25. Juli 2020

„Japan sinkt 2020“ - Bukolische Dystopie

Die Anime-Serie zeigt die Folgen einer Katastrophe

Lesezeit: 2 min.

Nein, es ist keine Pandemie, die die japanischen Inseln erfasst, sondern das seit langem erwartete und befürchtete große Erdbeben. In der ersten Folgen von Masaaki Yuasas zehnteiliger Netflix-Serie „Japan sinkt 2020“ trifft es Tokio und reißt die Familie Mutoh aus ihrem Alltag. Vater Koichiro, Mutter Mari und die beiden Kinder Ayumu und Go überleben, doch ihr Haus ist zerstört. Sie verlassen die Stadt, sie sind zusammen, eine heile Familie, zumindest noch.

Seltsam beschaulich beginnt die Serie, in weichen Pastelltönen gemalt, die Bilder der Zerstörung von sanfter Musik unterlegt, die die Katastrophe irgendwie irreal erscheinen lässt. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Spätestens wenn am Ende der zweiten Episode der Vater beim Graben auf eine Mine stößt und nicht nur in die Luft geht, sondern gleich drastisch in Stücke gerissen wird, ändert sich der Ton der Erzählung.

Auf ihrer Flucht, die immer mehr einem Road Movie gleicht, begegnet die dezimierte Familie immer neuen Personen – einem blondierten YouTuber etwa, oder einem alten, kranken Mann, der sich mit Pfeil und Bogen verteidigt – die sie eine Weile begleiten, mal beschützen, mal angreifen und unterschiedliche Möglichkeiten andeuten, mit den Folgen der Katastrophe umzugehen. Denn das Besondere an „Japan sinkt 2020“ ist, das es nicht in erster Linie um Schauwerte geht, sondern um Psychologie, nicht um eine äußere Katastrophe, sondern um die Folgen dieser Katastrophe auf das Innere, auf den Zusammenhalt von menschlichen Gemeinschaften, auf den Zusammenhalt einer Familie.

Vorlage für die Serie war dabei der 1973 erschienene Roman „Japan sinkt“ von Sakyo Komatsu, der als einer der renommiertesten Science-Fiction-Autoren seines Landes galt. Schon im selben Jahr entstand unter dem Titel „Tidal Waves“ eine erste Verfilmung, die in den USA von Roger Corman umgeschnitten, mit neuem Material ergänzt und erfolgreich veröffentlicht wurde. In den folgenden Jahren entstanden eine TV-Serie und eine weitere Realverfilmung, in dessen Folge auch eine Fortsetzung der Romanvorlage erschien.

Kurz gesagt: „Japan sinkt 2020“ ist in Japan Teil der Populärkultur, wird immer noch gelesen und trifft mit seinem Blick auf das Schicksal einer Familie augenscheinlich einen kulturellen Nerv. Etwas seltsam mutet es daher an, dass kaum eine Figur der Anime-Serie wirklich japanisch aussieht. Zum Teil ist dies fraglos dem Wunsch geschuldet, ein internationales Netflix-Publikum anzusprechen, zum Teil aber auch der Versuch, von der Xenophobie eines Landes zu erzählen, dessen Bevölkerung viel homogener ist, als die meisten westlichen Länder.

So durch und durch japanisch wie Masaaki Yuasas erfolgreiche Spielfilme „Lu Over the Wall“ oder „Ride Your Wave“ ist „Japan sinkt 2020“ zwar nicht, dafür jedoch eine Serie über eine dystopische Welt, der es auf eindrucksvolle Weise gelingt, bukolische Bilder mit psychologisch komplexen Figuren und Familienstrukturen zu verbinden.

Japan sinkt 2020 •  Regie: Masaaki Yuasa • zehn Episoden, Netflix

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