbegrenzten Möglichkeiten – stets nach vorne schielt und in klangästhetischer wie kompositorischer Hinsicht ständig neue Strömungen durchläuft, sehr „zeitgeistig“ ist, was natürlich ganz im Gegensatz zu „handgemachter Musik“ steht. Eine Heavy-Metal-Platte von 1990 klingt zum Beispiel nicht viel anders als eine von 2020, Heavy Metal ist halt Heavy Metal. Allerdings ist der Dancefloor der Neunziger komplett an diese Ära gekoppelt, außer unverbesserliche Nostalgiker wird sich heute kaum noch jemand freiwillig mit damaligen Hits wie „Barbie Girl“ (Aqua) oder „Max Don’t Have Sex With You Ex“ (E-rotic) das Trommelfell malträtieren. Ähnliches gilt auch für Rave oder Techno. Ein großer Teil der Acts, die damals auf Großveranstaltungen wie der Mayday abgefeiert wurden, sind heute vergessen oder kochen zumindest wesentlich kleinere (meist Retro-)Süppchen.
Am besten – aus künstlerischer, nicht unbedingt kommerzieller Sicht – sind immer die Musiker gefahren, die sich nie sonderlich um aktuelle Entwicklungen gekümmert haben, die völlig abgekoppelt vom momentanen Geschehen im Soundlabor ein ureignes Süppchen geköchelt haben, sich bemüht haben, so originär wie möglich zu klingen, ihrer Musik einen Stempel aufzudrücken. Und da kommt Peter Sutton ins Spiel, der unter dem Pseudonym Female einige Jahre nicht nur selbst Musik produziert hat, sondern Ende der 1993 zusammen mit Karl O’Connor (der als Regis nach wie vor produziert) das Plattenlabel „Downwards“ ins Leben rief und den Techno um einen als Birmingham Sound bekannten Stil bereicherte. Einem Stil, der so eigen ist, dass er bis heute vor allem mit diesen beiden Künstlern und deren langjährigen Mitstreiter Anthony Childs (Surgeon) assoziiert wird. Dabei handelt es sich um eine extrem minimalistische, repetitive, dunkle, kalte, experimentelle, raue, treibende und oftmals sehr harte Techno-Variante, die im Prinzip näher am Industrial-Genre der 1970er- und frühen 1980er liegt, aber auf jeden Fall auch heute noch frisch klingt, das gerne genutzte Etikett „zeitlos“ kann man hier ohne Bedenken anbringen.
Nun gibt’s ein schickes Boxset von Hospital Productions, das in Form einer samtenen Schmuck-Schatulle daherkommt. Im Inneren befindet sich ein riesiges doppelseitig bedrucktes Female/Downwards-Poster, ein vier CDs umfassendes Archiv, auf dem nahezu sämtliche damaligen Female-Veröffentlichungen versammelt wurden und eine fünfte CD mit einem bis dato unveröffentlichten Live-Mitschnitt, bei dem Female zusammen mit Regis die Maschinen bearbeitet.
Bestellen kann man kann man direkt beim Label (64.97$) oder woanders, aber es ist natürlich immer schön, wenn direkt unterstützt wird.
Eine Möglichkeit zum Anhören des Komplettpakets und zum Erwerb einer digitalen Version findet sich hier!
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