9. November 2018

Der letzte Mann

Ulrich Köhlers Dystopie „In My Room“ erzählt von der Gegenwart

Lesezeit: 3 min.

Armin (Hans Löw) ist Mitte 30, lebt in Berlin, ist Freiberufler, ungebunden und in jeder Hinsicht auf der Suche. Der Umgang mit anderen fällt ihm schwer, sowohl mit seinem Chef, als auch mit einem potentiellen One Night Stand kann er kaum kommunizieren, familiäre Bindungen gibt es ebenfalls kaum. In der deutschen Provinz leben seine Eltern getrennt, sein Vater hat eine neue Lebensgefährtin und damit mehr Sex als der Sohn, der sich eigentlich so frei fühlt. Um das Sterben seiner Großmutter (Ruth Bickelhaupt) zu begleiten ist Armin wieder zu Hause, in seiner alten Heimat, wo sich wenig geändert hat.

Am Tag nach dem Tod der Großmutter wacht Armin auf und ist allein auf der Welt. Die Menschen scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben, die Tiere rennen über Straßen, die Natur erobert sich bald den Raum zurück, den der Mensch ihr genommen hat. Ziellos streift Armin durch die Gegend, doch dann wird er sesshaft, in einem Ferienhaus der Familie, das er mit einem Generator betreibt und zu seinem Quartier ausbaut.

Wieder ist er allein, konzentriert sich ganz auf das Überleben, doch dann läuft ihm eines Tages eine Art Eva in Gestalt von Kirsi (Elena Radonicich) über den Weg. Für einige Zeit bildet das Paar eine Gemeinschaft, scheint sich eine für Armin bislang ungewohnte zwischenmenschliche Gemeinschaft zu entwickeln, doch dieser Zustand ist nicht von Dauer.


Armin (Hans Löw), der letzte Mann…


… und Kirsi (Elena Radonicich), die letzte Frau – „In My Room“

Dass Ulrich Koehler, Regisseur von „Und Montag kommen die Fenster“ und „Schlafkrankheit“ mit „In my Room“ keinen richtigen Genrefilm gedreht hat überrascht wenig. Zwar bedient er sich mit dem plötzlichen Verschwinden eines Großteil der Menschheit eines typischen Musters des Endzeit-Genres, platziert einen, später zwei Menschen allein in den Ruinen der Zivilisation, doch wo sich ein Genrefilm bald für die Ursachen der Katastrophe interessieren würde, nach Außen, auf das große Ganze blicken würde, richtet Köhler den Blick nach Innen.

Es ist das Portrait einer Generation, zu der sich der inzwischen 48jährige Köhler wohl nicht mehr zählt, der er aber einst angehörte: aus bürgerlichem Haus, ohne sozialen Druck aufgewachsen, ohne die Notwendigkeit, sich schnell entscheiden zu müssen, was man im Leben machen soll und will. Besonders in Berlin gibt es zahllose solcher Menschen, nicht zuletzt solcher Männer, die von Job zu Job, von Liebschaft zu Liebschaft wechseln, sich viele Türen offenhalten und dabei vielleicht doch nicht so frei sind, wie sie zu sein glauben.

Das Konstrukt einer Katastrophe, das plötzliche auf sich selbst gestellt sein, nimmt Köhler nun zum Anlass, um die Psyche seiner Hauptfigur Armin auszuloten. Schon als er noch unter Menschen lebte hatte es sich dieser in seinem Alleinsein gut eingerichtet, dementsprechend leicht fällt es ihm nun, wirklich komplett allein zu sein. Bis, ja bis ihm eine Frau über den Weg läuft, mit der die Möglichkeit einer Familie, einer Art von Sesshaftigkeit im Raum steht.

Dabei verhalten sich die Figuren in diesem Konstrukt nicht immer glaubwürdig, manche Handlung wirkt weniger organisch aus den Figuren entwickelt, als dem Willen des Autors entsprungen, was noch einmal zeigt, dass „In My Room“ nur im Ansatz ein Genrefilm ist, viel mehr jedoch ein im Kern sehr deutscher Film, der in Momenten etwas verkopfter ist, als ihm gut tut.

„In My Room“ läuft seit dem 8. November im Kino.

In My Room • Deutschland 2018 • Buch & Regie: Ulrich Koehler • Darsteller: Hans Löw, Elena Radonicich

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